Gemeinderatssitzung

Freie-Wähler-Chef Ehinger fordert Baden-Badener Ausstieg aus Weltkulturerbe - "Keine weiteren Kosten investieren" - "Schulden-Haushalte" 2016/17 von Gemeinderat genehmigt

Freie-Wähler-Chef Ehinger fordert Baden-Badener Ausstieg aus Weltkulturerbe - "Keine weiteren Kosten investieren" - "Schulden-Haushalte" 2016/17 von Gemeinderat genehmigt
Der Baden-Badener Gemeinderat verabschiedete am Montag den Doppelhaushalt 2016/2017.

Baden-Baden, 22.03.2016, 00:00 Uhr, Bericht: Christian Frietsch Vor der Gemeinderatssitzung gestern Abend hatten manche Fraktionschefs über Bauchschmerzen geklagt. Zu groß werden für sie die Schulden der Stadt und immer undurchsichtiger die Informationspolitik von Oberbürgermeisterin Margret Mergen und ihren unmittelbaren Mitarbeitern.

Gestern stimmten die Gemeinderäte den Haushalten 2016 und 2017 dennoch zu und damit den Ausgaben von fast einer halben Milliarde Euro. Aufwendungen 2016: 223 Millionen. 2017: 236 Millionen. Über 15 Millionen Euro minus werden auf Rathaus und Bürger zukommen. Stadtkämmerer Thomas Eibl hatte gestern jedoch noch eine Überraschung bereit und kündigte an, dass sich das für 2016 mit 6,1 Millionen Euro prognostizierte Defizit möglicherweise um 3,8 Millionen Euro verringern könnte. In der Vorlage hatte es noch 6,2 Millionen zu den roten Zahlen geheißen, aber an der kleinen Differenz von 100.000 Euro hielt sich gestern Abend im Baden-Badener Rathaus niemand auf.

Die Rettungsaktion des Stadtkämmerers konnte nicht verhindern, dass sich die Fraktionschefs in ihren Haushaltsreden fast alle durchweg kritisch Form und Inhalt des schuldenbeladenen Zahlenwerks zuwandten. Der Abend im Baden-Badener Rathaus war aber auch von ungewöhnlichen Symbolhandlungen gekennzeichnet. CDU-Fraktionschef Armin Schöpflin übergab während seiner Rede ein aufblasbares Gummi-Flugzeug an Grünen-Chefin Beate Böhlen als Dank, dass die Grünen-Fraktion der Fortführung der Beteiligung am Baden-Airpark erstmals zugestimmt habe. Und einen sonderbaren Auftritt hatte Hans-Peter Ehinger, der seine Rede als Rap mit den Worten «all the fucking Geld goes weg» begann und sich dabei sein Jackett falschherum anzog und sich eine Schildmütze mit dem Schild nach hinten aufsetzte. Als er nach einigen gerappten Zeilen dann alle Gemeinderäte bat, nach vorne zu kommen, wurde er von Oberbürgermeisterin Mergen zur Ordnung gerufen, worauf der Freie-Wähler-Fraktionschef seine Schildmütze wieder absetzte und sein Jackett wieder in die richtige Symmetrie zu Armen und Rumpf brachte. Über den tieferen Sinn der Aktion bleibt noch zu rätseln.

In seiner Haushaltsrede hatte Hans-Peter Ehinger dann aber eine Forderung versteckt, die den Eindruck als blanke Lobbyarbeit für die in Baden-Baden tätigen Bauunternehmer erweckt und gab ein Statement gegen das wohl wichtigste Korrektiv zur Erhaltung der historischen Villen ab: «Wir empfehlen, die Bewerbung als Unesco-Weltkulturerbe einzustellen, hier keine weiteren Kosten mehr zu investieren. Bei 16 Bewerberstädten verwässert die Bedeutung der angestrebten Auszeichnung völlig. Stattdessen handeln wir uns Mitspracherechte der Mitbewerber und weitere Einschränkungen bei städtebaulichen Veränderungen ein. Baden-Baden verfügt über hinreichende Alleinstellungsmerkmale.» Sollten die Freien Wähler mit diesem Vorschlag ernsthaft das verschuldete Rathaus retten wollen, verspielen sie das wertvollste Kapital der Stadt. PDF Haushaltsrede von Hans-Peter Ehinger.

In seiner Haushaltsrede zeigte selbst CDU-Fraktionschef Armin Schöpflin seiner Parteifreundin Margret Mergen zwar charmant, aber unmissverständlich die rote Ampel: «Es ist leicht auszurechnen, dass das so nicht weitergehen kann. Der Haushalt muss konsolidiert werden und es war richtig, sehr geehrte Frau Mergen, eine Haushaltsstrukturkommission einzurichten, die weitergeführt werden muss.» Und dafür gab der CDU-Fraktionschef eine Richtungsempfehlung mit auf den Weg, damit Baden-Baden wieder von seinem Schuldenkurs wegkommt: «Zunächst ist zu prüfen, inwieweit eine Kürzung freiwilliger Leistungen und die Optimierung von Verwaltungsabläufen möglich sind. Es muss aber auch geprüft werden, inwieweit Strukturen verändert werden können, wie zum Beispiel kundenorientierte Öffnungszeiten der Behörden, um bei den Personalkosten zu sparen.» PDF Haushaltsrede von Armin Schöpfin, CDU.

Beate Böhlen, grüne Fraktionschefin, ging konkreter mit Oberbürgermeisterin Margret Mergen ins Gericht, die trotz steigendem Unbehagen an ihrem altmodischen Informationsgebaren festhält. Die grüne Fraktionschefin beanstandete in diesem Zusammenhang die fehlenden Informationen zu Beratungen des Zweckverbandes Baden-Airpark und der Neuausrichtung der Technologieregion Karlsruhe, die OB Mergen nicht mit dem Gemeinderat erörtert habe: «Schon im letzten Jahr hatten wir darauf aufmerksam gemacht, dass Sie uns über die Haushaltsberatungen im Zweckverband Hochwasserschutz informieren müssen. Hier werden haushaltswirksame Mittel in Höhe von über 500.000 Euro ohne Anhörung des Gemeinderats beschlossen», ermahnte Beate Böhlen die Oberbürgermeisterin und sprach weitere Alleingänge der Obermeisterin an: «Ebenso die Ausrichtung des G 20 Gipfels in Baden-Baden. Sie haben Ihre Zusage ohne das Einverständnis des Gemeinderats gegeben.» Diese Entscheidung könne Auswirkungen auf den Haushalt in siebenstelliger Höhe haben, weist die grüne Fraktionschefin auf die immer neuen Kosten hin, die entstehen könnten ohne den Gemeinderat an der Entscheidung zu beteiligen. «Wahrscheinlich hatten Sie die schönen Bilder vom Nato-Gipfel im Blick vor Augen, dabei möchte ich Sie aber daran erinnern, welche Bilder wir damals von Straßburg gesehen haben. In Zeiten großer Finanzkrisen ist es notwendig, dass die ganze Stadt hinter einer solchen Entscheidung steht. Auf meine Nachfrage bestätigten Sie, dass Sie der Meinung sind eine solche Entscheidung alleine treffen zu können. Diese Meinung teilen wir nicht und beantragen, dass dieser Punkt im Gemeinderat auf die Tagesordnung kommt», legt die verärgerte Beate Böhlen nach. PDF Haushaltsrede von Beate Böhlen.

Zu dem von der Oberbürgermeisterin zu verantwortenden Arbeitsergebnis «Entwurf Doppelhaushalt 2016/17» zählte SPD-Fraktionschef Kurt Hochstuhl in seiner Rede eine für die Gesamtbetrachtung gut geeignete Liste auf und eine daraus resultierende Konsequenz: «1. Es gibt keine Eröffnungsbilanz als notwendige Grundlage für einen doppischen Haushalt. 2. Die Abschreibungsproblematik ist in ihrer Systematik und Umsetzung weiterhin undurchsichtig. 3. Der Investitionshaushalt ist unter Berücksichtigung der ins neue Jahr übertragenen Projekte überdimensioniert und damit nicht realisierbar. 4. Wir verfügen über keinerlei auch nur vorläufige Informationen zum Haushaltsvollzug 2015. 5. Wir sehen viele kleine Ungereimtheiten und nicht zu Ende gedachte Projekte. Politisch-logische Konsequenz: Die SPD-Fraktion wird dem Doppelhaushalt 2016/2017 nicht zustimmen.» PDF Haushaltsrede von Kurt Hochstuhl.

Nicht alle Fraktionen schlossen die gleiche Konsequenz wie die Baden-Badener SPD-Fraktion. Zuerst war über den Antrag der Grünen abgestimmt worden, über die Haushalte 2016 und 2017 getrennt abzustimmen. Dieser Antrag wurde bei 5 Nein-Stimmen angenommen. In der Folge wurde zuerst über den Haushalt 2016 abgestimmt, der mit 25 Ja- und 3 Nein-Stimmen der FBB angenommen wurde. Auch der Haushalt 2017 wurde angenommen, jedoch nur mit 21 Ja-Stimmen bei 17 Nein-Stimmen von Grünen, SPD und FBB. PDF Haushaltsrede von Tilmann Schachtschneider, Freie Bürger für Baden-Baden und PDF Haushaltsrede von Rolf Pilarski, FDP.


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