20 Jahre Festspielhaus Baden-Baden

Günther Oettinger erinnert an "Baden-Baden-Deal" zum Festspielhaus Baden-Baden - "So kam es zur Verstaatlichung der Spielbank Baden-Baden"

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goodnews4-VIDEO-Interview von Nadja Milke mit Günther Oettinger

Baden-Baden, 23.04.2018, 00:00 Uhr, Bericht: Christian Frietsch Am 13. März diesen Jahres wäre Ermano Sens-Grosholz 100 Jahre alt geworden. Am Freitagnachmittag bei der 20-Jahrfeier im Kurhaus Baden-Baden ließ der ehemalige Baden-Badener Oberbürgermeister Ulrich Wendt, auf dem nur von CDU-Politikern besetzten Podium keinen Zweifel, dass es ohne den Baden-Badener Mäzen und ehemaligen Opernsänger Ermano Sens-Grosholz kein Festspielhaus Baden-Baden geben würde. Ohne Ermano Sens-Grosholz «würden wir heute auch hier nicht sitzen », bekannte Ulrich Wendt.

Mit diesem Zugeständnis zeigte der ehemalige Baden-Badener Oberbürgermeister eine späte Souveränität, denn bis zum Tod von Ermano Sens-Grosholz im Jahr 2011 gab es keine Versöhnung dieser beiden Männer. In dem Interview-Buch «Ermano Sens-Grosholz erzählt sein Leben»* wirft der Initiator des Festspielhauses Baden-Baden dem ehemaligen Oberbürgermeister vor, ihn aus dem Projekt hinausgedrängt zu haben. «Als Wendt mitbekam, dass ich das Festspielhaus privat finanzieren wollte, hat er Lothar Späth mit einbezogen, um das Festspielhaus über die Landesbank zu finanzieren.» O-TON Ermano Sens-Grosholz singt «O Sole mio» und «Paloma Blanca»

Fünf Jahre nach der Ära Lothar Späth kam es zum sogenannten «Baden-Baden-Deal» mit der Verstaatlichung des Casinos, der Neustrukturieung der BKV, der Aufgabe des SWF auf der einen Seite und einer Beteiligung des Landes am Projekt Festspielhaus auf der anderen Seite. Daran wirkte neben Erwin Teufel, Dieter Spöri und Uli Maurer in der Zeit der großen Koalition auch Günter Oettinger als CDU-Fraktionschef mit. Er ging am Freitagnachmittag im goodnews4-VIDEO-Interview auf diesen Deal Mitte der neunziger Jahre noch einmal ein: «Wir haben zwei Jahre lang beraten, ob und wie das Land die Stadt Baden-Baden unterstützen kann, denn klar war, das Projekt übersteigt die Kraft der Stadt und deswegen muss das Land hier als Partner bespringen. Wir haben damals auch überlegt, wie man ein weiteres Casino in Stuttgart entwickelt und so kam es dann zur Verstaatlichung der Spielbank Baden-Baden und zur Gründung der Spielbankengesellschaft Baden-Württemberg. Und mit dieser Grundlage war die SPD bereit, den langfristigen Förderbetrag für den Fond des Festspielhauses zu geben. Das war die Entscheidung 1995.» Eine wesentliche Rolle hatte auch der damalige Finanzminister Gerhard Mayer- Vorfelder gespielt, den Ermano Sens-Grosholz bei einigen Gläser Wein in den Räumen des damaligen Radio Victoria am Leopolsplatz als ersten Landespolitiker von seinen Ideen überzeugte.

Für die beiden Festspielhaus-Kontrahenten gab es keinen glücklichen Ausgang. Ermano Sens-Grosholz musste seinen Traum eines privat finanzierten Opernhauses aufgeben und Ulrich Wendt bezahlte den umstrittenen Baden-Baden-Deal mit seiner Niederlage bei der Oberbürgermeisterwahl 1998. Für viele Baden-Badener war der Preis zu hoch, den Ulrich Wendt in Stuttgart bezahlte.

Bild Rathaus Baden-Baden In dem Buch «Ermano Sens Grosholz erzählt sein Leben», 2008 erschienen im Verlag textBüro Baden-Baden, werden die aufregenden Zeiten noch einmal wach. ISBN-13978-3-98-11693-0-0, 15,80 Euro, Online-Shop Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!


Auszug aus dem Statement von Ulrich Wendt, Baden-Badener Oberbürgermeister a. D.:

«Pierre Boulez, der Ehrenbürger der Stadt, hat zu 10-Jährigen gesagt: ‘Es ist eine radikale Idee.’ Und radikal kommt von ‘Wurzel’. Man soll sich nichts aneignen, was einem nicht gehört. Und die stärkste Wurzel von Baden-Baden ist die Kultur. Es ist auch die edelste Währung und in einer Zeit, in der wir Hass, Krieg, Machtmissbrauch, Gier erleben, ist es die stärkste zivilisatorische Kraft, die man haben kann. Deswegen haben wir, als wir den Kompass neu gestellt haben dieser Stadt, diese Kraft wiederbelebt. Deswegen war alles, was hier heute gesprochen wurde, ein kleines Stück Wiedergeburt, nicht Neuerfindung, Wiedergeburt dieser wunderbaren Stadt. Ich möchte sagen, wenn es dann darum geht, was war das für eine Aufgabe, was waren das für Meilensteine, dann sage ich erstmal es war eine titanische Aufgabe. Aber eine titanische Aufgabe liegt gleich neben der Titanic. Und da schaue ich rüber − der Dank ist heute vielfach ausgesprochen worden, aber ich muss es noch einmal sagen dürfen, dass Andreas Mölich-Zebhauser und Professor Horst Weitzmann die Menschen sind mit all dem, was da hintendran steht, die die Ursprungsidee von Lothar Späth und den Männern und den Frauen der ersten Stunde so realisiert haben, dass wir nur Danke sagen können von ganzem Herzen. Und die Menschen, die alle hier sind, die so viel dafür tun − das ist der Benazetsaal − und die Kraft der Kultur und die Aufgabe, mit ihr umzugehen, ist nicht, die Kultur der Vergangenheit zu betrachten − der Höhepunkt der Stadt war unter Benazet −, sondern die Vergangenheit in die Zukunft zu transportieren. Und Sie, die Sie alle geholfen haben, die Stifter, die Spender, die Menschen in Stadt und Land, Sie sind die Benazets von heute und von morgen.

Und wenn ich auf die Meilensteine schaue, kann ich nur sagen − es hat der heilige Augustinus, glaube ich, gesagt: ‘Nur der, in dem was brennt, kann andere anzünden.’ Und das hat Ermano Sens-Grosholz damals getan. Er hat die Idee in die Stadt hineingetragen mit Leidenschaft, er hat sein eigenes Geld gegeben, er hat Galas initiiert, er hat das Comité für Kulturelle Förderung gemacht und wenn er das nicht gemacht hätte, würden wir heute auch hier nicht sitzen. Aber es war notwendig, und da bin ich beim nächsten Meilenstein, dass die Erleuchtung und die Idee und das Illuminieren auf lange Strecke auf realitätsnahe Schiene, auf die Einbettung in die Landespolitik und natürlich auch mit einem genialen Blitz, und das ist Lothar Späth und das ist das, was Herr Kommissar und lieber Günther, vorhin gesagt hast, dass ich es gar nicht wiederholen muss. Im Kern ist er nicht nur ein ‘Käpsele’ gewesen, sondern auch ein protestantischer Missionar. Dieser Idee hat er sich verschrieben. Es gab einen Handschlag und zwei Sätze nur. Erstens: die Kosten für den Bau werden geteilt, die Finanzierungskosten für den Fond. Und Zweitens: privat finanziert, es kann gar nicht in irgendeiner anderen Stadt passieren, es kann nur in dieser Stadt gelingen. Und dann ging es los.»


Abschrift des goodnews4-VIDEO-Interviews mit Günther Oettinger:

goodnews4: In den neunziger Jahren gab es den sogenannten Baden-Baden-Deal. Es war die Zeit der großen Koalition. Mit Erwin Teufel und Dieter Spöri in der Regierung und mit Ihnen und Uli Maurer als Fraktionschefs. Und die Forderung von Uli Maurer war Spielcasino verstaatlichen, dafür Landesmittel für das Projekt Festspielhaus. War das der Kern des «Baden-Baden-Deals»?

Günther Oettinger: Ja, wir haben zwei Jahre lang beraten, ob und wie das Land die Stadt Baden-Baden unterstützen kann, denn klar war, das Projekt übersteigt die Kraft der Stadt und deswegen muss das Land hier als Partner bespringen. Wir haben damals auch überlegt, wie man ein weiteres Casino in Stuttgart entwickelt und so kam es dann zur Verstaatlichung der Spielbank Baden-Baden und zur Gründung der Spielbankengesellschaft Baden-Württemberg. Und mit dieser Grundlage war die SPD bereit, den langfristigen Förderbetrag für den Fond des Festspielhauses zu geben. Das war die Entscheidung 1995.

goodnews4: Gerhard Mayer-Vorfelder hatte sich erstmals zu diesem Thema in den Räumen des damaligen Radio Victoria mit Ermano Sens-Grosholz getroffen. War Gerhard Mayer-Vorfelder der erste Stuttgarter Politiker, der für die Sache Feuer fing?

Günther Oettinger: Gerhard Mayer-Vorfelder war zwar als Finanzminister gehalten, die Kasse nicht zu plündern und möglichst sparsam umzugehen, aber er war immer für Opern und Konzerte zu begeistern und da er auch Badener war − in Mannheim geboren, in Waldshut aufgewachsen − war klar, dass er sich für das Projekt begeistern lässt. Ich kann mich gut erinnern wie er sagte: Wir kriegen es finanziell hin. Und er war der Garant, dass dann praktisch diese Landesfinanzierung im Haushalt verankert wurde.

goodnews4: Baden-Baden hat in den neunziger Jahren einen Wandel erlebt. Der SWF verlor seine Eigenständigkeit, das Casino wurde verstaatlicht und die BKV wurde zur Landestochter. Ein teurer oder guter Deal für Stuttgart?

Günther Oettinger: Ich glaube, ein guter Deal. Der SWR ist ja hier in der Produktion sehr stark, es wird ja viel hier entwickelt, Programme, es gibt hier tolle Arbeitsplätze in der Industrie, in der Gastronomie. Ich glaube, dass Baden-Baden insgesamt im letzten viertel Jahrhundert den Strukturwandel bewältigt und als Stadt an Ansehen und Attraktivität gewonnen hat.

goodnews4: Und die letzte Frage, Günter Oettinger: Seit Sie nach Baden-Baden kommen, wissen Sie seitdem was eine Diva ist?

Günther Oettinger: Das weiß ich, ja. Aber ich habe ein paar Freunde hier und bin privat eigentlich immer gerne hier. Wenn man von Stuttgart kommt, den Arbeitsplatz verlässt und dann hier über den Schwarzwald fährt und ins Rheintal kommt, beginnt Lebensfreude. Und ich mag Varnhalt sehr, ich mag Wandermöglichkeiten in Baden-Baden, ich mag auch die Spielbank, ich mag die Rennbahn Iffezheim und deswegen kann ich nur sagen: Baden-Baden ist ein ganz starkes Stück Baden-Württemberg.

goodnews4: Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Nadja Milke für goodnews4.de.

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