Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ – „Die gute Idee der Landesregierung in Stuttgart, für eine lebendige Demokratie zu sorgen, scheitert im Baden-Badener Rathaus“

Baden-Baden, 01.10.2022, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Hans Mohrmann Stellung.

Nach einer «Bearbeitungszeit» von über 4 Monaten wurde mir trotz mehrmaliger Nachfragen immer noch keine zufriedenstellende Antwort der Stadtverwaltung auf meine Anfrage erteilt. Stattdessen wurde mir gestern von der Stadtverwaltung der Hinweis gegeben, wo man im städtischen Register die E-Mail-Adressen der Stadträte finden könne, frei nach dem Motto «Fragen Sie diese doch selbst».

Zur Erinnerung, um mehr über die Arbeit des Stadtrats zu erfahren, wollte ich am 16. Mai unter Hinweis auf das LIFG (Landesinformationsfreiheitsgesetz) wissen, wie viele Anfragen/Anträge die einzelnen Stadträte während ihrer bisherigen Amtszeit (30 Monate) an die Verwaltung bzw. an die drei Bürgermeister gerichtet haben. Zwar wurde mir am 29. Juni vom vorgenannten Fachgebiet die Gesamtzahl der Anfragen/Anträge aufgegliedert nach den einzelnen Fraktionen mitgeteilt (SPD 70,Die Grünen 68, CDU 43, FBB 34, FDP 22, AfD 20, Freie Wähler 10), die Frage nach den einzelnen Anfrage- bzw. Antragstellern blieb jedoch unbeantwortet und wird auch weiter unter dem Mäntelchen «Datenschutz» im Dunkeln bleiben, weil die Anfragen/Anträge laut (interner) Auskunft angeblich von den jeweiligen Parteien, bzw. deren Fraktionsvorsitzenden und nur in seltenen Fällen von Einzelpersonen eingereicht würden. Auch wurde darauf hingewiesen, dass viele Vorgänge keines offiziellen Antrages, bzw. einer Anfrage bedürfen sondern mit der Verwaltung durch «alternative Möglichkeiten und Wege&rauqo; erledigt werden, was immer damit gemeint sein kann.

 

Fazit: Es entsteht der Eindruck, dass es sich bei den gewählten Volksvertretern um einen frühzeitlichen Geheimbund handelt, dessen Tätigkeit strengster Geheimhaltung unterliegt. Wichtige Entscheidungen werden im sogenannten Hinterzimmer im kleinen Kreis und unter Ausschluss der Öffentlichkeit getroffen und bei den gesetzlich vorgeschriebenen öffentlichen Ratssitzungen, zu denen in der Regel ohnehin nur eine Handvoll Zuhörer erscheinen, spult man ein bereits beschlossenes Programm in möglichst kurzer Zeit ab. Um die Geheimhaltung bzw. geringe öffentliche Verbreitung der Stadtratsarbeit gewährleisten zu können, haben sich die Stadträte bisher mit Erfolg dagegen gewehrt, dass von den öffentlichen Sitzungen Aufzeichnungen in Wort und Bild vorgenommen und in geeigneter Form im Internet verbreitet werden.

Die gute Idee der Landesregierung in Stuttgart, durch das LIFG (Landesinformationsfreiheitsgesetz) für eine lebendige Demokratie zu sorgen, scheitert im Baden-Badener Rathaus an deren eigenartiger Auffassung von «Demokratie». Die Bürger:innen dürfen die Stadtratsmitglieder zwar wählen und zu 25.000 Euro Sitzungsgeld während deren Amtszeit verhelfen, sollen über deren Tätigkeit aber möglichst nichts erfahren.

Was wissen die Bürger:innen über die Tätigkeit der Stadträte? Vor der Wahl grinsen Rentenaspiranten mit Jugendfotos und wohlfeilen Sprüchen von Wahlplakaten, verteilen an Wahlständen bunte Luftballons und Kugelschreiber, schütteln Hände und versprechen den wenigen Interessierten, die stehenbleiben, das Blaue vom Himmel. Wenn man vor dem Hintergrund der durch Politikverdrossenheit verursachten geringen Wahlbeteiligung berücksichtigt, dass nur relativ wenige Stimmen erforderlich sind, um in den Stadtrat gewählt zu werden, dann keimt der Verdacht, dass einigen der Stadträte nur mit den Stimmen von Verwandten, Bekannten und sonstigen Vorteilsempfängern der Sitz im Stadtrat gesichert wurde.

Nach der Wahl lösen sich die meisten der gewählten Volksvertreter auf wundersame Weise in Luft auf und werden mit Ausnahme derer, die sich publicitywirksam in den Vordergrund drängen, bis zur nächsten Wahl weder gesehen noch gehört.

Unter Berücksichtigung dieser Beobachtungen liegt es doch nahe, sich danach zu erkundigen was die gewählten Volksvertreter eigentlich so treiben und wie ernst sie ihr von den Wähler:innen anvertrautes Amt nehmen. Eine Rechenschaft darüber können die Wähler:innen mit Fug und Recht verlangen!

Da es, wie dargelegt, auf dem Weg des Auskunftsersuchens unmöglich erscheint etwas über die Leistungen der Stadträte in Erfahrung zu bringen, wäre es wünschenswert wenn die Stadträte von sich aus freiwillig z.B. in Form eines Leserbriefs oder eines Interviews in den goodnews4 in kurzen Worten darlegen könnten, mit welcher Intention sie das Stadtratsmandat angestrebt haben und was sie in ihrer bisherigen 30monatigen Amtszeit erreichen, bzw. verhindern konnten. Nur die Stadträte haben die Möglichkeit durch ihr Abstimmungsverhalten für die Beseitigung der vielen Missstände in dieser Stadt zu sorgen. Die Stadtverwaltung und die Stadtführung sind dazu scheinbar weder Willens noch in der Lage, oder verfolgen eigene (persönliche) Interessen.

Auch wüsste man gerne, wie sich die Stadträte die Problemlösungen für die schwierigen Monate vorstellen, die aufgrund der negativen Entwicklung in vielen Bereichen nun vor der Bevölkerung von Baden-Baden liegen? Baden-Baden gehört nicht nur zu den höchst verschuldeten Gemeinden in BW, sondern nimmt auch mit schöner Regelmäßigkeit eine Führungsrolle in der Arbeitslosenstatistik von BW ein. Zwei Faktoren, die nicht so recht in das Bild der Außendarstellung einer angeblich wohlhabenden Gemeinde passen und sich vor dem Hintergrund der kommenden Probleme sicher noch verschärfen werden.

Hans Mohrmann
Baden-Baden


Wenn Sie auch einen Leserbrief an die Redaktion senden möchten, nutzen Sie bitte diese E-Mail-Adresse: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

In Ausnahmefällen veröffentlicht goodnews4.de Leserbriefe auch unter einem Pseudonym. Die tatsächliche Identität des Verfassers ist goodnews4.de in jedem Fall bekannt.

PDF «Spielregeln» für Leserbriefe an goodnews4.de


Zurück zur Startseite und zu den weiteren aktuellen Meldungen.