Interview zu neuem Buch: „Ich habe einen Traum – Die Zukunft der Kirche ist weiblich“

Franz Alt zur Außenpolitik von Annalena Baerbock – „Wenn es eine Außenpolitik ist, wie das die Männer gemacht haben, dann wird das nicht zum Frieden führen“

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goodnews4-VIDEO-Interview von Christian Frietsch mit Franz Alt

Bild Nadja Milke Bericht von Nadja Milke
02.11.2023, 00:00 Uhr



Baden-Baden Die großen Themen Krieg und Klima werden über den Fortgang der Geschichte von uns Menschen und unserem Zuhause, der Erde, entscheiden. Die großen Institutionen Kirche und Staat haben Vertrauen und deshalb auch Einfluss auf das Handeln der Menschen verloren.

Im goodnews4-VIDEO-Interview spricht Christian Frietsch mit Franz Alt über das neue Buch des Bestsellerautors, mit dem er seine große Hoffnung äußert. «Ich habe einen Traum – die Zukunft der Kirche ist weiblich», heißt das Buch, das gerade im Herder Verlag erschienen ist.

Mit seinem 1982 erschienenen Buch «Frieden ist möglich - Die Politik der Bergpredigt» hatte Franz Alt seinen ersten Bestseller. Schon damals, vor Jahrzehnten, suchte der Bestsellerautor Antworten zur Frage, wie der Frieden zu retten sein könnte. In seinem neuesten Buch setzt er Hoffnungen auf die Frauen in der Politik und er beantwortet auch die Frage, was die erste Frau als deutsche Außenministerin schon erreichte, die weit entfernt ist von dem hohen Anspruch der «Feindesliebe», die Franz Alt fordert als Voraussetzung für die Chance eines dauerhaften Friedens.

 


Abschrift des goodnews4-VIDEO-Interviews von Christian Frietsch mit Franz Alt, Journalist und Autor aus Baden-Baden:

goodnews4: «Ich habe einen Traum – die Zukunft der Kirche ist weiblich». Das ist der Titel eines neuen Buches von Dir, Franz, das gerade im Herder Verlag erschienen ist. Zeitgleich überstürzen sich die Ereignisse. Krieg, nicht nur in der Ukraine, sondern nun auch in Israel. Gibt es denn in diesem Buch auch eine Antwort zur Eskalation, zum Prinzip der Eskalation der Gewalt?

Franz Alt: Ich sehe die einzige Antwort, die mir mal Michail Gorbatschow gegeben hat. Ich habe Michail Gorbatschow kurz vor seinem Tod gefragt: «Gibt es für Sie so etwas wie ein Überlebensprogramm der Menschheit?» Wir leben ja im Atomzeitalter, jeder Krieg könnte das Ende der Menschheit bedeuten. Da sagte Gorbatschow, der ehemalige Kommunistenchef: «Ja, ich kenne dieses Programm, das ist die Bergpredigt Jesu.» Feindesliebe. Er hat mir dann erklärt, wie er mit Ronald Reagan Mitte der 80er Jahre die Abrüstung geschafft hat. Er hat gesagt: «Wir haben zwei Tage nur geredet, fast alleine, nur mit den Dolmetschern. Und wir haben gegenseitig ein Vertrauen aufgebaut.» Und so war es möglich. Gorbatschow sagte noch: «Ich wollte die gesamte Welt komplett atomwaffenfrei. Reagan hat mir damals gesagt, das kriege ich bei meinen Hardlinern nicht durch. Dann habe ich vorgeschlagen dann machen wir wenigstens 80 Prozent der Atomwaffen weg und beseitigen die.» Und so kam es. Deshalb wurde die Welt 30 Jahre sicherer. Dank dieses Übereinkommens, das auf Vertrauen basierte zwischen Gorbatschow und dem damaligen Präsidenten Reagan, später Bush. 80 Prozent der bestehenden Atomwaffen wurden tatsächlich abgeschafft. Vertrauen war die Voraussetzung.

goodnews4: Das hat ja fast vier Jahrzehnte gehalten. Jetzt gibt es eine neue Komponente, eine neue Idee. Die deutsche Außenministerin hat eine «weibliche Außenpolitik» angekündigt. Hat das schon Wirkung gezeigt? Annalena Baerbock lehnt ja Gespräche ab, man hört zumindest wenig über Gespräche mit dem «Feind», mit den Russen. Hilft eine weibliche Außenpolitik?

Franz Alt: Die Frage ist, was man darunter versteht. Wenn es nur eine Außenpolitik ist von Frauen, die einfach so weitergemacht wird wie das das bisher die Männer gemacht haben, dann wird das nicht zum Frieden führen. Entscheidend sind die Inhalte, nicht die Worte wie «weibliche Außenpolitik». Auch der Dalai Lama meint, wenn Frauen die Welt regieren, wird die Welt besser. Ich bin da etwas skeptisch. Ich denke, so wie wir angelegt sind, als zwei Geschlechter, wäre es vernünftig, wenn wir einen Ausgleich hätten zwischen Männern und Frauen, auch an der Spitze der Politik, wie an der Spitze der Konzerne, an der Spitze der Regierungen. Nicht gute Frauen durch böse Männer austauschen, sondern vernünftiger werden als bisher und das geht am besten dann, wenn Männer und Frauen gut zusammenarbeiten und nicht gegeneinander arbeiten. Wir leben jetzt 6.000 Jahre im Patriarchat, das hat sicher damit zu tun, dass wir 6.000 Jahre Kriegszeit hatten. Aber einfach den Austausch gute Frauen durch böse Männer ist nicht die Patentlösung, die ich mit vorstelle.

goodnews4: Was Du oft auch beklagst, ist die Rolle der Religionen, die für viele Konflikte und Auseinandersetzungen sorgen und missbraucht werden. Auf der anderen Seite führst Du selbst ja immer wieder Jesus von Nazareth ins Feld als Vorbild. Also da liegt, zumindest von außen betrachtet, ein gewisser Widerspruch. In Deinem neuen Buch stellst Du die Frage: «Ist Jesus ein Krieger?» Da ist die Frage zu erweitern mit «Was ist ein Krieger?» Was meinst Du damit?

Franz Alt: Richtig ist, dass alle Religionen ganz wesentlich mit Schuld sind an der Kriegssituation. In den beiden Kriegen, die wir jetzt vor allen Dingen beklagen, Nahost und Ukraine-Russland-Krieg, beide Kriege sind praktisch vor der Haustür, spielen Religionen – leider – noch immer eine zentrale Rolle. Der Patriarch in Moskau sagte: «Putin ist ein Geschenk Gottes. Das ist ein heiliger Krieg.» Das haben die christlichen Kirchen auch jahrhundertelang gesagt. «Heilige Kriege» – eine größere Gotteslästerung gibt es gar nicht als sogenannte «heilige Kriege». Und auch im Nahen Osten spielen bei den beiden Religionen, die da aufeinandertreffen, der Islam auf der einen, das Judentum auf der anderen Seite, eine ganz große Rolle. Die Hamas, die Israel brutalst überfallen hat, beruft sich auf Allah. Das ist furchtbar. «Heilige Kriege» im Namen Gottes sind Perversionen. Das gilt für den Nahost-Krieg und das gilt für den russisch-ukrainischen Krieg.

goodnews4: Auf Dein neues Buch zu sprechen kommen, wenn Deine Hoffnung in den Frauen liegt – «Ich habe einen Traum – die Zukunft der Kirche ist weiblich» – und wenn die Kirche weiblich würde, dann wäre ja auch eine gewisse Konsequenz daraus abzuleiten für die gesamte Gesellschaft. Aber man muss doch sehr skeptisch sein. Die Frauen, die bisher das Zepter in der Hand hatten, man denke an Margaret Thatcher zum Beispiel, die gleich mal einen Krieg angezettelt hat auf den Falkland Inseln. Ist das nicht eine Illusion, dass es nur geschlechterabhängig ist und man muss nur die Kutten der Religionsführer gegen die Röcke der Religionsführerinnen auswechseln und schon ist alles gut?

Franz Alt: Da will ich zwei Dinge, die in meinem neuen Buch eine wesentliche Rolle spielen, anführen. Erstens, meine Vision ist nicht einfach Männer austauschen gegen Frauen, sondern eine gute Zusammenarbeit zwischen Männern und Frauen. Der liebe Gott hat sich sicherlich etwas gedacht dabei, als er zwei Geschlechter geschaffen hat. Eine wesentliche Aussage in diesem Maria Magdalena Evangelium, das im Mittelpunkt meines neuen Buches steht, das einzige Evangelium, das nach einer Frau benannt ist. Eine zentrale Aussage ist, Maria Magdalena fragt ihren Gefährten und Freund Jesus: «Wie schaffen wir eine bessere Welt?» Und er sagt: &lauqo;Durch mehr Balance als bisher.» Das heißt ganz zentral Balance zwischen Männern und Frauen. Und das ist eine wunderbare Aussage, die wir brauchen, um eine friedlichere Welt zu organisieren.

goodnews4: Eine Frage muss ja sein, wenn man Margaret Thatcher nennt, und wir nun ja auch erstmals eine Außenministerin haben, die mit einigem Gewicht auch etwas bewegen kann in Deutschland und in der Welt. Hast Du denn den Eindruck, dass Annalena Baerbock ein bisschen etwas transportiert von dem, was Du in Deinem neuen Buch forderst von den Frauen, oder erwartest oder erhoffst?

Franz Alt: Die Frage ist, was sie unter einer weiblichen Außenpolitik versteht. Das habe ich noch nicht ganz begriffen. Ich lese gerade ein Buch von einer Exil-Iranerin, die seit Jahrzehnten in Deutschland lebt und über die Schicksale der Frauen im Iran schreibt, die ja auch im Namen Allahs unterdrückt werden. Das ist eine reine, brutale Männerherrschaft, die wir im Iran haben. Und diese Frau sagte auch, dass Annalena Baerbock zumindest noch nicht genug gezeigt habe, dass sie solidarisch ist mit den im Iran unterdrückten Frauen. Das würde sie sich mehr wünschen, sagt die Autorin dieses Buches «Im Namen Gottes», die eine Exil-Iranerin ist, Jasmin Taylor heißt sie. Und sie wünscht sich mehr weibliche Akzente in der Außenpolitik von Annalena Baerbock. Und das kann ich nur unterstützen.

goodnews4: Franz, dann hoffen wir, dass Dein Buch auch ein bisschen zum Rezept wird und nicht nur zum Trost, auch für Annalena Baerbock und alle anderen Frauen.

Franz Alt: Also da muss man ja sagen, lieber Christian, dass die katholische Kirche ja eine Ausgeburt von Männerherrschaft ist. Wir haben jetzt 6.000 Jahre Patriarchat und wir wissen doch inzwischen, dass das Verhältnis zur Frau eine Zivilisation auszeichnet. Oder eine moderne Gesellschaft auszeichnet. Frauen können heute fast alles werden – Piloten, Lokführer, Physiker, sogar Bundeskanzlerin, Außenministerin. In der katholischen Kirche dürfen sie nur nicht Priesterin werden, sie dürfen nur kein Weihamt bekommen und eine Päpstin haben wir noch lange nicht. Es ist der Papst Franziskus, der 2016 mal gesagt hat, Maria Magdalena, also die Gefährtin Jesu, war die Apostelin der Apostel. Wenn er das ernst meint, muss er meinen, sie war die erste Päpstin, das war die Kirchengründerin, wenn sie die Apostelin der Apostel war. Und in diesem neuen Buch zeige ich auch, dass dies eine berechtigte Aussage ist. Da muss sich aber die katholische Kirche zentral ändern, da muss es selbstverständlich sein, dass wir in den nächsten Jahrzehnten die erste Päpstin haben und dass wir bald auch Frauen als Priesterinnen und Bischöfinnen haben. Das ist der Traum von einer Kirche, die ich meine, im Sinne Jesu, der gesagt hat, «Balance», das Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen ist entscheidend für eine bessere Welt.

goodnews4: Dann hoffen wir, dass die Zeit dafür reicht, Franz, Du weiß, wie lange es dauert, bis sich in der katholischen Kirche etwas ändert.

Das Interview führte Christian Frietsch für goodnews4.de.

Bild Franz Alt «Ich habe einen Traum! Die Zukunft der Kirche ist weiblich»
Buchneuerscheinung von Franz Alt
Verlag Herder
272 Seiten
ISBN: 978-3-451-39542-0
Mehr: www.herder.de






Nadja Milke ist Redakteurin bei goodnews4.de und Mitglied der Landespressekonferenz Baden-Württemberg. Sie wohnt in der Baden-Badener Innenstadt und kennt sich dort gut aus, aber selbstverständlich auch in den anderen Baden-Badener Stadt- und Ortsteilen. Über Post freut sie sich: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!


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