Zum Tode von Wolfgang Schäuble
Historisches Interview von Christian Frietsch mit Wolfgang Schäuble – 10. Oktober 1993 im Kurhaus Baden-Baden – 1. Teil
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Gespräch von Christian Frietsch mit Wolfgang Schäuble
Bericht von Nadja Milke
05.01.2023, 00:00 Uhr
Baden-Baden Heute finden in Offenburg die Trauerfeierlichkeiten für Wolfgang Schäuble statt, dabei werden die Verdienste des großen Politikers gewürdigt. In die neunziger Jahre fielen für Deutschland die weitreichenden Weichenstellungen zur Wiedervereinigung.
Dabei spielte Wolfgang Schäuble eine Schlüsselrolle. Am 10. Oktober 1993 führte Christian Frietsch mit Wolfgang Schäuble im Kurhaus Baden-Baden für «Coeur de l’Europe» ein zweistündiges Gespräch zur Lage in Deutschland, Europa und der neuen Ordnung in Osteuropa. Aus heutiger Sicht fällt durch den Ukrainekrieg den damaligen Sichten noch einmal eine besondere Bedeutung zu. Stellenweise liest sich das Interview so, als wäre die Zeit stehengeblieben. Schon in den 90er Jahren tobte auf dem Balkan ein Krieg mitten in Europa. Und auch die von Wolfgang Schäuble forcierte Reduzierung des Bundestags dauert nun bis in unsere Tage. Zu den Gesprächsinhalten gehören aber auch die Industriepolitik, bei der schon absehbar war, dass die Rolle der Automobilwirtschaft sich grundlegend ändern wird und Telekommunikation und IT zu dem wichtigsten Wirtschaftsfaktor werden würden. Wolfgang Schäuble sah dies voraus. Das Gespräch von Christian Frietsch mit Wolfgang Schäuble veröffentlicht goodnews4.de anlässlich des Todes des großen Politikers in mehreren Teilen als historischer Podcast und Abschrift.
Abschrift des Gesprächs von Christian Frietsch mit Wolfgang Schäuble vom 10. Oktober 1993 – 1. Teil:
Christian Frietsch: Wolfgang Schäuble, seien Sie ganz herzlich gegrüßt. Wir haben diese Sendung ein bisschen angetrailert mit «Und ich denke an Deutschland in der Nacht, an dieses Europa, dann bin ich um den Schlaf gebracht». Haben Sie gut geschlafen heute Nacht?
Wolfgang Schäuble: Ja, ich habe gut geschlafen. Ich finde, wenn man tagsüber gut arbeiten will, dann muss man nachts gut schlafen, und das kann ich, Gott sei Dank.
Christian Frietsch: Die Wertediskussion, Wolfgang Schäuble, die Diskussion um die Werte und die Prinzipien werden werktagsüber nicht sehr prinzipiell geführt, am Sonntag kann man das vielleicht mal ein bisschen anders sehen. Spezielles haben wir schon immer auf dem Spiel, Spezielles steht für die Politiker auf der Rechnung. Leben wir jetzt nach vielen Jahrzehnten, wo Spezielles immer auf dem Spiel stand, jetzt in einer Zeit, wo auch Grundsätzliches auf dem Spiel steht?
Wolfgang Schäuble: Das wird eben wieder deutlicher. Ich glaube, das war auch in den zurückliegenden Jahrzehnten so, nur, dass wir eben in einer Zeit leben, in der es wirtschaftlich immer bergauf ging, in der wir eigentlich existenzielle außenpolitische Probleme nicht so empfunden haben, jedenfalls nicht mehr seit dem Mauerbau und der großen Berlin-Krise in den 60er Jahren, hat auch jeder mehr sich konzentriert nur sein eigenes Glück zu mehren, Freizeitwerte sind stärker geworden, betont worden. Das ist ja alles auch gut gewesen. Ich finde das überhaupt nicht zu kritisieren. Aber jetzt, wo sich so viel, nicht nur in Deutschland, in Europa, in der Welt, verändert hat, wo wir spüren, dass die globalen Herausforderungen uns stärker betreffen, in der Umweltpolitik, die Unterschiede zwischen Arm und Reich, auch mitten in Europa, der Krieg*, der nach Europa zurückgekehrt ist, in einer solchen Zeit müssen wir uns mehr auf die Grundlagen unserer Gemeinschaft wieder besinnen, denn keiner kann ja für sich alleine leben. Wir sind alle ja darauf angewiesen, dass die Gemeinschaft intakt ist und in der Lage bleibt, uns Schutz zu gewähren.
Christian Frietsch: Kann es bei dem Stau an Tagesarbeit nicht sein, dass es wird wie beim Kapitän der sagt: «Ich habe keine Zeit, über diese Dinge nachzudenken, ich muss sofort in die See stechen, ich kann mir die Karten, die Planung nicht mehr angucken?»…weiterlesen mit goodnews4Plus:
Nadja Milke ist Redakteurin bei goodnews4.de und Mitglied der Landespressekonferenz Baden-Württemberg. Sie wohnt in der Baden-Badener Innenstadt und kennt sich dort gut aus, aber selbstverständlich auch in den anderen Baden-Badener Stadt- und Ortsteilen. Über Post freut sie sich: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
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