Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ - Nichts ist so vergesslich wie die öffentliche Meinung - Man muss sie deshalb aufrütteln!

Baden-Baden, 13.01.2019, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leserin Gertrud Mayer Stellung.

Schon Jacques Offenbach hatte 1858 in seiner Operette «Orpheus in der Unterwelt» die Rolle «Die öffentliche Meinung», eine Parodie auf das Publikum der Zeit und seine zeitlosen menschlichen Schwächen und Verhältnisse. Man lachte und amüsierte sich und merkte nicht, dass man sich über sich selbst lustig machte. So war und ist es auch in Baden-Baden: die Nazi-Vergangenheit ist längst vergessen, und nichts hat sich geändert. Die Familie Hambruch und ihre Zeitung «Badisches Tagblatt» führt es deutlich vor. Alles ist verdrängt und vergessen, was sich vor und nach 1933 bei ihnen ereignet hat.

Sie befanden sich vermeintlich in «guter Gesellschaft», nämlich dem Rotary Club, der am 26 Juli 1930 im Kurhaus Baden-Baden gegründet wurde und 33 Mitglieder zählte. Davon waren sieben Juden. Das währte nicht lange, denn ab 1933 wurden die jüdischen Mitglieder «zum Austritt gedrängt», also faktisch ausgeschlossen. Später, noch im Jahre 1950 leugnete Rotarier und Ex-NSDAP-Mitglied Baser die Anzahl der jüdischen Holocaust-Opfer. Das beeinträchtigte aber nicht seine Wahl zum Distrikt-Governor.

Rotarier Dr. Eugen Hartmann formulierte 1935 vier Maximen: «Entwicklung von Bekanntschaften, hohe Ethik, Dienen, internationale Verständigung». Damit sind wir bei seinen freundschaftlichen Banden zu seinem späteren Tennis-Partner, Dr. Ottoheinz Ertl, Gynäkologe, praktischer Arzt, dann sogar Amtsarzt, und dessen Ehefrau Eva, geb. Hambruch.

Dr. Hartmann war Zahnarzt in der Sophienstraße 10, dem einzigen Haus in Baden-Baden das während der französischen Besatzung gebrannt hat. Es gab mindestens sieben Tote, aber die Ehefrau konnte sich und ihre beiden Kinder retten. Frau Hilde Hartmann erzählt gerne blumig, wie sie sich und die Kinder mittels Wäscheleine abgeseilt und gerettet habe. Die Geschichte kennt sicher auch Eva Ertl, die bislang jede Antwort auf unzählige Anfragen zu sich und ihrer Familiengeschichte verweigerte.

Aber die Witwe von Dr. Hartmann lebt noch hochbetagt in Lichtental. Sie ist eine echte Zeitzeugin! Denn Anfang der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts wohnte das Ehepaar Hartmann mit dem Ehepaar Ertl Tür an Tür im gleichen Haus, in der Ebersteinstraße 28 − der heutigen Markgrafenstraße, auch in Nachbarschaft zur Familie Dr. Rößler. Warum sie wohl alle schweigen? Gilt hier in Baden-Baden auch die italienische omertà?

Hätten Dr. Ottoheinz Ertl die Themen des Rotary-Club angesprochen? − «2. August 1933 (Zwangs)-Sterilisation; 28.August 1933 Rassenbildung und Vererbungsgesetz beim Menschen: auch Juden sind keine einheitliche Rasse … sehr viel mongolisches Blut; 12. Januar 1933 Zur Eugenik − Menschen mit krankhaften Anlagen müssen von der Fortpflanzung ausgeschlossen werden.»

Ein Motto von Rotarier Ernst Besag war: «Rotarisch, aber nicht arisch!» Das war von Studium, Dissertation und Krankenhausarbeit das Metier von Dr. med. Ottoheinz Ertl. Hermann Koelblin, Eigentümer der Hofdruckerei in der Stephanienstraße und des Verlags «Badisches Tagblatt» und Ur-Großvater von Eva Hambruch, trat 1933 von sich aus dem Rotary Club aus. Wortreich und etwas gewunden begründete er dies mit «gesundheitlichen Gründen». Wenn man sich seinen Lebenslauf als Stadtrat (entspricht dem heutigen Beigeordneten), als liberales Mitglied des Badischen Landtags und die merkwürdigen Umstände seines Todes betrachtet ist, steht SEINE Rechtschaffenheit wohl außer Frage.

Zurück zu den alten Damen: einem Ondit zufolge gehören zu dem «Kränzchen» u.a. die Witwen Frau Ertl, Frau Rößler und Frau Hartmann. Ob das stimmt? Wird dort die Kommunalpolitik abgesegnet wie in alten Zeiten, als Stadt und Zeitung bei Koelblin in Personalunion regiert wurden? Schreiben die Journalisten des «Badischen Tagblatt» deswegen so weisungsgebunden, als gäbe es nicht nur die Mit-Geschäftsführerin/Verlegerin/Eigentümerin Eva Ertl, sondern immer noch den Hauptschriftleiter?

In der Rotary-Liste über Parteimitglieder aus 1936 fehlt der Name eines ziemlich strammen PG’s (Parteigenossen), der «beim Stahlhelm war und somit von der NSDAP übernommen wurde». Es wird wohl Werner Hambruch gemeint sein, der an Stelle seines Arbeitgebers Koelblin und als späterer Verleger des «Badischen Tagblatt» nachgerückt war. 1937 wurde der Rotary Club aufgelöst − obwohl inzwischen «judenfrei». 1949/50 wieder neu gegründet − recht spät nach Kriegsende. Die rotarische deutsche Geschichte wäre wohl anders gelaufen, wenn man sich von vornherein den Aufgaben der Wiedergutmachung auch im Rotary Club ernsthaft gestellt hätte. Wahrscheinlich haben damals jedoch die Gerichtsverfahren und Restitutionsansprüchen, mit denen Juden ihre ehemaligen Besitztümer (u.a. das Synagogen-Grundstück − heute profan als Parkplatz des BT genutzt) einforderten, «die man auch in unserem rotarischen Kreis nicht berühren wollte».

Die Neugründung nach dem Krieg wurde von Herrn Dr. Rößler am 20. Juni 1949 geleitet, der dann sofort zum Präsidenten gewählt wurde. Sie waren zu 21 Rotariern, 5 waren neu aber 7 hatten eine NS-Vergangenheit! Die o.a. Informationen sind nur Bruchteile eines großangelegten Berichtes über die Rotarier seit 1930. Ein aufrechtes Mitglied, Hans Werner von Wedemeyer aus Gernsbach hat die Studie 2008 verfasst. «Das rote Buch» ist jedermann im Internet zugänglich. Sein Fazit: Demokratie kann man erlernen, auch nach einer Jugend mit sinnlosen Versprechungen. Die belastet das ganze spätere Leben und formt den Menschen zum Umdenken.

Es kann kein Zufall sein, dass der Rotary-Club seine Mitglieder für den 21. Januar 2019 um 19:15 Uhr ins Kurhaus Baden-Baden zu folgendem Thema einlädt: «Aufarbeitung der 30er bis 50er Rotary- Jahre − warum gerade jetzt?» Werden dazu auch die Damen vom «Inner Wheel» geladen? Berichten die Damen Ertl, Rößler und Hartmann dann aus eigenem Erleben? Vor allem natürlich Eva Ertl, geb. Hambruch, die als Mit-Geschäftsführerin und Mit-Verlegerin in ihrem «Badischen Tagblatt» die öffentliche Meinung beeinflusst(?), manipuliert(?) und bestimmt?

Sind das in Baden-Baden die «Stützen der Gesellschaft»? Das sollte man hinterfragen, vor allem vor der Kommunalwahl im Mai 2019, oder?

Gertrud Mayer
Baden-Baden


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