Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ – „Pardon wird nicht gegeben*“

Baden-Baden, 18.02.2019, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leserin Gertrud Mayer Stellung.

Werner Hambruch (NSDAP-Mitglied Nr. 3519658 vom 1.4.1936) stellte den Journalisten Karl Heinz Lembke als kriminelle Existenz dar.

Der weinerliche, um Mitleid und Protektion heischende Brief Werner Hambruchs an den Badischen Staatspräsidenten Leo Wohleb vom 3. Juli 1947, der die «Verleumdungen» von sich auf Karl Heinz Lembke schiebt, ist Anlass, sich mit der Person Karl Heinz Lemke näher, quasi «ad fontes» zu befassen. Das Folgende ist zitiert aus den originalen Akten der Reichsschrifttumskammer und des Oberstaatsanwaltes München I.

Karl Heinz Lembke wurde am 9. Mai 1890 in Amberg/Bayern geboren, besuchte dort Volksschule und das humanistische Gymnasium, um dann in München Germanistik zu studieren. Er musste das Doktorexamen wegen Ausbruch des Krieges vorzeitig beenden, wegen gebrochener Füße wurde er vom Militärdienst als untauglich entlassen.

So arbeitete er als Journalist, als Allein-Redakteur und Vertreter der Deutschen Allgemeinen Zeitung in München. Dort geriet er ohne sein Zutun in die verwirrenden politischen Umstände des Kapp- Putsches 1920 und später in die Intrigen und Abspaltungstendenzen Bayerns unter der Regierung Kahr. Diese ordnete von 1920 bis 1923 die Massenausweisung sogenannter Ostjuden an. Am 9. November 1923 kam es zum Hitler-Ludendorff-Putsch und dem Marsch auf die Feldherrnhalle, deren Umstände nie ganz geklärt werden konnten.

Das war die Zeit, als Karl Heinz Lembke am 20. Oktober 1922 vor dem Volksgerichtshof München I stand, gemeinsam mit dem marxistischen Juden Felix Fechenbach (Journalist und Büroleiter des 1919 ermordeten Bayerischen Ministerpräsidenten Eisner) und dem Journalisten Dr. Gargas, gebürtig in Galizien − dem späteren Polen. Alle wurden des Hochverrats angeklagt, Lembke zu 10 Jahren Zuchthaus und dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt. Die Haftzeit wurde 1924 auf die Hälfte reduziert, dann die Bewährung aufgehoben. Soweit die Strafsache Fechenbach, wegen angeblicher Weiterleitung von Dokumenten zur «Kriegsschuldfrage». Dr. Gargas und Lembke waren lediglich aus justiz-taktischen Gründen in den Fall hineingezogen worden.

«Letzten Endes sollte durch den Fechenbach-Prozess die Revolution den Massen gegenüber gebrandmarkt werden, indem man einen ihrer Vorkämpfer als Landesverräter zu Zuchthaus verurteilte. Damit trat zum ersten Mal klar in Erscheinung, dass die deutsche Justiz als Organ der Reaktion, die Geheimhaltung der Wiederaufrüstung bewaffneter Gegenrevolutionäre und faschistischer Organisationen mit dem Landesverrats-Paragraphen erzwingen wollte. Sie hat später diese gesetzwidrige Methode in weitem Umfang zur Knebelung der progressiven Politiker und Journalisten angewendet.» (Max Hirschberg, Jude und Demokrat: Erinnerungen eines Münchner Rechtsanwaltes 1883 bis 1939.)

Lembke und Dr. Gargas dienten als Mitangeklagte dazu, die Anklage gegen den Juden Fechenbach gesetzlich zu decken, denn Lembke stand in keinerlei Beziehung zu Fechenbach. Es war ein krasses, beabsichtigtes Fehlurteil, das sogar seinen Weg in den Reichstag fand: Gustav Radbruch hielt dazu eine Rede am 3. Juli 1923. Dies lässt nur einen Schluss zu: Karl Heinz Lembke war unschuldig und hatte der politisch korrupten Justiz als Alibi-Täter gedient. Politische Betätigungen waren Lembke nach der Begnadigung im Dezember 1924 untersagt.

Verheiratet und Vater von drei Kindern musste er eine Beschäftigung finden. In Straßburg gründete er eine deutschsprachige Funk-Zeitung, musste aber Straßburg verlassen, weil er das Ansinnen der Franzosen auf Naturalisierung nicht annehmen wollte. Er wurde wieder schriftstellerisch tätig und gab 1933 das «Handbuch des deutschen Rundfunks» mit einem Geleitwort von Reichs-Propagandaminister Dr. Goebbels und 1936 das «Buch für Handwerk und Gewerbe» heraus.

Mit Schreiben vom 13. Juli 1940 wurde er aus der Reichsschrifttumskammer − Gruppe Schriftsteller − ausgeschlossen, ihm die Betätigung als Schriftsteller untersagt. Am 9. Januar 1940 schrieb die NSDAP an die Reichsschrifttumskammer, dass Lembke «für das politische Geschehen völlig interesselos sei». Die Gestapo in Karlsruhe dazu am 20. Februar 1940: «Am 31.1.1930 gelangte Lembke nach Straßburg zur polizeilichen Abmeldung. Von diesem Zeitpunkt an stand er unter Spionageverdacht, die Überwachung hat jedoch den Verdacht nicht bestätigt. Seit 1.4.33 ist Lembke wieder in Offenburg wohnhaft. Lembke ist weder vor, noch nach der Machtübernahme politisch in Erscheinung getreten. Der NSDAP oder einer ihrer Gliederung gehört er nicht an. Er hat sich bis heute noch nicht positiv für die Belange der NSDAP eingesetzt und ist daher als politisch unzuverlässig zu bezeichnen.»

Eine bessere Entnazifizierung als 1940 von der Gestapo ist kaum vorstellbar. Am 9. August 1940 legt Lembke Berufung gegen das Urteil von 1940 ein, welches zweifellos ein Tendenz-Urteil war. Er schrieb, er hätte die Regierung Kahr bekämpft, weil er Kenntnis davon hatte, dass diese mit dem damaligen französischen Gesandten Dard in München konspirierte. Eine journalistische Berichterstattung könne nicht als Landesverrat ausgelegt werden! Ihm Gewinnsucht vorzuwerfen wäre auch sinnlos, denn für die inkriminierten Berichte wurden monatlich Reichsmark 500 bezahlt. Für seine Arbeit bei der «Deutschen Allgemeinen Zeitung» verdiene er monatlich durchschnittlich 15.000 Papier-Mark: «Ich hätte also nicht nur gemein, sondern fürchterlich dumm sein müssen.»

Am 4.7.40 schrieb Lembke an die Reichsschrifttumskammer, dass er mit Übersetzungsarbeiten, dagegen nicht in der Berichterstattung arbeite. Er wäre für jeden Hinweis dankbar, wenn er seine journalistischen Fähigkeiten und Kenntnisse in einer entsprechenden Stellung oder Arbeit annehmen könnte. Die Reichsschrifttumskammer wandte sich an den Oberstaatsanwalt München I, der eine Beurteilung abgeben sollte. Dieser schrieb am 2. Dezember 1940 einen Vermerk «aus dem Gedächtnis», da die Vorgänge des Ministeriums wie auch die der Kammer abhandengekommen seien und sich nicht wieder auffinden ließen.

Hat Karl Heinz Lembke dann eine Beteiligung am Badener Tagblatt erworben? Geld kann dem Verleger Hermann Koelblin und seinem Geschäftsführer Werner Hambruch nicht unangenehm gewesen sein. Litt die Zeitung doch unter den kriegsbedingten Folgen der Papierknappheit und erschien nur noch als Beilage im Mantel einer NSDAP-Kampfzeitung.

Karl Heinz Lembke − und nicht Werner Hambruch − bekam 1945 von der französischen Besatzungsmacht die Lizenz für den Druck und die Herausgabe des «Badischen Tagblatts». Er wurde Hauptschriftleiter (seit 1920 die Verdeutschung für Chef-Redakteur, hier und heute im BT Michael Brenner). Der Schriftleiter ist als Verfasser eigener Beiträge und hauptsächlich als Bearbeiter der Beiträge anderer Journalisten tätig. Heutzutage ist das für den Chefredakteur Michael Brenner und seinen Vertreter Jürgen Volz sicher eine einfache Sache: Man bezieht alle wesentlichen Nachrichten von Agenturen wie dpa, AFP, etc. selektiert, sortiert und arrangiert. Die vier Lokalredaktionen berichten über AKK (Alternativlosigkeit, Kunst und Kultur) und für die Seite 2 gibt es «Chefkorrespondenten» wie Werner Kolhoff und Stefan Vetter, die dem Leser journalistische Unabhängigkeit vorgaukeln. Die beiden sind Gründer bzw. Mitarbeiter der «Berliner Medien Service GmbH (BMS)».

Wer nicht weiß, dass die BMS zur Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck gehört, der weiß auch nicht, dass die Artikel von Kolhoff, Steffen und anderen nicht nur im BT sondern auch in der Saarbrücker Zeitung, dem Pfälzischen Merkur, der Lausitzer Rundschau, dem Trierischen Volksfreund, den Aachener Nachrichten, dem Offenburger Tagblatt, der Westdeutschen Zeitung u.v.a. mehr erscheinen. Sind wir schon wieder gleichgeschaltet wie bei den Nazis 1933? Ich weiß, das ist nicht so, ich weiß das wird nie sein, aber machen Sie was dagegen, ich bilde mir das ein! Eva Ertl wird sicher das erste und vor allem das letzte Wort haben, oder?

Werner Hambruchs Brief vom 3. Juli 1947 an Staatspräsident Leo Wohleb blieb wohl unbeantwortet. Vermutlich kannte Wohleb die Umstände dieses unseligen Prozesses und das Urteil, und er kannte als ehemaliger Direktor des Gymnasiums Hohenbaden auch die politische Vergangenheit von Werner Hambruch. Es war schon ein Stück aus dem «Tollhaus» wie Hambruch, eine sogenannte «Stütze der Baden-Badener Gesellschaft», im Beirat des Tennisclubs Rot-Weiß, bei Rotary u.a. Vereinen einen anständigen Journalisten, der KEIN Nazi gewesen war, diskriminierte und verleumdete. Werner Hambruch musste die Wahrheit über das Fehlurteil gekannt haben. War ihm keine kriminelle Tat − hier Verleumdung − zu groß, um wieder alleiniger Inhaber aller Rechte am «Badischen Tagblatt» zu werden?

In Heidelberg war der publizistische Neuanfang nach dem Krieg nicht belastet: Theodor Heuss gründete mit Rudolf Agricola und Hermann Knorr die Rhein-Neckar-Zeitung. Da erhebt sich die Frage, wie es denn in Baden-Baden und Rastatt war. Am 2. November 1951 gründeten die «Freunde im Geiste» Werner Hambruch (NSDAP-Mitglied Nr. 3519658), Otto Helfesrieder (NSDAP-Mitglied Nr. 4033925), Richard Greiser (NSDAP-Mitglied Nr. 3108819) mit einem Stammkapital von DM 20.000,00 das NEUE «Badische Tagblatt» − mit einer komplett braunen Vergangenheit. Wurde sie vererbt, wie die Sünden der Väter in der Bibel?

Sind die drei Allein-Eigentümerinnen Eva Ertl (geb. Hambruch), Yvonne Hambruch-Piesker und deren Tochter Xenia Richters so von der Gier nach Eigentum, Besitz und Geld befallen, dass sie das als Parkplatz genutzte ehemalige Synagogen-Grundstück nicht einmal des Gespräches mit der israelischen Gemeinde für werthalten? Oder gibt es noch weitere «Leichen im Keller», wie der Volksmund zu sagen pflegt? Die sollen sicher weiter ruhen? Nun, die Akten werden es aber verraten, … auch wenn Rechtsanwalt Rolf Metzmaier die Damen juristisch berät.

Eines wissen wir nicht: glaubt Eva Ertl, wie weiland Winifred Wagner, immer noch an den Endsieg? Das muss man sich wahrhaftig fragen − oder nicht?

* Alfred Döblin (1878 – 1957), Pardon wird nicht gegeben, 1935, Querido Verlag, Amsterdam.

Gertrud Mayer
Baden-Baden


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