Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ – Umbenennung Hindenburgplatz – „Meint man, dass Deutschland durch solche ‚Säuberungen‘ der Geschichte eine ‚weiße Weste‘ bekommt?“

Baden-Baden, 10.10.2023, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Boris Fernbacher Stellung zu dem goodnews4-Bericht Umbenennung des Baden-Badener Hindenburgplatzes – Es kann nur eine Alternative geben: Stresemann-Platz – Bürgermeister Alexander Uhlig: «Ich persönlich hätte eine Idee».

Richard Wagner, der Entdeckungsreisende Sven Hedin, Otto von Bismarck, Martin Luther, der Komponist Hans Pfitzner, Paul von Hindenburg, die U-Bahnhaltestelle Onkel Tom in Berlin … die Umbenennung von Straßen und Plätzen, die nach historisch auch kritisch zu sehenden Personen benannt sind, ist seit Jahren in Mode. Nun fordern Demonstranten auch die Umbenennung des Hindenburgplatzes in Baden-Baden, weil dieser im 1. Weltkrieg Generalfeldmarschall war und 1933 als Reichspräsident Hitler zum Kanzler ernannte. Mit solchen Umbenennungen will man Personen, die nicht mehr unseren heutigen Vorstellungen von Demokratie, Menschen- und Frauenrechten, sozialer Gerechtigkeit, Ablehnung von Rassismus und vielem anderen entsprechen aus dem «kollektiven Gedächtnis» tilgen. Meint man, dass Deutschland durch solche «Säuberungen» der Geschichte eine «weiße Weste» bekommt? Die Geschichte beinhaltet positive und negative Entwicklungen und Ereignisse. «Gut» und «Böse» stehen eng beieinander. Die Historie und ihre Protagonisten sind häufig ambivalent und nicht Black & White wie im Hollywoodfilm.

 

Beispiel Otto von Bismarck: Monarchist und kein Demokrat im heutigen Sinn, arbeitete er dennoch mit den Parlamenten zusammen. Ohne ihn hätten wir kein vereintes Vaterland, was er allerdings nur mittels zweier von ihm provozierten blutigen Kriegen mit Österreich und Frankreich erreichte. Danach aber bewahrte er mit einer umsichtigen Außenpolitik Europa 20 Jahre lang den Frieden. Er führte das Sozialversicherungssystem ein von dem wir noch heute profitieren. Allerdings war dies von ihm eher als Maßnahme zur Zurückdrängung der von ihm gehassten SPD gedacht. Bismarck war kein Kolonialist und sprach sich mehrfach gegen den Erwerb deutscher Kolonien aus, wirkte dann aber auf der Kongo-Konferenz 1884 doch an der kolonialen Aufteilung Afrikas mit. Ein eindeutiges Fazit zu Bismarcks Politik ist schwer zu ziehen.

Ein Straßenname oder Denkmal dient heutzutage nicht der blinden Verehrung eines Menschen, sondern als Anstoß zum Nachdenken über diese Person und ihr Wirken in einer historischen Epoche. So denken wir bei Richard Wagner an seine großartige Musik und die Erfindung des modernen Musiktheaters, aber auch seine unsäglichen Hetzpamphlete gegen die Juden. Deshalb sollten wir in Baden-Baden auch nicht durch Umbenennung des Hindenburgplatzes diese unbestreitbar historisch wichtige Person aus der deutschen Geschichte löschen und stattdessen besser mal ein Buch über ihn und seine Zeit lesen.

Boris Fernbacher
Baden-Baden


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