Gastkommentar
Mädchen mit 13 Prozent von problematischem Social-Media-Verhalten betroffen – Gastkommentar von Thomas Bippes zu WHO-Studie
Baden-Baden, 01.10.2024, Bericht: Redaktion In unregelmäßigen Abständen veröffentlicht goodnews4.de Beiträge von Gastkommentatoren. Zum engeren Kreis gehören der Baden-Badener Bestsellerautor Franz Alt und Thomas Bippes, der sich insbesondere den Themen der Digitalisierung, IT und Künstlichen Intelligenz zuwendet.
Thomas Bippes ist Professor für Medien, Kommunikation und Online Marketing an der SRH Fernhochschule - The Mobile University und Gesellschafter der Online Marketing Agentur PrimSEO in Baden-Baden.
Kommentar: Thomas Bippes Die neue WHO-Studie «Health Behaviour in School-aged Children» verdeutlicht eindringlich, wie stark Jugendliche heutzutage in die digitale Welt eingebunden sind und welche Risiken damit verbunden sind. Besonders beunruhigend ist die Erkenntnis, dass mehr als jeder zehnte Teenager Anzeichen eines problematischen Social-Media-Verhaltens zeigt.
Diese Entwicklung sollte als Weckruf verstanden werden, sowohl für Eltern und Lehrer als auch für politische Entscheidungsträger.
Aus der Studie geht hervor, dass Mädchen mit 13 Prozent häufiger als Jungen (9 Prozent) von einem problematischen Social-Media-Verhalten betroffen sind. Diese Diskrepanz deutet darauf hin, dass insbesondere Mädchen stärker dem sozialen Druck und den idealisierten Darstellungen in sozialen Netzwerken ausgesetzt sind. Die permanente Verfügbarkeit von Online-Kommunikationsplattformen führt dazu, dass immer mehr Jugendliche das Gefühl haben, ständig online sein zu müssen – über ein Drittel gibt an, stets mit Freunden vernetzt zu sein.
Die digitale Welt bietet zweifellos viele Chancen. Jugendliche können online Freundschaften pflegen, Informationen austauschen und sich in vielfältigen Communities engagieren. Doch die Risiken sind ebenso real und sollten nicht unterschätzt werden. Besonders die Gefahr der Sucht, sowohl bei Social Media als auch bei Videospielen, ist alarmierend. 12 Prozent der Jugendlichen zeigen Anzeichen für problematisches Gaming-Verhalten, wobei Jungen in dieser Kategorie deutlich stärker betroffen sind als Mädchen.
Hier stellt sich die Frage: Wie gehen wir als Gesellschaft mit diesen Entwicklungen um? WHO-Regionaldirektor Hans Kluge betont zurecht, dass die Förderung digitaler Kompetenz essenziell ist. Doch der Fortschritt in diesem Bereich hat in vielen Ländern nicht mit der rasanten Entwicklung der digitalen Welt Schritt gehalten. Der Ruf nach einem verstärkten Social-Media-Unterricht an Schulen wird lauter, um Kinder und Jugendliche mit Medienkompetenz auszustatten. Lehrer sehen die Notwendigkeit, Jugendliche auf die Risiken und Gefahren der Online-Welt vorzubereiten. Ein Unterricht, der die kritische Reflexion über digitale Inhalte sowie das richtige Maß im Umgang mit sozialen Netzwerken fördert, könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein.
Doch allein Bildung wird das Problem nicht lösen. Auch die sozialen Medien selbst stehen in der Verantwortung. Plattformen wie Instagram, TikTok oder Snapchat müssen wir in die Pflicht nehmen. Sie müssen darauf achten, wie ihre Algorithmen gestaltet sind und welche Inhalte priorisiert werden. Es muss mehr Aufklärung über die psychologischen Mechanismen erfolgen, die Jugendliche dazu bringen, immer mehr Zeit online zu verbringen. Dazu gehören endloses Scrollen, Likes und Belohnungssysteme, die Abhängigkeiten erzeugen können.
Ein weiteres großes Problem ist, dass die Diskussion über die positiven und negativen Folgen von Social Media oft polarisiert geführt wird. Natürlich gibt es viele positive Aspekte – Vernetzung, Gemeinschaft, Austausch. Doch genauso gibt es negative Effekte auf das Wohlbefinden von Jugendlichen, die sich beispielsweise in niedrigem Selbstwertgefühl, Einsamkeit oder sogar Depressionen äußern können. Es ist wichtig, eine ausgewogene Sichtweise zu fördern: Soziale Medien sind weder gut noch schlecht per se. Es kommt darauf an, wie sie genutzt werden. Die Politik sollte daher schnell handeln und sowohl präventive Maßnahmen fördern als auch die Vermittlung digitaler Kompetenzen in den Mittelpunkt stellen. Eine gewichtige Rolle könnte dabei dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Teil der Gesamtstrategie zukommen. Mit seinem Angebot kann er erfolgreich in die Zielgruppe der Schülerinnen und Schüler hineinwirken. Denn: Die WHO-Studie zeigt klar auf, dass wir handeln müssen, um die Jugendlichen auf die Herausforderungen der digitalen Welt vorzubereiten – bevor es zu spät ist.
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