Reaktionen nach Nazi-Party

Nach Nazi-Feiern in Söllingen - Rössle-Wirt nimmt "ganzes Dorf in Sippenhaft" - Machtloses Landratsamt Rastatt: "Musik-Veranstaltungen von Konzession gedeckt"

Nach Nazi-Feiern in Söllingen - Rössle-Wirt nimmt "ganzes Dorf in Sippenhaft" - Machtloses Landratsamt Rastatt: "Musik-Veranstaltungen von Konzession gedeckt"

Bericht: Christian Frietsch

goodnews4-O-TON-Interview von Nadja Milke mit Hubertus Stollmaier

Baden-Baden/Söllingen, 19.11.13, 00:00 Uhr Verzweifelt wehrt sich eine ganze Gemeinde gegen das drohende Image eines Nazi-Dorfes. «Wir haben beschlossen, dass wir eine Plakat-Aktion vorziehen, die wir schon geplant hatten», berichtet Hubertus Stollmaier im goodnews4-O-TON-Interview über die Reaktion auf die Nazifeier in der Pogrom-Nacht vom 9. November. Die Plakate zeigten ein «Bild des Rössels einmal in bunt und einmal in braun», beschreibt der SPD-Vorsitzende von Rheinmünster und Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Neonazis. «Ich glaube nicht, dass die Bürger in Söllingen resigniert haben, sie sind eher verstört», analysiert Hubertus Stollmaier die Gemütsverfassung seiner Mitbürger, die mit Empörungsreflexen bisher noch nicht allzu sehr in Erscheinung getreten sind. Doch diese sind auch schwer zu platzieren, denn die Neonazis verfügen über eine offenbar gut funktionierende Organisation.

Obwohl das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen das Eilverfahren gegen die Entscheidung der Stadt Dortmund erst am Samstag bekannt gab, reichte es für die Nazis noch, die Geburtstagsfeier für den sogenannten «SS-Siggi» für den gleichen Abend im Flughafendorf Söllingen zu organisieren und damit die zweite Nazi-Feier in Folge kurzfristig zu inszenieren. In Söllingen haben sie freilich einen zuverlässigen Verbündeten und offenbar auch treuen Gesinnungsgenossen: «Ich habe den Eindruck, dass Herr Sick der rechtsradikalen Geisteshaltung anhängt», sagt Hubertus Stollmaier über den Rössle-Wirt, der im Dorf groß wurde und dessen Vater den Gasthof schon betrieb, als sich in den 70er Jahren noch die Alt-Nazis dort trafen.

Im goodnews4-VIDEO-Interview legte der Rössle-Wirt im Jahr 2010 seine Beweggründe dar, seinen offiziell geschlossenen Gasthof der rechten Szene zur Verfügung zu stellen und schob damals wirtschaftliche Zwänge vor. Aus Sicht von Gemeinderat Stollmaier fühlen sich die Einwohner von ganz Rheinmünster «von Herrn Sick in Sippenhaft genommen», dessen Gasthof im Ortsteil Söllingen liegt. «Die Aktionsgemeinschaft wird weiter informieren, was Nazis in der Vergangenheit angerichtet haben», blickt Hubertus Stollmaier auf die mäßigen Möglichkeiten den Nazis etwas entgegensetzen, denn zu «gewalttätigen Aktionen» will er nicht aufrufen, dafür mit einer «kleinen Artikelserie über die Ziele der Neonazis noch versuchen etwas zu bewirken».

Auch Jörg Peter, stellvertretender Landrat des Landkreises Rastatt, sieht nicht viel Handlungsspielraum: «Es ist schwierig einen Verantwortlichen festzustellen, den wir verantwortlich machen können.» Zwölf Musik-Veranstaltungen pro Jahr seien von der Konzession gedeckt, kann der stellvertretende Landrat den Söllingern wenig Hoffnung machen. Im Gegensatz zu Dortmund hätte auch «keine baurechtliche Handhabe» bestanden. Und das verkehrstechnische Argument für Söllingen hätten wohl auch die Nazis erkannt. «Wir haben den Flughafen dort, die Autobahn ist in der Nähe», erinnert Jörg Peter. Er weist aber auch darauf hin, dass nicht nur die Nazis aus Dortmund oder anderen weiter entfernten Regionen ins beliebte Söllingen reisen. «In Rastatt und Karlsruhe haben wir auch die Szene» erinnert er an die unrühmliche Rolle der inzwischen verbotenen, aber in neuen Gewändern längst wieder aktiven «Rastatter Kameradschaft» und «Karlsruher Kameradschaft».

Seltsam still sind die Politiker in Rastatt, Karlsruhe und Baden-Baden nach den beiden letzten Nazi-Feiern in Söllingen. Derweil beginnt in Freiburg der Prozess gegen einen 31-jährigen Rechtsradikalen, der in Riegel einen 22-jährigen Linksaktivisten vorsätzlich überfahren haben soll. Den ursprünglichen Freispruch des Freiburger Gerichts hatte der Bundesgerichtshof aufgehoben.

goodnews4-O-TON-Interview von Nadja Milke mit Hubertus Stollmaier


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