PFC-Skandal

PFC-Skandal geht in eine neue Runde – Stadtwerke Rastatt prüft Klage gegen Land

PFC-Skandal geht in eine neue Runde – Stadtwerke Rastatt prüft Klage gegen Land
Foto: goodnews4-Archiv

Rastatt, 22.06.2022, Bericht: Redaktion Als ein Ergebnis eines Juristischen Symposiums gestern im Residenzschloss Rastatt prüft die Stadtwerke Rastatt nun eine Klage gegen das Land Baden-Württemberg.

Vor dem Hintergrund des PFC-Skandals haben bei dem Symposium namhafte Rechtswissenschaftler «das System der Grundwasserbewirtschaftung juristisch unter die Lupe genommen&rauqo;, heißt es in einer Erklärung der Stadtwerke Rastatt.

Die Erklärung der Stadtwerke Rastatt im Wortlaut:

Am Dienstag (21. Juni) haben namhafte Rechtswissenschaftler in Rastatt das System der Grundwasserbewirtschaftung juristisch unter die Lupe genommen; dies vor dem Hintergrund des dortigen Umweltskandals. Denn in Mittelbaden sind Grundwasser und Boden großflächig mit perfluorierten Chemikalien (PFC) verseucht. Das sind giftige, nicht abbaubare Stoffe. Zu den Gästen der Fachtagung zählten Vertreter aus der Verwaltung, der Wasserversorgung und der Politik, darunter auch Landtagsabgeordnete aus Baden-Württemberg. Es referierten aus dem «Thinktank» des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) Professor Dr. Wolfgang Köck, Mitglied des Sachverständigenrats für Umweltfragen, und Dr. Moritz Reese, sowie von der Universität Leipzig Professor Dr. Kurt Faßbender, Institut für Öffentliches Recht.

Der Grund für das Symposium: Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat in die aktuelle Bewirtschaftungsplanung keine Maßnahmen zur Bekämpfung von PFC im Grundwasser aufgenommen, obwohl die Stadtwerke Rastatt als Wasserversorger solche als notwendig erachtet und vorgeschlagen hatten. Die Bewirtschaftungsplanung ist ein Instrument der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) zur Erzielung eines guten Zustands der Gewässer; sie besagt, dass alles, was einer guten chemischen Beschaffenheit des Wassers entgegensteht, bei der Planung grundsätzlich berücksichtigt werden muss. «Die Haltung des Regierungspräsidiums ist für uns nicht nachvollziehbar», sagt Olaf Kaspryk, Geschäftsführer der Stadtwerke Rastatt, und fügt an: «Wir sind es nachfolgenden Generationen schuldig, dass hier nachgesteuert wird, um koordiniert gegen die Verunreinigung anzugehen. Hierzu sollte dieses Symposium beitragen.» Und das hat es: Die Rechtswissenschaftler vertraten einhellig die Auffassung, dass die geforderten Maßnahmen hätten berücksichtigt werden müssen. Laut Moritz Reese sind Wasserversorger in solchen Fällen berechtigt, die entsprechenden Maßnahmen vor den nationalen Gerichten einzufordern. Die Stadtwerke prüfen derzeit eine solche Klage.

 

In Mittelbaden sind mittlerweile rund 1.200 Hektar Boden, 58 km2 Grundwasseroberfläche und 170 Millionen Kubikmeter Grundwasser mit dem Umweltgift PFC belastet; bedroht ist davon der größte Grundwasserleiter Europas, der Rhein. Um die Trinkwasserversorgung sicherzustellen, müssen Wasserversorger das Gift aufwendig herausfiltern – und das über Generationen. Das kostet viele Millionen Euro. Bis heute tragen diese in Rastatt die Stadtwerke und ihre Wasserkunden. Die Rechtswissenschaftler stellten Thesen auf, wie derartig große Dimensionen und langfristige Auswirkungen im aktuellen Recht einzuordnen sind.

Ziele der Wasserqualität sind rechtlich entscheidend

Professor Köck gab den Teilnehmern einen Überblick über das System der Bewirtschaftungsplanung, zu der ein Maßnahmenprogramm gehört. Er stellte eine Ausarbeitung von Kriterien vor, ab welchem Umfang eine schädliche Wasserveränderung als relevante Veränderung einer Flussgebietseinheit – wie in diesem Fall der Rhein – zu sehen ist. Denn eine solche ist in der Bewirtschaftungsplanung abzuhandeln. Ausdrücklich hält er fest, dass Maßnahmen nach Bodenschutzrecht hier nicht ausreichen.

Moritz Reese sieht die zuständige Behörde rechtlich in der Pflicht, Schadstoffe in das System der Bewirtschaftungsplanung aufzunehmen, die zu einer signifikanten Belastung mit schwerwiegenden Risiken für Gewässer, Gesundheit und Landnutzung werden können. Fehlen entsprechende Schwellenwerte, hat in Fällen wie der PFC-Belastung in Mittelbaden die zuständige Behörde solche Werte festzusetzen und der Bewirtschaftungsplanung zugrunde zu legen.

Professor Faßbender erörterte Gebote und Verbote, die greifen, wenn ein schlechter Gewässerzustand festgestellt ist. Hier greift seiner Meinung nach das Gebot der Trendumkehr und das Verschlechterungsverbot, insbesondere bei der Belastung des Grundwassers mit PFC. Es gelte grundsätzlich das Gebot der Schadstoffminimierung. In diesem Zusammenhang ging er auch konkret auf die Möglichkeit für Wasserversorger ein, diese Rechtslage auch gerichtlich durchzusetzen.

Bei der anschließenden Diskussion vertieften die Wissenschaftler mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Diskussion um geeignete Instrumentarien und die rechtliche Einordnung der Experten.

Für Trinkwasser müssen Pflichten und Rechte eindeutig sein

Das Symposium ist die vorerst letzte in einer Reihe von Veranstaltungen, zu denen die Stadtwerke Rastatt in ihrem Kampf um den besseren Schutz des Grundwassers und um Klärung von Haftungsfragen geladen haben. Als besonders schwer betroffener Wasserversorger haben sie deshalb frühzeitig auch eine rechtswissenschaftliche Diskussion angestoßen; seit mehr als 10 Jahren kämpfen sie gegen die PFC-Belastung – technisch, juristisch und politisch. Aktuell läuft zum Beispiel auch die Zivilklage des Wasserversorgers gegen den mutmaßlichen Verursacher des gigantischen Umweltschadens.

Stadtwerke bieten ausgestreckte Hand

Allein die Stadtwerke Rastatt mussten bisher schon für die Sicherung der Trinkwasserversorgung einen fast zweistelligen Millionenbetrag investieren; weitere Großinvestitionen stehen an. «Dazu zählen die Ausstattung eines weiteren Wasserwerks mit aufwendigen Aktivkohlefiltern und der Bau neuer Brunnen, um nur zwei anstehende Maßnahmen zu nennen», führt Olaf Kaspryk aus und ergänzt: «Hinzu kommen laufende Betriebskosten über Generationen. Bisher tragen diese Kosten die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie wir als Unternehmen. Und weder die Bürgerschaft noch wir haben den Schaden verursacht.» Die Stadtwerke müssen die gesundheitsschädlichen PFC dauerhaft aus dem Grundwasser herausfiltern, damit die Bevölkerung mit einwandfreiem Trinkwasser versorgt werden kann. «Was wir als Stadtwerke Rastatt hier betreiben, ist Grundwassersanierung. Diese entfaltet ohne eine übergreifende Koordination eine Wirkung, die weit hinter dem zurückbleibt, was mit Bewirtschaftungsplanung möglich wäre», beschreibt Olaf Kaspryk die Aufgabe. Das gilt für alle Beteiligten. Er betont: «Wir setzen uns auf allen Ebenen für den Schutz der Trinkwasserversorgung ein. Deshalb hoffe ich weiterhin, dass wir mit dem Land doch noch gemeinsam eine gute Lösung auf den Weg bringen und ich hoffe auch nach wie vor auf ein bisschen Gerechtigkeit.»


Zurück zur Startseite und zu den weiteren aktuellen Meldungen.