Gastkommentar
Wer am Digitalen spart, kapituliert vor der German Angst – 3,3 statt 277 Millionen Euro – Drastische Kürzung der Bundesregierung – Gastkommentar von Thomas Bippes
Kommentar von Thomas Bippes
04.08.2023, 00:00 Uhr
Baden-Baden In unregelmäßigen Abständen veröffentlicht goodnews4.de Beiträge von Gastkommentatoren. Zum engeren Kreis gehören der Baden-Badener Bestsellerautor Franz Alt und Thomas Bippes, der sich insbesondere den Themen der Digitalisierung, IT und Künstlichen Intelligenz zuwendet.
Thomas Bippes war in der Zeit von 1998 bis 2006 Pressesprecher von Fraktion und Partei der CDU Rheinland-Pfalz und ist heute Professor für Medien- und Kommunikationsmanagement an der SRH Fernhochschule – The Mobile University sowie Gesellschafter einer Online Marketing Agentur in Baden-Baden. Das Handwerkszeug für professionelles Online-Marketing lernte der Kommunikationsexperte im Presse- und Informationsstab des Bundesministeriums der Verteidigung, als Referent und Pressesprecher von Landtagsfraktionen sowie als Chefredakteur und Verleger von Mitgliedermagazinen für Institutionen und Verbände.
Kommentar: Thomas Bippes Zu Recht wurde die große Koalition unter Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel dafür kritisiert, die Digitalisierung Deutschlands nicht entschieden genug vorangetrieben zu haben. Die deutsche Verwaltung gilt schon lange als digital abgehängt. Doch was unsere aktuelle Bundesregierung jetzt plant, gleicht einem Kahlschlag auf einem der zentralen Zukunftsfelder des Landes.
Die Nachricht kommt zu einer Zeit, in der unsere Wirtschaft ohnehin schon in schwieriges Fahrwasser geraten ist. Der erhoffte Frühjahrsaufschwung ist ausgeblieben. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stagnierte im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt mitgeteilt hatte. Die Aussichten für die kommenden Monate sind eingetrübt. Der Internationale Währungsfonds erwartet für dieses Jahr ein Schrumpfen der deutschen Wirtschaft um 0,3 Prozent.
Mit der Kürzung des Etats für die Digitalisierung der Verwaltung von 377 Millionen Euro auf sage und schreibe nur noch 3,3 Millionen Euro zementiert das Land seine Rückständigkeit und steuert bewusst ins wirtschaftliche Abseits der einst größten Volkswirtschaft in Europa.
Die Folgen: Das Onlinezugangsgesetz (OZG), mit dem bis Ende 2022 Verwaltungsdienstleistungen digitalisiert werden sollten, wird faktisch nicht umgesetzt. Es bleibt in deutschen Behörden bei der Zettelwirtschaft, bei Aktenbergen und überbordender Bürokratie mit weitreichenden Auswirkungen auf die Innovationsfähigkeit des Landes. Das Projekt «Digitale Identitäten», mit dessen Hilfe sich Bürger im Netz rechtssicher ausweisen können, wird totgespart. Dabei ist es der Schlüssel für viele Dienstleistungen des Staates, die staatliches Handeln schneller, transparenter und unbürokratischer machen sollten. Unsere Digitalwirtschaft wird als Motor des Wandels ausgebremst und wir geraten immer weiter in die digitale Abhängigkeit von Staaten wie den USA oder gar China. Dabei ist gerade die digitale Souveränität wichtiger denn je, um einen resilienten Technologiesektor in Deutschland und in Europa zu gewährleisten.
Wir steuern sehenden Auges auf eine große Vulnerabilität und eine tiefgehende Abhängigkeitsstruktur im Bereich digitaler Güter und Dienstleistungen, der Informations- und Kommunikationsinfrastrukturen und hinsichtlich von Eigentumsrechten für digitale Technologien zu. Was wir mit Blick auf die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Problemstaaten bereits bitter bereuen mussten, wiederholt sich gerade bei der Digitalisierung. Mit dem rigiden Sparen an der Digitalisierung steuert der deutsche Staat noch mehr in die Abhängigkeit – und das in einem Zeitalter, in dem die Frage digitaler Innovationen und digitaler Innovationsfähigkeit eine so entscheidende Bedeutung für die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes darstellt.
Natürlich ist die Digitalisierung in einem Land, das durch den Föderalismus und bürokratisches Beharrungsvermögen geprägt ist, ein schwieriges Unterfangen. Es fehlt am Willen, daran etwas zu ändern – und das auf allen Ebenen. Doch durch das radikale Zusammenkürzen von finanziellen Mitteln ausgerechnet im Bundesetat für Digitalisierung kapituliert die Ampelregierung vor diesen verkrusteten Strukturen, die es ja gerade mit der Digitalisierung zu beseitigen gilt. Sie kapituliert vor der vielzitierten German Angst und schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Und das mit weitreichenden Folgen. Ich meine, dass es eine der vornehmsten Aufgaben einer Bundesregierung wäre, die digitale Transformation Deutschlands zu orchestrieren.
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