Stolpersteinverlegung am Donnerstag

213 Stolpersteine in Baden-Baden – Aber bis heute die Würde des alten Synagogengrundstücks nicht wiederhergestellt

213 Stolpersteine in Baden-Baden – Aber bis heute die Würde des alten Synagogengrundstücks nicht wiederhergestellt
213 Stolpersteine wurden in Baden-Baden bereits verlegt. Foto: Archiv

Baden-Baden, 14.03.2023, Bericht: Redaktion Sogenannte Stolpersteine sind auch in Baden-Baden Teil der Erinnerungskultur. Leider nehmen die Baden-Badener ihre Verantwortung für ihre eigenen Geschichte ansonsten nicht sonderlich ernst.

Bis heute fordern jüdische Organisationen vergeblich einen würdevollen Umgang mit dem Grundstück der alten, 1938 niedergebrannten Synagoge in der Stephanienstraße. Die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden, IRG, hat sich dazu mehrmals erklärt. Zum Verhalten der Eigentümer des Grundstücks hat sich das Baden-Badener Rathaus bis heute nicht klar und deutlich erklärt. «Die Würde des Ortes wiederherstellen», ist die Forderung der IRG.

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Die Mitteilung der Stadt Baden-Baden im Wortlaut:

Hier lebten Menschen, die plötzlich keine Nachbarn und Freunde mehr hatten, die ihr Zuhause und ihre Arbeit verloren: Verfolgte des Nationalsozialismus. Der Künstler Gunter Demnig erinnert an sie mit seinen Stolpersteinen, die er vor ihren letzten, selbst gewählten Wohnungen ins Straßenpflaster einlässt. Mit seinem Projekt – unterstützt durch lokale Arbeitsgruppen, die die einzelnen Lebensgeschichten recherchieren – holt er die Opfer aus der Anonymität zurück in ihre Heimatorte. Auf den 10 mal 10 Zentimeter großen Gedenksteinen sind ihre Lebensdaten eingraviert. «Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist», zitiert der Künstler Gunter Demnig den Talmud. In Baden-Baden machen inzwischen 213 Steine deutlich, dass einst die Verfolgung mitten in der Gesellschaft ihren Anfang nahm. Sie rufen dazu auf, wachsam zu sein, damit hier kein Platz für Ausgrenzung, Antisemitismus und Rassismus ist.

 

Bei einer Stolpersteinverlegung am Donnerstag, 17. März, soll jedes der 15 Opfer musikalisch gewürdigt werden. Der kubanische Komponist Emilio Padrón komponiert für jeden Verfolgten ein eigenes Stück, lässt das Leben von jedem Einzelnen mit eigenen Tönen und Klängen widerhallen, schenkt jedem und jeder ein Echo. Schüler des Pädagogiums und des Gymnasiums Hohenbaden sowie Orchestermitglieder des Vereins Gitarrenklänge Baden-Baden tragen als Musikpaten der einzelnen Stolpersteine die Kompositionen auf der Gitarre vor, Mitschüler präsentieren mit Unterstützung des Arbeitskreises Stolpersteine biografische Daten. Zahlreiche Angehörige aus unterschiedlichen Ländern werden bei der Verlegung dabei sein. Die Veranstaltung versteht sich als «Eine musikalische Erinnerung, die den Opfern eine Stimme gibt; eine Würdigung, die nachhallt: ein Echo in die Gegenwart.» Sie ist eine Kooperation des Arbeitskreises Stolpersteine Baden-Baden und des Vereins Gitarrenklänge. Der musikalische Teil des Projekts wird von der Stadtverwaltung Baden-Baden und dem Rotary Club Baden-Baden gefördert.

Die Stolpersteinverlegung beginnt am 17. März um 12 Uhr mit einer Eröffnung im Weinbrennersaal des Kurhauses. Orchestermanager Arndt Joosten lädt zum Wirkungsort des ehemaligen Generalmusikdirektors Ernst Mehlich ein, der 1933 mit einem Berufsverbot belegt wurde und noch im gleichen Jahr nach Brasilien emigrierte. Yasushi Ideue, Konzertmeister der Philharmonie Baden-Baden, wird Mehlich mit einer Komposition von Johann Sebastian Bach würdigen, Bürgermeister Roland Kaiser mit einem Grußwort. Komponist Emilio Padróen erinnert mit einer Neukomposition auf der Gitarre an den großen Musiker.

Chefdramaturgin Kekke Schmidt und Nachwuchstalent Noah Seider gedenken der Schauspielerin Charlotte Eggarter, die im nahegelegenen Theater engagiert war. Als Jüdin wurde sie diskriminiert und war gezwungen, aus Deutschland zu fliehen. Auch für sie gibt es einen «musikalischen» Stolperstein, den Schülerinnen des Pädagogiums und des Gymnasiums Hohenbaden zusammen mit dem Verein Gitarrenklänge vortragen.

Ernst und Ilse Schwarz und ihre Tochter Beate mussten ebenfalls Baden-Baden 1939 verlassen. Leah Newman aus Maastricht, die Tochter von Beate Schwarz, wird in englischer Sprache über das Schicksal ihrer Familie berichten.

Ab 13.20 Uhr werden dann Stolpersteine an verschiedenen Stationen in Lichtental verlegt. Begleitende Text werden zum Teil in Englisch und zum Teil in Deutsch gesprochen. Zu Beginn wird in der Maximilianstraße 62 Generalmusikdirektor Ernst Mehlich gedacht. Professor Susanne Popp, Max-Reger-Institut Karlsruhe, beleuchtet sein musikalisches Schaffen und sein Engagement für das Regerfest. Ein Grußwort und Trauergebet hält Rabbiner Daniel Naftoli Surovtsev. In der Heimstraße 2 lebte Lehrerin Julie Löw, Opfer der NS Krankenmorde. Um 13.40 Uhr stellen Schüler des Pädagogiums vor ihrem ehemaligen Haus ihr Leben vor. In der Heimstraße 1 lebten Ingenieur Ernst Schwarz, seine Frau Ilse und Tochter Beate. Hier werden um 13.55 Uhr Schüler des Pädagogiums über das Leben der Familie berichten. Ari Neimand spricht anschließend den Kaddisch für die Familie. In der Hauptstraße 20 lebten einst Schauspielerin Charlotte Eggarter und ihre Töchter Renate und Dorothea, gegen 14.20 Uhr werden hier die Stolpersteine verlegt und Schüler des Pädagogiums sprechen. Um 14.45 Uhr wird vor dem Haus Seelachstraße 4 durch den Arbeitskreis Stolpersteine das Leben des Widerstandskämpfers Karl Hörth vorgestellt. Gleiches dann um 15 Uhr vor dem Haus Seelachstraße 8, wo der Widerstandskämpfer Kurt Gottlob Falk lebte. Im Haus Frankreichstraße 7 lebte einst Stephanie Speck, Opfer der NS Krankenmorde. Um 15.25 Uhr werden hier Angehörige ihr Leben vorstellen. Die letzten Stolpersteine werden an diesem Tag um 15.55 Uhr vor der Fremersbergstraße 6 verlegt. Hier lebten Arthur Blaustein, Professor in Mannheim, seine Frau Elisabeth und die Kinder Marianne und Werner. Schüler des Pädagogiums und Dr. Heidi Buch stellen deren Leben vor. Bei allen Verlegestellen gibt es einen musikalischen Beitrag. Die Musiker sind am Altsaxofon Isabella Mangalov und Sebastian Schiel (Gymnasium Hohenbaden), an der Gitarre Nikita-Samuel Vogel (Pädagogium), Maria Rovno (Gymnasium Hohenbaden) sowie Artem Davidov, Johannes Ebert, Manfred Eiband, Christoph Iding, Gerhard Klaar, Albrecht und Herbert Kretz, Hans Lange, Claude Penner und Ruth Peter (Gitarrenklänge), an der Querflöte Anne Knoblauch (Pädagogium) und an der Ukuele Debra C. Burton (Gitarrenklänge).

Die beteiligten Lehrer sind Achim Fessler (Gymnasium Hohenbaden), Manuel Fast, Michaela Globig und Uwe Serr (Pädagogium). Für eventuelle Verzögerungen bei den angegebenen Zeiten wird um Verständnis gebeten.

Wer einen Stolperstein spenden oder die Aktion auf andere Weise unterstützen möchte, ist herzlich willkommen. Stolpersteine werden über Patenschaften finanziert; ein Stolperstein kostet 120 Euro. Die Spendenkonten der Baden-Badener Initiative sind bei der Sparkasse IBAN DE25 6625 0030 0000 0108 68; BIC SOLADES1BAD, sowie bei der Volksbank IBAN DE92 6619 0000 0085 1032 45; BIC GENODE61KA1, Verwendungszweck «Stolpersteine», der Empfänger ist das Stadtmuseum/-archiv Baden-Baden. Auf Wunsch können Spendenquittungen ausgestellt werden.


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