Osterfestspiele 2023

Auch Kammermusik Kurhaus, Casino, Stiftskirche und Theater – Berliner Philharmoniker in Baden-Baden

Auch Kammermusik Kurhaus, Casino, Stiftskirche und Theater – Berliner Philharmoniker in Baden-Baden
Auch in der Stiftskirche finden Kammerkonzerte der Berliner Philharmoniker statt. Foto: Archiv

Baden-Baden, 18.03.2023, Bericht: Festspielhaus Zum festen Bestandteil der Baden-Badener Osterfestspiele gehören die Kammermusiken von Mitgliedern der Berliner Philharmoniker.

Vom 2. bis 10. April 2023 finden in reizvollen Spielstätten wie dem Kurhaus, dem Casino, der Stiftskirche oder dem Theater Baden-Baden dreizehn der beliebten Konzerte statt. Sie präsentieren eine Moderne ohne stilistische Scheuklappen – passend zur Oper «Die Frau ohne Schatten» mit der die Osterfestspiele am 1. April 2023 eröffnen.

In den Kammerkonzerten präsentieren die Berliner Philharmoniker solistisch große Musik in kleinen Besetzungen. Den programmatischen Rahmen gibt die Oper «Die Frau ohne Schatten» von Richard Strauss vor, welche die Osterfestspiele eröffnet. Das Kirill Petrenko dirigierte Werk pendelt zwischen spätromantischem Überschwang und avantgardistischen Klangexperimenten und repräsentiert die stilistische Vielfalt der frühen Moderne ab 1900 bis etwa zum Ende des zweiten Weltkriegs. Diese Vielfalt im Detail aufzufächern, darum geht es im Kammermusik-Programm, das in dreizehn Konzerten vorgestellt wird – wie stets auf ganz Baden-Baden verteilt, nämlich im Weinbrenner- und Runden Saal des Kurhauses, im Malersaal des Maison Messmer, in der Stiftskirche, im Casino und im Theater Baden-Baden.

 

Die Musiker der Berliner Philharmoniker finden sich zu spontanen Ensembles zusammen oder musizieren in festen Formationen: am bekanntesten sind dabei das Scharoun-Ensemble und das Philharmonische Streichquartett. Für den Besucher reizvoll sind Begegnungen mit Musikern, die sich auch jenseits des Orchesters einen Namen machten, wie etwa der Flötist Emmanuel Pahud, der in der am 4. April in der Stiftskirche zu erleben ist.

Eindrucksvoll: Werke von Komponisten, die in der Zeit des Nationalsozialismus, verfolgt, vertrieben oder ermordet wurden. Ihre Musik, lange Zeit vergessen, wird nun wieder entdeckt. Man denke etwa an die Werke von Erwin Schulhof. Das Oeuvre des kommunistischen Musikers pendelt zwischen Jazz, Popularmusik und gemäßigter Moderne. Schulhofs geniale, außerordentlich fantasievolle Musik wird heute hoch gewürdigt. Die Ensembles der Berliner Philharmoniker spielen gleich im ersten Konzert, am 2. April im Kurhaus, Schulhofs fünf Stücke für Streichquartett, sowie im Konzert Nr. 10 Schulhofs Streichsextett, das vielleicht beste Kammermusikwerk des Komponisten. Erwin Schulhof ist nur der bekannteste Musiker unter ähnlichen Wiederentdeckungen. Zu ihm gesellen sich Pavel Haas und Ernst Toch, deren Werke für Bläser am 7. April im Weinbrennersaal im Kurhaus vorgestellt werden – im Verbund mit einem Stück des bekannteren Hanns Eisler.

Auch der Schönberg-Schüler Egon Wellesz gehört in diese Reihe. Wellesz´ Oktett von 1949, dargeboten vom Scharoun-Ensemble am 3. April (auch im Kurhaus), verbeugt sich von seinem Landsmann Franz Schubert.

Nimmt man die bekannten Namen Hindemith und Bartók hinzu, dann zeigt sich hier eine repräsentative Auswahl der klassischen Moderne. Ihr gegenüber steht Musik von Komponisten, die am romantischen Idiom festhielten: Da wäre zum einen die Kammermusik von Richard Strauss selbst zu nennen, die oft in der Frühzeit des Komponisten entstand, wie etwa das Streichquartett des Sechzehnjährigen oder dessen an Brahms´ gemahntes Klavierquartett, die beide in Baden-Baden erklingen. Mit gleich drei Werken, unter ihnen auch sein berühmtes Klarinettenquintett (Konzert am 3.4., Kurhaus), ist Max Reger vertreten, sicherlich der bedeutendste Kammermusikkomponist um 1900. Zuletzt sei hier auf die Renaissance des Kammermusik-Komponisten Erich Wolfgang Korngold verwiesen. Der ehemals erfolgreiche Opernschöpfer musste nach Hollywood emigrieren, wo er zum einflussreichen Filmmusik-Komponisten avancierte. Mit dessen zweiten Streichquartett (im Konzert am 2.4.) und seinem Klavierquintett (im Konzert am 6.4.) stehen zwei spätromantische Werke Korngolds auf dem Programm.

Das Ineinanderfließen von Spätromantik und Moderne, Politik und Film, lässt sich nicht wirklich auf einen Nenner herunterbrechen. Vereinfachend wurde diese Epoche lange Zeit deshalb nur auf eine Handvoll Avantgardisten reduziert.

Die Musiker der Berliner Philharmoniker erweitern diesen Horizont und präsentieren in den Kammermusiken der Osterfestspiele in Baden-Baden den ganzen Reichtum, der in diesem Neben- und Miteinander steckt. Reichtum statt Richtwert. Stilistischer Pluralismus statt des orthodoxen «nur so und nicht anders geht der Weg der Moderne». Da findet sich der Hörer heute schnell wieder. Das Ohr darf sich freuen über fantastische, sich widersprechende Impulse.


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