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„Die subtilen Vernetzungen im Baden-Badener Gemeinderat haben wohl Methode“

Folge 46 aus dem Buch „Die Bussi-Bussi-Gesellschaft im Baden-Badener Rathaus“ von Christian Frietsch – Das Nachwort

Folge 46 aus dem Buch „Die Bussi-Bussi-Gesellschaft im Baden-Badener Rathaus“ von Christian Frietsch – Das Nachwort
Foto: goodnews4-Archiv

Baden-Baden, 01.09.2020, Bericht: Redaktion Mit dieser Folge endet die goodnews4.de Serie «Die Bussi-Bussi-Gesellschaft im Baden-Badener Rathaus». Das Buch ist 2019 erschienen und wurde sechs Wochen lang in der Kategorie Public Affairs auf Platz 1 als Bestseller in Amazon geführt.

Das Buch beschäftigt sich mit kriminellen Machenschaften bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen. Durch Recherchen und Berichterstattungen von goodnews4.de wurde der sogenannte Leo-Skandal aufgedeckt, der zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und schließlich zu einer Verurteilung eines Bauunternehmers führte, dessen Sohn als Prokurist arbeitete und gleichzeitig Mitglied des Baden-Badener Gemeinderates und des Bauausschusses war. Ihm konnte bisher kein Fehlverhalten nachgewiesen werden. Im Zuge der Berichterstattungen kam es auch zu einem Prozess, wo es vom Landgericht Baden-Baden, den ein Stadtrat der Freien Wähler verlor, obwohl 15 Stadträte von der CDU, SPD, den Grünen und den Freien Wählern eine eidesstaatliche Erklärung für ihn abgaben. Ausnahmslos stellten sich alle diese eidesstaatlichen Erklärungen vor Gericht als fehlerhaft raus.

Das Buch ist in der Buchhandlung Straß, auf Amazon und in der Baden-Badener Thalia-Filiale erhältlich.



NACHWORT

Mark Twain

Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei kümmern sich seit 2017 um Vorgänge im und um das Baden-Badener Rathaus. Im Mittelpunkt stehen Bauaufträge der Stadt Baden-Baden an ein Baden-Badener Bauunternehmen, dessen Junior-Chef und Prokurist von 2014 bis 2019 für die CDU dem Gemeinderat und zeitweise auch dem Bauausschuss angehörte. Durch illegale Preisabsprachen und andere Straftaten dürfte der Stadt ein großer wirtschaftlicher Schaden entstanden sein. Das Netzwerk von Stadträten und Empfängern von öffentlichen Aufträgen wird gut katalysiert durch Bauunternehmer, Handwerker anderer Berufsgruppen, die dem Gemeinderat angehören.

Die subtilen Vernetzungen im Baden-Badener Gemeinderat haben wohl Methode. Schon in der Gemeinderatsperiode von 2010 bis 2014 stand ein CDU-Stadtrat aus der Bauwirtschaft an der Spitze der Geschäftspartner der Stadt Baden-Baden. Gemeinsam mit seinem Wohnbauunternehmen wollte die Stadt mitmachen beim Geld verdienen und auf dem sogenannten Vincentiusgelände Luxuswohnungen bauen. Ein Ansinnen, das den Orientierungsverlust von Stadtverwaltung und Gemeinderat deutlich machte. Die Idee für das einträgliche Geschäft, verbunden mit einer Card Blanche bei notwendigen Genehmigungen und dem Überwinden politischer Hürden, dürfte bei den gut vertrauten geschäftstüchtigen Stadträten entstanden sein. Erst die Gerichte mussten das außer Kontrolle geratene Selbstverständnis des damals verantwortlichen Oberbürgermeister Wolfgang Gerstner und des für das Baudezernat zuständigen Ersten Bürgermeisters Werner Hirth wieder zurechtrücken.

Die von fehlender politischer Kontrolle begünstigten mandatstragenden Geschäftemacher haben den Gemeinderat gut im Griff, so dass auch von dort keine ernsthafte Gegenwehr zu erwarten ist. Insbesondere auf die Baden-Badener SPD-Fraktion konnten sich die geschäftstüchtigen Stadträte von CDU und Freie Wähler in brenzligen Situationen meist verlassen. Keinem von ihnen kam etwa in den Sinn, für ihre Wähler aus dem Normalverdiener-Milieu rechtzeitig eine Quote für die bevorstehende Wohnungsflut in der Innenstadt zu fordern. Noch bevor die Leo-Affäre abgeschlossen und ein Schaden für die Baden-Badener Steuerzahler beziffert werden kann, sind bereits hunderttausende Euro für Rechtskosten im Fall des Vincentiusgeländes entstanden für die Stadt Baden-Baden.

Auch nach dem messbaren Schaden sieht die Baden-Badener CDU keine Mitverantwortung für Fehlentscheidungen oder Verfehlungen ihrer Verantwortlichen in Rathausspitze und Gemeinderat. Die offensichtliche Verquickung von Geschäften und Politik im Interesse eigener Parteimitglieder ist zu einer Hypothek geworden, die aus dem Rathaus eine Parteizentrale gemacht hat, die mehr die wirtschaftlichen Interessen ihrer Parteigänger im Auge hat als die Interessen aller Bürger.

Mark Twains Beschreibung und sein Eindruck zur Geisteshaltung im schönen Baden-Baden liest sich auch fast 150 Jahre nach seinem Besuch in Baden-Baden wie eine böse Prophezeiung. «Es ist eine geistlose Stadt, voll von Schein und Schwindel, mickrigem Betrug und Aufgeblasenheit». Bei patriotischen Bürgern wird sich zu Recht Widerspruch regen. Tatsächlich wäre Baden-Baden vielleicht eine ziemlich geistlose Stadt, wären da nicht die meist zugereisten Gönner, in früheren Zeiten die Bénazets und Sielckens und heutzutage die Initiatoren von Festspielhaus, Museen oder jene bürgerliche Initiativen wie die des Vereins Stadtbild, die den schlimmsten Raubbau in der Baden-Badener Architektur verhindern konnten.

In seinen Tagebüchern hatte der amerikanische Schriftsteller seine Eindrücke festgehalten, die er vom 23. Juli bis zum 9. August 1878 gewonnen hatte, als er mit seiner Familie und einem Freund Baden-Baden besuchte. Auf fast 50 Seiten beschreibt Mark Twain seine Erfahrungen in Baden-Baden. Auch von den von ihm als unverschämt und selbstgerecht wahrgenommenen Bäderfrauen leitete der amerikanische Schriftsteller die Mentalität der damaligen Stadt Baden, dem heutigen Baden-Baden ab. Mark Twain beschäftigte sich bei seinen Notizen nicht mit der Lösung des Rätsels, weshalb die schon im 19. Jahrhundert große Kolonie an Dichtern, Komponisten und weltgewandten Unternehmern ihren Geist nicht ins offizielle Baden-Baden tragen konnten. Aber Mark Twain hatte an anderer Stelle vielleicht eine Antwort, die Motivation bei der von den Parteien gesteuerten Zusammensetzung des meist devoten Gemeinderats und der Personalpolitik in Baden-Badener Administrationen, die den schon damals fehlenden Feinsinn erklären könnten. «Wenn du einen verhungernden Hund aufliest und machst ihn satt, dann wird er dich nicht beissen».

Baden-Baden und seine DNA

Gibt es denn eigentlich eine DNA einer Gemeinschaft, einer Partei, eines Vereines, einer Nation, einer Stadt? Wer bewahrt diese Gene, wer gibt diese weiter? Vor 2000 Jahren hinterließen die Römer ihre Spuren im heutigen Baden-Baden, davor schon die Kelten, was man nicht vergessen sollte – und vor 900 Jahren ließen sich die Markgrafen hier nieder und sorgten dafür, dass der Ort Baden eine herausragendere Rolle spielen sollte als andere Ortschaften an Oos und Murg. Vielleicht gab dies die Grundlage für eine kollektive DNA von gefälligen Hoflieferanten und ergebenen Günstlingen. Die Handwerker, Kaufleute und Bauern, auch aus der Umgebung, profitierten davon und lernten den Umgang mit der Obrigkeit. Später konnte der Ort Baden - der erst in den 1930er Jahren zu seinem Doppelnamen Baden-Baden kam - einem ganzen Land den Namen geben, der dann auch zum Namensteil unseres Bundeslands Baden-Württemberg wurde. Die dynastischen Verbandelungen der Markgrafen hatten die großen Höfe von Moskau bis Paris nach Baden-Baden geführt. Ihnen folgten Glamour, Kultur und auch einiges an Verstand kam mit den Literaten und Künstlern in die Stadt. Von diesen Zugereisten gab es zum offiziellen Baden-Baden und seinen politischen Repräsentanten ein gewisses Gefälle, noch mehr als die geschäftstüchtige Gesellschaft den Adel beerbte und selbst zum Souverän wurde.

In der neueren Zeit war Baden-Baden in der unseligen Zeit der Nazis, 1939, zum Stadtkreis geworden und so konnten damals die braunen Stadtväter munter schalten und walten, wie sie wollten. Zu einigen Turbulenzen kam es in den 1970er Jahren, als die Stadt mit dem couragierten Oberbürgermeister Walter Carlein an der Spitze seine Unabhängigkeit als Stadtkreis retten konnte, dafür aber hinnehmen musste, dass die politischen Repräsentanten der umliegenden Dörfer die Kräfteverhältnisse im Baden-Badener Rathaus auf den Kopf stellten. Nachdem schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Lichtental, Balg und Baden-Oos eingemeindet wurden und das kleine Baden-Baden der Oos entlang fast bis in die Rheineben zogen, wurden 1972 Eberstein-burg, Neuweier, Steinbach Varnhalt, 1974 Haueneberstein und 1975 Sandweier zu einem Teil der Weltstadt. Für die verloren gegangene Selbständigkeit belohnt sich die ehemalige politische Dorfprominenz bis heute gut vernetzt mit den Ressourcen der Stadt und prägt im Baden-Badener Rathaus den Stil der dort ziemlich provinziell erscheinenden Stadt, was sich bei einem gelegentlichen Besuch einer öffentlichen Sitzung des Baden-Badener Gemeinderats leicht beobachten lässt. Die damals neuen Genome im Baden-Badener Rathaus haben die DNA um den schon von Mark Twain beschriebenen, wohl zu kurz gekommenen Feinsinn im Baden-Badener Rathaus kaum bereichert. Stattdessen mutierte das Baden-Badener Rathaus mehr und mehr zu einer Art Parteizentrale inklusive lukrativer Posten und Geschäftsanbahnungen für Family and Friends.

Erst nach Erscheinen dieses Buches wird sich entscheiden ob die Staatsanwaltschaft in den geschilderten Fällen Anklage erheben wird. Es wird sich auch zeigen, wie sich die Baden-Badener Bürger bei der bevorstehenden Kommunalwahl verhalten. Zuletzt hatte bei der Kommunalwahl nur noch eine Minderheit von 44 Prozent der Wahlberechtigen im Stadtkreis Baden-Baden von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht.

ISBN 9781094779768

PDF Die Bussi-Bussi-Gesellschaft im Baden-Badener Rathaus – Folge 46 – Seite 335-337


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