Klavierabend mit Musik von Wagner, Liszt und Prokofjew

Klavierabend mit Behzod Abduraimov – Franz Liszt und Sergej Prokofjew: Kosmopoliten der Musik ihrer Zeit

Klavierabend mit Behzod Abduraimov – Franz Liszt und Sergej Prokofjew: Kosmopoliten der Musik ihrer Zeit
Der Pianist Behzod Abduraimov begeisterte im Festspielhaus Baden-Baden. Foto: Nissor Abdourazakov

Baden-Baden, 11.03.2019, Bericht: Inga Dönges Der bewundernswerte Pianist, «Einspringer» bei den Sommerfestspielen 2017, Behzod Abduraimov kehrte nach Baden-Baden zurück. Eine Freude für den Konzertfreund, diesen Ausnahmekünstler wieder hören und sehen zu können.

Seine spezielle geistige Begabung, hier das künstlerische Genie, stets originell in seinen Leistungen, löst Probleme, die für unlösbar galten, schafft unwillkürlich und unbewusst mit der Gewalt eines Triebes oder Instinkts. Das unterscheidet das Genie vom Talent.

Behzod Abduraimov erfüllte all diese Kriterien meisterlich. Er wurde 1990 in Taschkent geboren, begann im Alter von fünf Jahren mit dem Klavierspiel, gewann als 18-jähriger die ersten Wettbewerbe. Seine Spezialität sind Klavierstücke, die selbst seitens der Komponisten als nahezu unspielbar galten wegen ihrer technischen Anforderungen. Der Flügel und er waren eine Einheit, die Geläufigkeit der Finger schier unbeschreiblich, die Wechsel der Notenschlüssel erforderten ständiges Übergreifen der Arme und Hände − es war sensationell! Der Wechsel vom Fortissimo zum Pianissimo war einfach genial.

Das Programm begann mit Franz Liszt (1811 – 1886). Er wurde in Doborján, im heutigen Burgenland, geboren. Sein Ungarntum war eher eine verwaltungstechnische Gegebenheit. Liszt war Europäer − Ungarisch konnte er nur einige Brocken. Sein Bekenntnis, er sei Ungar, formulierte er − französisch. Von 1823 bis 1835 lebte Liszt in Paris, begegnete dort Berlioz, Paganini und Chopin. Dort lernte er auch Marie d‘Agoult kennen, ihrer beider zweite Tochter war Cosima. Sie heiratete später Hans von Bülow, nach der Scheidung von ihm Richard Wagner. Liszt war der erste Pianist, der einen ganzen Abend allein bestritt − ebenso Behzod Abduraimov! «Man muss die Finger am Tag mindestens fünf Stunden hintereinander bewegen, damit sie nicht erstarren.»

Die damaligen Klaviere waren für Liszt und seine neue Spieltechnik zu leicht gebaut: er zertrümmerte förmlich die Flügel. Die Fürstin Metternich brachte es auf folgenden Vergleich: «Als Prinz Eugen die Türken schlug, brach das Muselmanenreich zusammen. Diesmal war es Franz Liszt..., und das Reich, das er zerschlug, bestand aus Holz und Saiten ... Man fühlt sich nach solch einem Konzert wie zerstückelt.» In einem Brief von 1874 schreibt Liszt an die Fürstin: «Meine einzige Ambition war und wird es sein, meinen Speer in den unendlichen Raum der Zukunft zu schleudern.» Diese Eigenschaften treffen sicherlich auch auf Behzod Abduraimov zu.

Das erste Stück des Abends Richard Wagners (1813 – 1883) «Isoldes Liebestod» aus der Oper «Tristan und Isolde», transkribiert für Klavier von Franz Liszt. Ein pastoser, typisch wagnerischer Anfang, dann die Melodie mit ihrer Innigkeit ließ die Singstimme fast vergessen. Die Crescendi/Decrescendi, die Legatobögen und vieles andere mehr waren phänomenal. Musik, Pianist und Flügel waren eine untrennbare Einheit. Das war sozusagen das «Amuse Gueule» für die folgende, einzige Klaviersonate in h-Moll von Franz Liszt, entstanden 1852/53. Sie ist ein Werk absoluter Musik, eine Sonate von halbestündiger Dauer − in einem einzigen Satz. Karl Tausig sah darin das «Faustische» von Goethe.

Der erste Themenkomplex das hymnische «Grandioso», dann folgen lyrische Themen, in der alle Klangfarben des Klaviers zur Geltung kommen. Ein Fugato führt zur Reprise. Eine Oktavenstretta geht in ein akkordisches Motiv über, das Andante bildet die Coda. Die Sonate beschreibt Sturm, Qual, Glaube und Hoffnung − also ein Menschenschicksal, das dem des «Faust» gleicht. In Wien hieß es damals: «Das Formloseste, das es je gegeben hat.» Das enthält eine Ahnung, dass Liszt hier schon Musik einer späteren Epoche schrieb. Die Uraufführung der Sonate spielte Hans von Bülow 1857 in Berlin auf einem Bechstein Flügel.

Behzod Abduraimov spielte diese Sonate wie ein Artist unter der Zirkuskuppel − ohne Netz! Seine Arme und Finger schlangen sich über- und untereinander, der kleine Finger spielte die Triller, die anderen Finger auf den weißen und schwarzen Tasten. Man konnte diese Schnelligkeit kaum mit den Augen erfassen, aber man hörte sie. Und das alles ohne jeden «Patzer» − sensationell! Und natürlich auswendig: die Kopf- und Speicherleistung ist für den Laien unvorstellbar. Dann der Schluss: ein vier-gestrichenes C im Bassschlüssel, eine Achtel-, eine Viertelpause, dann die Fermate «ad libitum».

Zum Ausatmen nach dieser Spannung die Pause, um danach «Romeo und Julia» von Sergej Prokofjew (1891 – 1953) zu hören: 10 Stücke für Klavier op. 75. Der Erfolg seiner Ballettmusik ließ Prokofjew 1937 10 Klavier-Transkriptionen der besten Episoden des Balletts schaffen. Der ganze Zyklus ist einfach, ohne virtuose Komplikationen. Im Wesentlichen handelt es sich um Fragmente aus dem Klavierauszug, die sorgfältig für den Konzertvortrag redigiert wurden. Alle Stücke sind vollkommen für das Klavier transkribiert. Trotz des einfachen Satzes interessierten sich bald viele Pianisten für die Komposition wegen des Reichtums ihrer musikalischen Bilder. Prokofjew beeindruckt in seinen Kompositionen durch ihre Vollkommenheit und klassische Formgestaltung. Er nutzte nur eigene Themen und Figurationen beim Komponieren, nahm niemals «fremde Anleihe».

Nach seinem Studium in St. Petersburg verließ er 1918 Russland, lebte in den USA und dann in Europa vor allem in Paris. Er starb 1953 in Moskau. Das Mariinsky Ballett führte Weihnachten 2018 eine Hommage an Sergej Prokofjew auf, dem Komponisten, der eine Entwicklung vom Expressionismus zum Neo-Klassizismus, bis hin zu harten Dissonanzen nahm.

«Romeo und Julia» ist einfach «schön», so wie Behzod Abduraimov es spielte. Das Ballett mit all seinen Sprüngen, Pirouetten, Pas de Deux‘s wurde von seinen Armen und Fingern auf dem Flügel «getanzt», als wären seine Gliedmaßen schlangenähnliche Gebilde. So sahen und hörten wir ein zweites Mal das Ballett «Romeo und Julia» − eigentlich unterschiedlich, aber doch eine famose Einheit.

Das Publikum bestand aus Kennern und Verehrern und erklatschte sich eine Zugabe, die den musikalischen Ring des Klavierabend schloss: Franz Liszt «La Campanella» in gis-Moll, der dritten Etüde der «Six Grandes Etudes de Paganini» für Klavier. Der Flügel blieb heil, das Publikum war begeistert und beglückt − der Abend war außerhalb jeder Norm und verdient größten Respekt und Lob. Was wünscht man dem Künstler und egoistisch sich selbst? Weiter so! Ad multos annos!


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