Gastkommentar

Kritik zur Operngala im Festspielhaus mit Sonya Yoncheva – Gastkommentar von Inga Dönges

Kritik zur Operngala im Festspielhaus mit Sonya Yoncheva – Gastkommentar von Inga Dönges
Es war der Abend einer großen Sängerin: Sonya Yoncheva. Foto: Andrea Kremper

Bild Inga Dönges Kommentar von Inga Dönges
26.07.2021, 00:00 Uhr



Baden-Baden Gesang sollte «zum poetischen Ausdruck der Seele werden», so Giuseppe Verdi 1875 in Wien.

Das Vorspiel zu «Aida» mit seinen «leisesten» Pianissimi trägt über Massenet zu Verdi zurück. Die Arie der Leonora aus «Il Trovatore», voll des Glücks, die aber zu einem traurigen Ende führt. Die Oper wurde 1853 in Rom aufgeführt und Leonora mit einem dramatischen Sopran besetzt. Das brachte Sonya Yoncheva mit und ließ die Zuhörer erschauern. Sie sang Verdis Ideal «Menschen im Gesang zu komponieren». Die «voce verdiana» verlangt Solisten mit raumgreifender Stimme, der «voce sfogata», und großer dynamischer Bandbreite, der «voce drammatica». Sie singen eine gesanglich-stilistisch differenzierte Partie, die dadurch dramatisch wird.

Zurück zu Massenet «Manon». Die Rolle der Manon ist für einen lyrischen Koloratursopran geschrieben: Koloraturfähigkeit und ein warmes volles Stimmtimbre. Und all das so gegensätzlich Scheinende besitzt Sonya Yoncheva! 1981 als «Weihnachtskind» geboren im bulgarischen Plowdiw, studierte dort Klavier und Gesang, gewann 2010 den «Operalia-Wettbewerb», dem eine steile Karriere an den Opernhäusern der Welt folgte.

2018 gab sie in Baden-Baden einen Verdi-Arienabend, den sie heuer fortsetzt mit einem «gemischten» Programm. Das ist beileibe kein «Potpourri». Es führt durch das 19. Jahrhundert, das zweite Drittel, das nicht als das Ende des Belcantos zu verstehen ist, sondern als dessen stimmästhetische neue Richtung.

Danach ein Solo des Orchesters: Antonín Dvořák (1841 – 1904) die bekannte «Dumka aus den Slawischen Tänzen». Es spielen die Würth Philharmoniker, 2017 von der Würth Musikstiftung gegründet und hat hervorragende Solisten engagiert. Also ähnlich «privat» wie das Baden-Badener Festspielhaus. Bemerkenswert, dass es quasi in der Nachbarschaft ein solches Orchester gibt, das keinen Vergleich mit den anderen «Großen» zu scheuen braucht.

 

Der Dirigent des Abends ist Domingo Hindoyan, in Caracas geboren, Ausbildung und Assistent bei Daniel Barenboim, ab 2022 Chefdirigent der Royal Liverpool Philharmonic. Dazu als wunderschöne Beigabe: Er und Sonya Yoncheva sind ein Ehepaar. Das erklärt auch, dass beide eine Harmonie ausstrahlen, die sie musikalisch gemeinsam atmen lässt.

Es folgt «Jolanthe» von Peter Tschaikowsky, 1892 in St. Petersburg kurz vor seinem Tod aufgeführt. Jolanthes Arioso voll Kummer und Schmerz führt hier zu einem glücklichen Ende.

Als Abschluss vor der Pause noch einmal Antonín Dvořák mit Rusalkas «Lied an den Mond» aus der gleichnamigen Oper. Die Nixe möchte ins Menschenleben fliehen, was ihr nicht gelingt. Die grüne Abendrobe mit hohem Schlitz war hier passend zum Lied, und für den Zuhörer auch des (Zu-) Schauens wert.

Bild Frank Marrenbach

Foto: Andrea Kremper

Es gab eine Pause, das Profane sei zwischen der Kunst erwähnt. Das Festspielhaus hatte unter den erschwerten Umständen alles gut organisiert. Als Zuhörer war man glücklich, große Oper zu hören, auch wenn die gebotene Platzverteilung eine merkwürdige Atmosphäre ergab. Aber die Musik überspielte diese Gefühle. Jetzt kommt der musikalische Schnitt: in den Verismo. «Soziologisch gesehen begann mit dem Verismo die musikalische Massenkunst» (Jürgen Kesting) Also, wie es hieß: Puccini ist der Verdi des kleinen Mannes. Lassen wir es einfach so stehen; denn Musik von Puccini, Mascagni, Leoncavallo, etc. lässt anderes hören und verstehen.

Pietro Mascagni, «Cavalleria rusticana», 1890 mit dem österlichen Intermezzo sinfonica aufgeführt. Dann schloss sich eine Bearbeitung für Gesang an, ein «Ave Maria». Yoncheva singt es innig, lyrisch, mit großen Bögen, zu Herzen gehend. Dazu trägt sie nun passend eine weiße, schwingende Robe und die Haare offen aus dem Knoten gelöst. Das gehört wunderbar zum geforderten gestischen Singen zur «parola scenica».

Das Orchester lässt den «Hexentanz» folgen mit aller Wucht, mit Pauken, dazwischen schönen Flötensoli. Es ist Puccinis Oper «Le Villi», 1884 in Turin aufgeführt, die Beschreibung der Seelen unschuldig verlassener Frauen. Es führt weiter zu den tragischen Sujets der &lauqo;La Bohème» und «Madama Butterfly».

Mimi erfordert den dramatisch-lyrischen Sopran, Cio-Cio-San den dramatischen Koloratursopran. Also das Kunststück, verschiedene Stimmfächer in einer Stimme zu haben: das Schwere trotzdem leicht klingen zu lassen, und die Koloraturen leicht und luftig, wie Adorno sie als «Ballett der Stimme» bezeichnet.

Es war der Abend einer großen Sängerin. Die Zugabe wird erklatscht: Die Habanera aus «Carmen» von Georges Bizet. Gewöhnt ist man an einen Mezzosopran. Aber Bizet hat auch den Charaktersopran (h – c‘‘) zugelassen. Die Tessitura des Soprans liegt von g – c‘‘‘. Also war es für Sonya Yoncheva eine Kleinigkeit, diese Arie sotto- bis mezza voce zu singen und das Schauspielerische ist ihr auch gegeben.

Dann gab es noch einmal die Arie aus «Manon» als Ringschluss zum Anfang. Großer Beifall für alle Künstler. Es war ein gelungener Abend für das Festspielhaus und seine musikbegeisterten Gäste.


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