Aus dem Rathaus Baden-Baden
Arbeit für Baden-Badener Hornissenberater – Hornissennest in Wolfsschlucht umgezogen
Baden-Baden, 13.09.2022, Bericht: Rathaus Es schwirrt und summt. Limo oder Kuchen auf den Gartentisch zu stellen ist aufgrund der ungeladenen schwarz-gelben Gäste im Augenblick nicht immer das wahre Vergnügen.
Doch nicht nur die Wespen haben Konjunktur. Auch die Hornissenvölker wachsen gegenwärtig mächtig an, wobei diese nicht lästig und eigentlich ganz friedlich sind. Sie ernähren sich ausschließlich von Baumsäften, gelegentlich von Fallobst und für die Aufzucht der Brut von einer Vielzahl verschiedener Insekten. Und manchmal kommt es dabei zu schwierigen Situationen, die gleichermaßen für Mensch und Tier aus dem Ruder laufen können. «Hornissen nutzen natürlicherweise Baumhöhlen, aber auch Hohlräume in Dächern oder Rollladenkästen, um ihre Nester zu bauen», erklärt Harry Braunwart, der schon seit mehreren Jahren das Team der städtischen ehrenamtlich tätigen Hornissenberater unterstützt. «Im Regelfall versuchen wir die Tiere da zu belassen, wo sie sind.» Denn das vermeintliche Problem löse sich spätestens im Herbst von alleine. Plötzlich sind sie verschwunden, verlassen das Nest und setzen die Saison im Folgejahr an anderer Stelle fort. «Hornissen kehren nie ins alte Nest zurück. Sie bauen neu.» Doch in ganz seltenen Fällen ist Umsicht und Fachkompetenz gefragt, falls das Zusammenleben mit den Hausbesitzern nicht zumutbar ist, wenn sich beispielsweise die Hornissen im Rollladenkasten eingenistet haben. Wenn alle Stricke reißen, sprich die Versuche scheitern, Sicherheitsmaßnahmen vorzunehmen, kann es in ganz seltenen Fällen notwendig werden, ein Volk umzusiedeln. So ein massiver Eingriff in die Natur will allerdings wohl abgewogen sein und muss minutiös vorbereitet werden, damit weder die Hornissenberater noch die Tiere zu Schaden kommen.
Vor einigen Tagen ging ein besorgter Anruf eines Hausbesitzers in Lichtental ein, der um Rat und Tat der Fachleute bat. Tatsächlich, so bestätigte er, war das Zusammenleben mit den dicken Brummern, die so gar kein Interesse an der menschlichen Nahrung zeigen, bis dahin völlig problemlos. Denn die Gesellschaft der Hornissen hat auch ihre Vorzüge. Sie halten beispielsweise die Wespenpopulation in Schach, da sie damit ihren Nachwuchs ernähren. Doch Ende Juli schien das Volk, das sich irgendwo unter den alten Ziegeln des Daches im Rollladenkasten angesiedelt hatte, zahlenmäßig regelrecht zu explodieren. „Was wir zuletzt bei unseren Besuchen bei Notrufen zu sehen bekamen, liegt bei einer Nestgröße von 150 bis 200 Hornissen. Bei der deutschen Hornisse können es auch bis zirka 600 bis 700 Insekten sein“, erklärt Harry Braunwart.
In Lichtental waren allerlei Versuche unternommen worden, um die beiderseitigen Risiken zu minimieren. Fliegengitter vor den Fenstern schufen etwa nur bedingt Abhilfe. Sobald an den heißen Abenden nur die geringste Lichtquelle im Hausinnern im Einsatz war, suchten sich die nachtaktiven Hornissen einen Weg hinein. Fenster und Türen mussten geschlossen bleiben. Die Terrasse war nicht mehr nutzbar. Damit konnten die menschlichen Bewohner tatsächlich noch gut umgehen. Im August wurde es allerdings heikel. Denn das mächtig angewachsene Nest befand sich in einer Dachgaube des Schlafzimmers. So wurde die Wand zu den menschlichen Wohnräumen irgendwann gefährlich dünn. Braune Flecken bildeten sich an der Decke. «Das sind die Ausscheidungen der Hornissen», verweist Harry Braunwart auf den üblen Geruch, der davon ausgeht. Obendrein waren die Aktivitäten im Nest innerhalb des Zimmers deutlich zu vernehmen. Das Risiko, dass die Wand aus Gipskarton nachgeben könnte, war nicht von der Hand zu weisen.
Nach langem Abwägen wurde entschieden, dass Einschreiten geboten war. Dazu muss das Volk zunächst möglichst vollständig eingefangen werden, was eine beachtliche Aufgabe ist. Ein Spezialsauger kommt dafür zum Einsatz. Alle Ausflieger werden auf diese Weise möglichst sanft von einem Fachmann im Schutzanzug aufgenommen. Eine Aufgabe, die sich durchaus in die Länge ziehen kann. Denn man möchte sicher sein, dass möglichst alle Tiere erwischt werden. Alleine ohne ihr Volk haben sie nämlich keine Überlebenschance. Ist am Ende die Luft rein, werden – wie in diesem Fall – die Ziegel im Umfeld des Nests hochgenommen, der Rollladenkasten wieder zugemacht. Anders als bei frei hängenden Wespennestern vermag man das Heim der Hornissen nicht einfach einzutüten und abzutransportieren. Auch hier sind sehr fragile Vorgänge erforderlich, um den besonders geschützten Tieren nicht zu schaden. Die kunstvolle Außenfassade ihres Nests, die aus einer Art Papier besteht, wird vorsichtig entfernt. Waben werden sichtbar. Diese werden in eine eigens angefertigte Box gesetzt – Königin inklusive. «Sonst nutzt das alles gar nichts.» Und dann geht die Reise los. «Wir suchen zuvor im Wald einen Platz aus, der rund fünf Kilometer vom ursprünglichen Standort entfernt ist.» Sonst sei zu befürchten, dass die Tiere zurückkehren.
Auch die Lichtentäler Hornissen haben einen solchen Platz gefunden und leben nun in der Wolfsschlucht. Nachdem die Spezialbox, die übrigens in erster Linie aus Holz besteht, an einem Baum befestigt wurde, lassen sich durch kurze geübte Handgriffe Volk und Waben wieder vereinen. Kurz darauf kann die Jagd und die Versorgung des Nachwuchses wieder aufs Neue beginnen. Am alten Standort zeichnete sich jedoch schon wenige Tage später ab, dass ohne die aktive Hilfe der Hornissen die Wespenpopulation wieder überhandnimmt.
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