Aus dem Rathaus Gernsbach

Gernsbacher Kampf gegen Autoplage – Schon 1922 Maßnahmen gegen Vergnügungsfahrten

Gernsbacher Kampf gegen Autoplage – Schon 1922 Maßnahmen gegen Vergnügungsfahrten
Gernsbach in einer Luftaufnahme um 1920. Die Stadt ächzte in dieser Zeit unter einer „Kraftfahrzeugplage“. Foto: Stadtarchiv Gernsbach

Gernsbach, 20.05.2020, Bericht: Redaktion Ein Blick in das Gernsbacher Stadtarchiv bringt erstaunliches zu Tage. Schon 1922 stellten die Verantwortlichen im Rathaus eine «Kraftfahrzeugplage» fest.

Gegenmaßnahmen richteten sich gegen Vergnügungsmaßnamen.

Die Mitteilung aus dem Gernsbacher Rathaus im Wortlaut:

Seit 1922 bestand im damaligen Land Baden die Möglichkeit, Durchgangsstraßen an Sonn- und Feiertagen für Kraftfahrzeuge zu sperren, sofern dort „ein nicht unerheblicher Fußgängerverkehr“ herrschte. Zu den größten Verfechtern dieser Maßnahme zählte die Stadt Gernsbach unter ihrem Bürgermeister Georg Menges.

Die Sperrung einzelner Straßen mit dem Ziel der Einschränkung von bloßen «Vergnügungsfahrten» oblag den Bezirksämtern, den Vorgängern der heutigen Landkreise. Sollte das Verbot 1923 zunächst nur für die Murgtalstraße von Rastatt bis zur württembergischen Landesgrenze gelten, erreichte Gernsbach durch wiederholte hartnäckige Eingaben, dass in den Sommermonaten auch die Straße von der Landesgrenze bei Loffenau bis Baden-Baden und die Straße von Gernsbach in die Kurstadt über Schloss Eberstein an Sonn- und Feiertagen autofrei blieben.

Menges sprach von einer «Kraftfahrzeugplage», die eine Begehung dieser Straßen «gesundheits- und lebensgefährlich» machten. Dabei hatte er insbesondere die damals noch sehr enge Waldbachstraße im Blick. Es sei ein Wunder zu nennen, dass bislang noch kein größeres Unglück vorgekommen sei.

Im Jahr der Hyperinflation 1923 trafen die Straßensperrungen parteiübergreifend im Landtag auf große Zustimmung, weil die Masse der Bevölkerung nicht wusste, woher sie die Mittel zur Fristung des Lebens nehmen sollte, während andere sich das kostspielige Vergnügen des Autofahrens leisten konnten. 1924 allerdings drehte sich der Wind. Nach der Währungsstabilisierung rückte die Wiederbelebung der Wirtschaft und damit auch des Fremdenverkehrs in den Fokus.

Die Stadt Gernsbach aber kämpfte weiter für die Beibehaltung der Sperrungen. Als Beleg für deren «unbedingte Lebensnotwendigkeit» diente ihr der Ostersonntag 1924, als mehr als tausend Autos die Murgbrücke passierten. «Die ganze Stadt, hauptsächlich diejenigen Straßenzüge, die an nicht gepflasterten Straßen liegen, war in eine Staubwolke eingehüllt. (…) Ein Fußgängerverkehr kann sich überhaupt nicht mehr entfalten.» Am Treffpunkt mehrerer landschaftlich hervorragender Gebirgsstraßen gelegen, sei Gernsbach wie vielleicht kein zweiter Ort in Baden von einer «furchtbaren Plage» betroffen.

Doch anders als im Vorjahr blieb das Drängen diesmal erfolglos. Das Bezirksamt erteilte stattdessen den Rat, dass sich die Staubentwicklung durch das Besprengen der Straßen mit Wasser «beträchtlich mindern» lasse.


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