Haushalt Landkreis Rastatt

Rastatter Kreisrat Balle meldet sich erneut zu Wort – „Leuchtturmprojekt geht im Münchfeldsee baden“

Rastatter Kreisrat Balle meldet sich erneut zu Wort – „Leuchtturmprojekt geht im Münchfeldsee baden“
Foto: Archiv

Rastatt, 15.02.2023, Bericht: Redaktion Mit einer Stellungnahme zum aktuellen Haushalt des Landkreises Rastatt bei der Kreistagssitzung von gestern reagiert der Rastatter Kreisrat Dieter Balle.

Zunächst geht Dieter Balle auf die Weltlage ein. Die politische Großwetterlage sei düster, schreibt der Kreisrat. «Der Krieg in der Ukraine fordert täglich Todesopfer und unsägliches Leid. Die Bellizisten aller Seiten haben jedoch Oberwasser, der militärisch-industrielle Komplex feiert mit Champagner. Die Atomkriegsgefahr in Europa wächst.» Er empfiehlt ein «Gegensteuern in düsteren Zeiten». In seiner Erklärung führt er seine Sicht aus zu den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Lebensbedingungen in Deutschland.

Erneut nimmt der Kreisrat von Die Linke zum Thema Zentralklinikum Stellung, aber auch zu den anderen vordringlichen Themen des Landkreises Rastatt. Neben dem Thema Klinikneubau nennt er die Herausforderungen bei der Bewältigung der Flüchtlingsaufnahme, ÖPNV, Klimaschutz, Energiewende und Armutsfalle.

Die Erklärung von Kreisrat Dieter Balle, Die Linke, im Wortlaut:

Unsere Aufgabe ist es demgegenüber, besonnen zu bleiben und trotz alledem für einen Waffenstillstand, ein möglichst baldiges Ende des Krieges und für Diplomatie einzutreten und nicht die Eskalationsspirale mit immer stärkeren, tödlicheren und kostspieligeren Waffensystemen anzuheizen, die im großen europäischen Krieg zu enden droht.

Die immensen Mittel des 100-Milliarden-Aufrüstungsprogramms der Bundeswehr – oder sind es am Ende gar 300 Milliarden? – werden dringend für ein Konversionsprogramm zur Verhinderung der Klimakatastrophe und die ökologisch-soziale Transformation gebraucht. Für einen Bruchteil der Sonderausgaben für diese gigantische Aufrüstung könnte man den ÖPNV in ganz Deutschland kostenfrei machen. Stattdessen militaristische Hybris allerorten, Friedensappelle und ihre Vertreter*innen sind für den Mainstream die 5.Kolonne Moskaus. Kaum ein Funke Vernunft – fast nirgends – weder in den Medien noch in der Politik.

 

Auch und gerade auf der untersten, auf kommunaler Ebene schlägt die verfehlte Politik durch. Der Wirtschafts-, Sanktions- und Propagandakrieg gegen Russland sorgt bei uns selbst für Hyperinflation und Energiepreise, die Geringverdiener*innen kaum bezahlen können und immer mehr in die Armut treiben. Das Gespenst der Deindustrialisierung Deutschlands geht um.

Dazu kommen eine Menge hausgemachter Probleme hier vor Ort. Das Gezerre und Gewürge um die Zukunft des KMB hat gezeigt: Der Weg zu einem Zentralklinikum für ganz Mittelbaden ist ein Holzweg. Das Leuchtturmprojekt geht im Münchfeeldsee baden.

Wir Linke sagen deshalb nach wie vor: Die Sicherstellung der wohnortnahen Akut-Versorgung kann am ehesten durch ein gut aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel der bestehenden drei Akut-Kliniken sichergestellt werden. Ein Großteil der Bevölkerung in Baden-Baden und Rastatt sieht das offensichtlich auch so. Der Bürgerentscheid im Münchfeld ist nur eine Konsequenz einer verfehlten Planung, die die Bevölkerung nicht mitgenommen hat, sondern auf halbgare, mit heißer Nadel gestrickte Gefälligkeitsgutachten gesetzt hat, die nach kürzester Zeit schon wie aus der Zeit gefallen erscheinen.

Allein schon aus Gründen des Klimaschutzes verbietet es sich, die bestehenden, gut funktionierenden Kliniken aufzugeben und im schlimmsten Fall abzureißen, um einen klimaschädlichen Zentralneubau hinzustellen, der angesichts der jetzigen Entwicklung der Baupreise zu einem gigantischen Milliardengrab mutieren wird, das ernsthaft niemand bezahlen kann und will. Was wir brauchen, ist eine überfällige Reform der Krankenhausfinanzierung, die Vorhaltung auch in kleineren Klinken angemessen honoriert und wegkommt von der kapitalistischen Ökonomisierung des Gesundheitswesens mit seinen verheerenden Fallpauschalen, wo der Profit am kranken Menschen im Vordergrund steht. Wie krank ist das denn?

Außerdem: Die großen Versprechungen von Seiten des Landes, was die Bezuschussung eines Neubaus angeht, sind offensichtlich wenig wert angesichts der Tatsache, dass bereits jetzt die gesetzlichen Vorgaben in Sachen Krankenhausfinanzierung nicht eingehalten werden, wie Landrat Dr. Dusch zu Recht beklagt. Sich auf einen megateuren Neubau zu versteifen, ist Harakiri, zumal unterm Strich fast ein Viertel der Betten in Mittelbaden wegfallen soll - bei zunehmendem Bedarf einer älter werdenden Gesellschaft.

Renovierung, Modernisierung und Ausbau des Bestehenden ist für uns die einzig sinnvolle Alternative, gerade auch angesichts der drängenden anderen Aufgaben, in denen der Landkreis gefordert ist, als da sind: ÖPNV, Klimaschutz, Energiewende, aber auch steigende Bedarfe im Sozialbereich. «Warnung vor einer Armutswelle» oder «Kinder im Südwesten im Teufelskreis der Armut6raquo; sind zwei Schlagzeilen des Badischen Tagblatts in den letzten Wochen, die die Lage verdeutlichen. Der Sozialetat verschlingt mehr als ein Drittel des Kreis-Gesamthaushalts. Immer mehr Bürger*innen tappen in die Armutsfalle. Auch hier muss vom Landkreis gegengesteuert werden. Schon seit Jahren fordern wir einen Sozial- und Mobilitätspass für Geringverdiener*innen, zu denen mittlerweile auch immer breitere Kreise der Mittelschicht gezählt werden müssen.

Die Landkreisverwaltung und die Kommunen arbeiten hart, um eine menschenwürdige Unterbringung von geflüchteten Menschen sicherzustellen. Die Infrastruktur ist nahezu ausgereizt und alle Beteiligten kommen langsam an ihre Grenzen. Was uns zudem Sorge macht, ist die Tendenz in der Bundes- und Landespolitik, zwei Klassen von Flüchtlingen zu schaffen: die einen, vorzugsweise aus der Ukraine stammenden, mit privilegiertem Status einerseits und dem Rest aus aller Welt andererseits. Flüchtlinge sind in jedem Falle gleich schutzbedürftig und schützenswert und sollten auch so behandelt werden. Es darf keine Spaltung in Flüchtende erster und zweiter Klasse geben.

Dass die zunehmenden Zuwandererzahlen die Wohnungsmisere verschärfen, muss auch für den Landkreis Anlass sein, im Sozialwohnungsbau durch zusätzliche Förderprogramme für Entlastung zu sorgen.

Eine Altlast besonderer Art ist die Kreisdeponie Hintere Dollert. Die gegenwärtige Untersuchung des Ist-Zustandes, sprich des Gefährdungspotentials, verläuft nicht auftragsgemäß konsequent und die ersten Ergebnisse sind nicht nur für die Bürgerinitiative «verharmlosend». Eine umfassende, alle Gefahren für Mensch und Umwelt in den Blick nehmende Bestandserfassung sieht sicher anders aus. Die Stilllegungsanzeige für die Zentraldeponie kann nur der erste Schritt sein. Auch die Übergangsdeponien müssen nach erfolgter Sanierung stillgelegt werden. Auch sie «haben fertig».

Landrat Dr. Dusch möchte den Fokus in diesem Jahr noch stärker auf den Klimaschutz und Nachhaltigkeit richten. Das ist lobenswert. Dazu gehört für uns als ersten Schritt der Umbau aller landkreiseigenen Gebäude auf Klimaneutralität, um mit gutem Beispiel voranzugehen. Außerdem gibt es gerade im Verkehrsbereich massive Defizite im Hinblick auf die viel beschworene Verkehrswende. Wie der Landrat beklagen auch wir die «knappen Ressourcen im Schienenverkehr». Der Ausbau des Schienenverkehrs ist überfällig, um die CO2-Reduktionsziele im Verkehrsbereich zu erreichen. In unserem Raum gehört dazu neben dem aufs Gleis gesetzten Ausbau der Murgtalbahn vor allem das 3. und 4. Gleis zwischen Karlsruhe Hbf und Forchheim-Basheide, was wir seit Jahren anmahnen, sowie die Verlängerung der Stadtbahnlinie S2 von Rheinstetten Mörsch nach Durmersheim Bf. Dem Schienenbau muss vor dem Straßenbau endlich Priorität eingeräumt werden, sowohl in Bund und Land als auch in der Region. Und Verkehrsberuhigung in Sachen MIV innerorts muss genauso Teil der Mobilitätswende sein, d.h. Tempo 30 flächendeckend.

Fazit: Ein ökologisch und sozial ausgerichteter Haushalt muss unsere Zielmarke sein. In diesem Haushalt finden wir erste zarte Pflänzchen, die in diese Richtung deuten. Aber mehr ÖPNV und gleichzeitig mehr Straßenbau geht nicht. Beschleunigung im Autobahn- und Kreisstraßenbau ist genau die verkehrte Strategie, um die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder auf diesem Planeten zu retten. Leider haben einige auch hier noch nicht erkannt, dass die auf fossiler Energieerzeugung und dem Motorisierten Individualverkehr (MIV) basierende Gesellschaft in eine Sackgasse führt, aus der wir schleunigst heraus müssen. Auch in Mittelbaden gibt es nur eine Lösung: Umsteuern in Richtung ökosoziale Transformation. Taten statt wohlklingender Worte sind gefragt. Auch im politischen Handeln des Landkreises.


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