Aus dem Rathaus Rastatt

Vokabular wie aus dem Mittelalter – „Bauchgurte, Sitzhosen, Stecktische“ – Umgang mit pflegebedürftige Menschen soll humaner werden

Rastatt, 05.07.2019, Bericht: Rathaus «Bettseitenteile, Bauchgurte, Sitzhosen, Stecktische» – all das soll in den stationären Pflegeeinrichtungen im Landkreis Rastatt bald weitestgehend der Vergangenheit angehören.

Was früher gängige Instrumente waren, um Bewohner mit Weglauftendenz oder Verwirrtheit am Verlassen von Bett oder Zimmer zu hindern, wurde in den letzten Jahren mehr und mehr hinterfragt und hat zu einem Paradigmenwechsel in der Pflege geführt.

«Die mediale Auseinandersetzung und die öffentliche Diskussion über Freiheitsrechte von Heimbewohnern haben diese Entwicklung deutlich befördert und besonders die Kehrseite der Medaille in den Fokus gerückt», resümiert Vera Unser, die Sachgebietsleiterin Heimaufsicht im Landratsamt.

Freiheitsentziehende Maßnahmen fördern den Muskelabbau, erhöhen das Sturzrisiko und führen zu Depressionen oder anderen schwerwiegenden medizinischen Komplikationen, die die Lebensqualität und den Allgemeinzustand von Heimbewohnern drastisch verschlechtern, wie bundesweite wissenschaftliche Studien zur Pflegesituation stationär untergebrachter Heimbewohner belegen.

Aufgrund dieser Erkenntnisse plant die Heimaufsichtsbehörde zusammen mit der Betreuungsbehörde eine großangelegte «ReduFix-Initiative», die am 15. Juli mit einer Auftaktveranstaltung für Pflegekräfte, Leitungspersonal, Amtsrichter und gesetzliche Betreuer starten soll. Einer der Impulsgeber ist dabei Professor Dr. Thomas Klie, Leiter der Forschungsinstitute «Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung» und «AGP Sozialforschung» an der Evangelischen Hochschule in Freiburg. Bei der Veranstaltung werden auch die rechtlichen Rahmenbedingungen zum Einsatz von freiheitsentziehenden und -einschränkenden Maßnahmen beleuchtet, Alternativen aufgezeigt und regionale Kooperationen vorgestellt.

«Wir freuen uns auf einen regen fachlichen Austausch und sind sicher, dass diese neuen Impulse in unseren stationären Einrichtungen Einzug finden und bei weiteren hausinternen Schulungen vertieft werden», so Jürgen Ernst und Sébastien Oser, die zuständigen Amtsleiter der Betreuungs- und Heimaufsichtsbehörden in der Landkreisverwaltung.

Mit Blick auf die erfolgreiche Initiative in Baden-Baden, wo die Anzahl der freiheitsentziehenden Maßnahmen von 124 auf 3 reduziert werden konnten, wünschen sich beide auch für den Landkreis Rastatt eine ähnliche positive Entwicklung und damit eine deutliche Verbesserung der Pflege - und Betreuungsqualität für die Heimbewohner.


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