Schach-Bundesliga

Schach-Sommermärchen in Baden-Baden – Deutscher Meister pünktlich zum 100. Vereinsjubiläum

Schach-Sommermärchen in Baden-Baden – Deutscher Meister pünktlich zum 100. Vereinsjubiläum
Die OSG ist deutscher Schach-Meister 2022. Foto: OSG

Baden-Baden, 12.07.2022, Bericht: Walter Siemon Das Sommermärchen ist Realität, besser geht es nicht.

Nahezu pünktlich zum hundertjährigen Vereinsjubiläum, das noch diesen Monat gefeiert wird, hat sich die OSG Baden-Baden selbst und ihren Anhängern ein besonderes Geschenk gemacht und dem Sportleben Baden-Badens einen kräftigen Akzent verliehen. Wieder die stärksten Schachteams Deutschlands zu stellen, man könnte auch sagen: die Kurstadt zu so etwas wie die Schachhauptstadt Deutschlands zu machen.

Das Jahr 2022 – eine bemerkenswerte Saison mit drei Titelgewinnen für den Verein an der Oos: Deutscher Meister der Frauenbundesliga Schach, Sieger der zweiten Bundesliga Schach, Gruppe Süd und, seit letztem Wochenende, Sieger der Schachbundesliga, deutscher Meister also, und das zum sechzehnten Mal.

An sportlicher Spannung und Dramatik war die GRENKE Endrunde der Schachbundesliga in den VIP-Räumen des Bremer Weserstadions nicht mehr zu überbieten. Alles lief in der Vorschlussrunde auf die direkte Begegnung OSG-Baden-Baden gegen den nach Mannschaftspunkten gleichstehenden, aber nach Brettpunkten haushoch führenden SC Viernheim an der Tabellenspitze hinaus. Baden-Baden hatte den Druck, gewinnen zu müssen, um eine realistische Chance auf die Titelverteidigung zu haben. Schon bei einem Unentschieden wäre man auf die Schützenhilfe von Deizisau in der letzten Runde angewiesen gewesen. Viernheim, auf der anderen Seite, hatte sich den Druck auferlegt, unbedingt die günstige Ausgangsposition zu nutzen, um endlich einmal die Chance auf den lange ersehnten Titelgewinn Realität werden zu lassen. Beide Mannschaften hatten in der Runde zuvor die stärksten Mitbewerber besiegt, die noch Spielverderber hätten sein können. Die OSG-Baden-Baden gewann 5:3 gegen die Schachfreunde Deizisau, Viernheim räumte mit demselben Ergebnis die SG Solingen aus dem Weg, die selber rechnerisch noch Meisterschaftschancen besaß.

 

Und wie verlief der Showdown? Vier, fünf Stunden lang sprach alles für Viernheim – so zeigten es Schachprogramme, die die Stellungen bewerten können. Arkadij Naiditsch schien am achten und letzten Brett der OSG auf Verlust zu stehen, an keinem anderen Brett schien ein Sieg möglich, es drohte die Baden-Badener Niederlage und damit das Aus im Titelkampf. Die für die OSG am ersten und dritten Brett gestarteten Großmeister Fabiano Caruana und Maxime Vachier-Lagrave, die ihre Partien jeweils mit remis beendet hatten, trösteten ahnungsvoll die bangenden OSG-Funktionäre, Mannschaftsführer Sven Noppes und ersten Vorsitzenden Patrick Bittner: «Schaut nicht so viel in die Rechner; da ist noch was drin.» Und wer, wie der Chronist dieser Zeilen, zwischendurch nur sporadisch die Gelegenheit hatte, in die Liveübertragung der Partien im Internet hineinzuschauen, traute am Ende seinen Augen nicht: Arkadij Naiditsch hatte die Partie so gedreht, dass am Ende sein Gegner, Denis Wagner, froh war, sich ins Unentschieden gerettet zu haben, Richard Rapport und Francisco Vallejo Pons an den Brettern zwei und vier hatten in unendlicher Geduld und Hartnäckigkeit nach sechs Stunden ihre «ungewinnbaren» Partien doch noch gewonnen, Richard Rapport gegen den maßlos enttäuschten Viernheimer Großmeister Yuriy Kryvoruchko aus der Ukraine, Francisco Vallejo Pons gegen seinen spanischen Landsmann und persönlichen Freund, Großmeister Anton Guijar.

Naiditsch hatte sich In ähnlicher Situation übrigens schon einmal bewährt, im Finale gegen Viernheim 2020, als es zum Schluss an seinem Brett hing, ob sich Baden-Baden würde durchsetzen können. Er siegte damals in einer für die Zuschauer nervenzerfetzend komplizierten Gewinnführung.

In der Schlussrunde schaffte die OSG Baden-Baden ein überraschend klares 5,5:2,5 gegen den früheren Rekordmeister SG Solingen, den Schachfreunden Deizisau gelang die nicht mehr benötigte «Schützenhilfe» mit einem 4:4 gegen den SC Viernheim, dessen Energie offenbar aufgebraucht war.

OSG-Vorsitzender Patrick Bittner betonte angesichts des unbändigen Siegeswillens der Mannschaft mit Stolz, dass das in dieser oder ähnlicher Besetzung seit vielen Jahren bewährte OSG-Team mit seinem leidenschaftlichen Einsatz wieder einmal eindrucksvoll bewiesen habe, wie es sich mit dem Verein identifiziert. «Das sind OSGler», wie sich Bittner ausdrückte, die sich, mit großem persönlichen Engagement für den Baden-Badener Verein einsetzten, die kämpften und sich über die Erfolge freuten. Dies zeige sich auch im persönlichen Auftreten, wenn sich etwa Caruana, unkompliziert zugänglich, mit Menschen aus dem Publikum unterhalte, auch mit Kindern, die er bereitwillig «Selfies» mit sich zusammen machen lasse.

Mannschaftsführer Sven Noppes sprach von den enormen organisatorischen Schwierigkeiten, die sich während der Corona-Pandemie ergeben hätten, immer wieder alle Akteure an die Bretter zu bekommen. Sie dann um jeden Sieg ringen zu sehen zeige, dass auch der sechzehnte Titelgewinn keinesfalls als gewohnheitsmäßige Selbstverständlichkeit angesehen werden könne, sondern auf jeder Ebene hart erkämpft werden musste. An einem solchen Team wolle man, solange es geht, festhalten.

Am Baden-Badener Erfolg in den letzten 5 Runden in Bremen beteiligt waren die Großmeister Fabiano Caruana, Richard Rapport Maxime Vachier-Lagrave, Francisco Vallejo Pons, Alexej Shirov, Michael Adams, Radoslaw Wojtaszek, Rustam Kasimdzhanov, Arkadij Naiditsch, Etienne Bacrot, Georg Meier und Sergei Movsesian.

Fabiano Caruana und Richard Rapport kamen übrigens frisch vom Kandidatentrnier zur Ermittlung des Herausforderers von Weltmeister Carlsen. Zwei Spieler unter den besten acht, die sich dafür qualifiziert hatten, in der OSG-Mannschaft – das gab es noch nie.


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