Bundesweiter Aktionstag

„29 Prozent der Klinken von einer Insolvenz bedroht“ – 67,4 Prozent aller Betten in Baden-Württemberg in öffentlicher Hand

„29 Prozent der Klinken von einer Insolvenz bedroht“ – 67,4 Prozent aller Betten in Baden-Württemberg in öffentlicher Hand
Foto: Archiv

Baden-Baden, 21.06.2023, Bericht: Redaktion Auf die dramatische wirtschaftliche Situation der Kliniken in Deutschland machte gestern ein bundesweiter Aktionstag aufmerksam. In Baden-Württemberg schlossen sich BWKG, Marburger Bund und ver.di zu einem Bündnis zusammengeschlossen und fordern schnelle Hilfen.

Für die derzeitige Diskussion um den Standort einer neuen Zentralklinik in Baden-Baden und Rastatt ist die Diskussion um das Geld noch gar nicht geführt. Gerade hatte der Baden-Badener FBB-Fraktionschef Martin Ernst kritisiert, dass das Projekt einer neuen Klinik für Baden-Baden und den Landkreis Rastatt von Verantwortlichen geplant werde, die von der Sache gar nichts verstehen würden.

ZUM THEMA

“Baden-Badener

Baden-Badener FBB-Fraktionschef Ernst zum Klinik-Projekt – „Es wird über eine Größenordnung von einer Milliarde entschieden von Leuten, die davon nichts verstehen“

«Wie ernst die finanzielle Situation der Krankenhäuser im Land ist, hat der Krankenhaus Rating Report erst in der vergangenen Woche erneut deutlich gemacht. Danach sind 29 Prozent der baden-württembergischen Krankenhäuser von einer Insolvenz bedroht», erinnert der Vorstandsvorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft, BWKG, Heiner Scheffold. Dass so viele Krankenhäuser von Insolvenz bedroht sind, sei eine direkte Folge der jahrelangen Sparpolitik auf dem Rücken der Krankenhäuser. «Die Einnahmen steigen durchschnittlich, die Kosten weit überdurchschnittlich. Dass sich das nicht rechnen kann, ist schlicht logisch», so Heiner Scheffold weiter. Denn die überdurchschnittlich hohen Personalkosten im Land würden nach wie vor genauso wenig finanziert wie das nachhaltig gestiegene Preisniveau. Auch die vollständige Finanzierung der Investitionskosten lasse weiter auf sich warten. «Wenn nichts passiert, werden den Krankenhäusern im Land im Jahr 2023 mindestens 620 Millionen Euro fehlen. Die Bundesregierung muss hier schnell handeln und die finanzielle Situation der Krankenhäuser durch ein Vorschaltgesetz schnell stabilisieren. Auf jeden Fall noch vor der geplanten Krankenhausreform.» Ohne vorherige Stabilisierung der Krankenhausfinanzen mache die geplante Reform keinen Sinn.

 

«Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Krankenhäusern stellen an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr die Versorgung der Patientinnen und Patienten sicher. Doch ihre Arbeit beschreiben viele Ärztinnen und Ärzte so: Steigende Arbeitsbelastung, unzureichende Personalausstattung, Dokumentationswahn, kaum Zeit für Gespräche und fehlende Wertschätzung für die ärztliche Arbeit», so Sylvia Ottmüller, die 1. Landesvorsitzende des Marburger Bundes Baden-Württemberg. Gerade in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels müssten die Krankenhäuser ihrem hochqualifizierten Personal aber konkurrenzfähige Arbeitsbedingungen bieten können. Dazu gehörten auch gute Gehälter, deren Finanzierung von der Politik in vollem Umfang sichergestellt werden müsse. «Ganz entscheidend für gute Arbeitsbedingungen ist aber auch, dass die Bürokratie auf ein erträgliches Maß reduziert wird. Bislang hat sich hier nichts bewegt und hier geht wertvolle Arbeitszeit zur Versorgung der Patientinnen und Patienten verloren», macht Sylvia Ottmüller deutlich und verweist auf eine Umfrage des Marburger Bundes Baden-Württemberg unter seinen Mitgliedern im Südwesten. Demnach seien fast 60 Prozent der Ärztinnen und Ärzte im Durchschnitt pro Arbeitstag bis zu 30 Prozent mit nicht-ärztlichen Verwaltungstätigkeiten beschäftigt.

ZUM THEMA

“Heute

Heute Infostände bei Klinik in Balg – Klinikum Mittelbaden beteiligt sich am bundesweiten Aktionstag „Alarmstufe Rot – Krankenhäuser in Not“

«Dass die Krankenhäuser in Baden-Württemberg im Vergleich hohe Personalkosten haben, kommt nicht von ungefähr», erklärt Irene Gölz, Landesfachbereichsleiterin Gesundheit des ver.di-Landesbezirks Baden-Württemberg. «34,6 Prozent der Krankenhäuser mit 67,4 Prozent aller Betten sind in Baden-Württemberg in öffentlicher Hand und damit an Tarife wie den TVöD oder den TV-UK gebunden. Das ist gut so. 21,5 Prozent der Krankenhäuser mit 18,2 Prozent der Betten sind in freigemeinnütziger Trägerschaft und bezahlen auf TVöD-Niveau. In den letzten Jahren haben wir es geschafft, dass sich auch die privaten Klinikkonzerne diesem Niveau annähern. Damit bezahlen fast alle Krankenhäuser im Land nach einem Tarif. Diese ordentliche Tarifbindung darf aber kein Nachteil sein und muss zwingend refinanziert werden», so Irene Gölz. Weitere Tarifsteigerungen dürften nicht über Personalabbau oder Leistungsausweitung refinanziert werden müssen. Noch mehr Belastung beim Personal sei nicht akzeptabel. «Was die Beschäftigten brauchen, ist weniger Arbeitsverdichtung und mehr Kolleginnen und Kollegen. Dazu gehört die rasche Einführung bedarfsgerechter Personalvorgaben mit der von ver.di, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Deutschen Pflegerat entwickelten PPR 2.0 für die Pflege im Krankenhaus», macht Irene Gölz deutlich. Außerdem müsse das Land seiner Verpflichtung zur Finanzierung der notwendigen Krankenhausinvestitionen vollständig nachkommen. Versichertenbeiträge, die für die Krankenversorgung und das Personal gedacht seien, dürften nicht länger für Investitionen in Gebäude und Geräte zweckentfremdet werden.




Zurück zur Startseite und zu den weiteren aktuellen Meldungen.