Gastkommentar
KI-Journalismus – Fortschritt oder Gefahr für die Glaubwürdigkeit? – Gastkommentar von Thomas Bippes

Baden-Baden, 20.03.2025, Bericht: Redaktion In unregelmäßigen Abständen veröffentlicht goodnews4.de Beiträge von Gastkommentatoren. Zum engeren Kreis gehören der Baden-Badener Bestsellerautor Franz Alt und Thomas Bippes, der sich insbesondere den Themen der Digitalisierung, IT und Künstlichen Intelligenz zuwendet.
Thomas Bippes ist Professor für Medien, Kommunikation und Online Marketing an der SRH-Fernhochschule - The Mobile University. Dort leitet er die Studiengänge Kommunikation und Medienmanagement B.A., Kommunikation und Content Creation B.A. sowie Online Marketing B.A.. Thomas Bippes ist Gesellschafter der Online Marketing Agentur PrimSEO in Baden-Baden.
Kommentar: Thomas Bippes Als die italienische Tageszeitung Il Foglio gerade verkündete, eine vollständige Ausgabe allein von Künstlicher Intelligenz (KI) schreiben zu lassen, sorgte das für Aufsehen. Das Experiment ist zunächst auf einen Monat befristet. Was vor wenigen Jahren noch wie eine Spielerei erschien, wird nun Realität: KI-Systeme setzen auf Themen, generieren Artikel, schreiben Überschriften und werten Zitate aus.
Il Foglio will mit seinem Experiment die Technologie in die Praxis überführen. Doch was bedeutet das für den Journalismus?
Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel
Journalismus basiert auf Vertrauen. Leserinnen und Leser erwarten nicht nur Fakten, sondern auch journalistische Kompetenz, kritische Einordnung und verantwortungsbewusstes Erzählen. Doch genau hier liegt die Krux: KI-Systeme bedienen sich bestehender Inhalte und erstellen daraus neue Texte. Sie analysieren riesige Mengen an Daten, erkennen Muster und setzen sie zusammen – Buchstabe für Buchstabe. Was dabei jedoch oft fehlt, ist das journalistische Gespür, das kritische Hinterfragen, die emotionale Tiefe – kurz: die Seele eines Textes.
Eine aktuelle Studie zeigt, dass der Einsatz von KI im Journalismus die Zahlungsbereitschaft der Leserinnen und Leser deutlich senkt. Menschen scheinen zwar neugierig auf technologische Innovationen zu sein, aber wenn es darum geht, dafür zu zahlen, bleibt das Bedürfnis nach echtem Handwerk von Menschen aus Fleisch und Blut ungebrochen. Auch die Glaubwürdigkeit leidet: Drei von vier Deutschen blicken skeptisch auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Journalismus. Sie befürchten, dass die Technik das Vertrauen in Nachrichten und Medieninhalte untergräbt. Das zeigt die aktuelle Studie «Transparenz-Check» zur Wahrnehmung von KI-Journalismus der Landesmedienanstalten.
KI als Werkzeug, nicht als Ersatz
Es gibt sinnvolle Einsatzgebiete für KI im Journalismus: Sie kann bei der Datenauswertung helfen, automatisierte Berichte zu Sportergebnissen oder Börsenentwicklungen liefern oder Redaktionen entlasten, indem sie erste Textentwürfe erstellt, mit denen Journalisten arbeiten können. Doch dort, wo journalistisches Fingerspitzengefühl, investigativer Spürsinn oder das Verständnis für gesellschaftliche Stimmungen gefragt sind, stößt KI an ihre Grenzen.
Ein Interview ist nicht nur die Summe seiner Fragen und Antworten – es lebt von der Interaktion zwischen den Beteiligten, von spontanen Reaktionen, von Nachfragen, die aus der Situation heraus entstehen. Eine Reportage entfaltet ihre Wirkung durch Atmosphäre, Stimmungen und subjektive Eindrücke, die kein Algorithmus wirklich nachempfinden kann. Und selbst ein Meinungsbeitrag wie dieser gewinnt seine Kraft durch persönliche Erfahrung, Überzeugung und Argumentation – nicht durch die statistische Analyse und Neu-Kreation vorheriger Texte.
Qualität braucht Handwerk
Das Experiment von Il Foglio mag eine interessante Spielerei sein, aber es bleibt ein Experiment. Wer will, dass Journalismus lebendig bleibt, sollte KI als Werkzeug begreifen, nicht als Ersatz. Kein Mensch weiß, wie sich KI, ihre Qualität und ihre Akzeptanz entwickelt. Aber heute muss festgestellt werden, dass echte journalistische Qualität durch Menschen entsteht – durch ihre Perspektiven, ihre Erfahrung und Persönlichkeit und ihr Bewusstsein für Verantwortung. Wer langfristig Vertrauen in journalistische Inhalte erhalten will, sollte das nicht aus den Augen verlieren.
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