Konjunktur-Umfrage

Konjunktur-Umfrage Baden-Württemberg – Industrie Treiber der Erholung – Negativer Beschäftigungstrend in allen Branchen

Konjunktur-Umfrage Baden-Württemberg – Industrie Treiber der Erholung – Negativer Beschäftigungstrend in allen Branchen
Viele Geschäfte werden nach dem Lockdown nicht mehr öffnen, so ein Ergebnis der Konjunktur-Umfrage des BWIHK. Foto: Archiv

Stuttgart, 03.02.2021, Bericht: Redaktion Der Lockdown sorgt in der baden-württembergischen Wirtschaft für ein sehr unterschiedliches Bild in den einzelnen Branchen. Das ist das Ergebnis der aktuellen Konjunktur-Umfrage des baden-württembergischen Industrie- und Handelskammertages, BWIHK.

An der Umfrage haben sich nach Angaben des BWIHK 3.839 Unternehmen aller Branchen und Betriebsgrößen im Südwesten beteiligt.

Die Mitteilung des BWIHK im Wortlaut:

Der Lockdown sorgt in der baden-württembergischen Wirtschaft für ein sehr unterschiedliches Bild in den einzelnen Branchen. Während viele Industriebereiche mit ihrem Exportgeschäft Treiber einer immer stabileren Erholung sind, haben sich die Perspektiven vor allem in Einzelhandel, Gastronomie, Tourismus und im Veranstaltungs- und Messegeschäft dramatisch verschlechtert, berichtet die BWIHK. Die Bauwirtschaft steht aktuell hervorragend da, verzeichnet aber außer im Wohnungsbau ein rückläufiges Auftragsvolumen. Bei den Dienstleistern profitieren die industrienahen Anbieter vom Branchenaufschwung, auch Informations- und Telekommunikationstechnik sind sehr gefragt. Einige dieser unterschiedlichen Trends dürften sich in den nächsten Jahren fortsetzen. Rund 17 Prozent der Betriebe berichten von Geschäften auf Vorkrisenniveau, acht Prozent rechnen mit Erholung im 1. Halbjahr 2021, 28 Prozent im 2. Halbjahr 2021, 22 Prozent im Jahr 2022 und sieben Prozent erst später. Das zeigt die aktuelle Konjunktur-Umfrage des baden-württembergischen Industrie- und Handelskammertages (BWIHK), an der sich 3.839 Unternehmen aller Branchen und Betriebsgrößen im Südwesten beteiligt haben.

Kurzarbeit sichert Jobs

«Daher werden Investitionspläne verschoben und der Personalbedarf zunächst mal nach unten korrigiert», erläutert Bernd Engelhardt, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Region Stuttgart, der beim BWIHK für die Themen Konjunktur und Beschäftigung zuständigen Kammer. Das Instrument Kurzarbeit helfe, Jobs zu erhalten. Der Bezug ist bis Ende 2021 längstens für 24 Monate möglich. Doch Engelhardt rechnet für die Zeit nach dem Lockdown mit weiterhin vorsichtigen Beschäftigungsplänen: «Der Beschäftigungstrend für die nächsten zwölf Monate ist weiterhin negativ, auch in der Industrie mit ihrem hohen Kostendruck im Rahmen der Transformation.» Diese Einschätzungen basierten auf den Unsicherheiten, wann und in welchem Umfang das Geschäft wieder starte und welche kurz- und langfristigen Auswirkungen in und nach der Pandemie es etwa bei Konsumverhalten, Produktions- und Lieferketten sowie Pendlerströmen und Beschäftigungsmodellen gebe.

 

Tausende fürchten die Pleite

Zwei Drittel der Unternehmen müssen Umsatzverluste im vergangenen Jahr gegenüber 2019 in Folge der Pandemie verkraften. Die Erlöse sind bei jedem fünften Betrieb sogar um mindestens mehr als ein Viertel eingebrochen. Höhere Umsätze konnten lediglich sieben Prozent verbuchen. Diese Umsatzverluste belasten nicht nur die Erträge der betroffenen Unternehmen: Aktuell melden 28 Prozent der Betriebe Eigenkapitalrückgänge, 17 Prozent Liquiditätsengpässe, jeweils 16 Prozent zunehmende Forderungsausfälle sowie eine Verschlechterung ihres Branchenratings. Drei Prozent der Unternehmen stehen vor der Insolvenz. Das sind fünf- bis sechsmal mehr als in Vorkrisenzeiten. Im Bereich Hotels und Gaststätten fürchtet jeder siebte Betrieb die Insolvenz. Auch weil Corona-Hilfen nach Schilderung vieler IHK-Betriebe nicht im nötigen Tempo fließen.

Starke Industrie in Baden-Württemberg stabilisiert

Engelhardt sieht aber auch positive Faktoren: «Im Vergleich zu vielen anderen Regionen in Europa hat Baden-Württemberg eine starke industrielle Basis.» Diese sorge nach wie vor für Gewinne, Steuern und Abgaben sowie viele Jobs. Auch dürften die Ende Dezember angelaufenen Impfaktionen trotz Anlaufproblemen bei der verfügbaren Menge viele Einschätzungen und Erwartungen in den Betrieben verbessert haben, vor allem in der Industrie.

Die Umfrageergebnisse im Detail: Mit Blick auf die aktuelle Lage in der Gesamtwirtschaft im Land berichtet knapp ein Drittel der Betriebe von guten, ein Viertel von schlechten Geschäften. Die restlichen 42 Prozent sind zufrieden. In den nächsten zwölf Monaten rechnet ein Viertel mit einer schlechteren Geschäftsentwicklung, knapp 30 Prozent mit einer besseren. Etwa 45 Prozent gehen von stabilen Geschäften aus.

Exporte sorgen für Erholung

Die Industrie hat derzeit eine Kapazitätsauslastung von rund 79 Prozent. Vor einem Jahr lag sie fast zehn Prozentpunkte höher, nähert sich aber der durchschnittlichen Auslastung von etwa 82 Prozent. Steigende Auslandserlöse werden in 2021 von über 40 Prozent der Betriebe erwartet, steigende Inlandserlöse von gut 37 Prozent. Knapp ein Fünftel befürchtet aber auch Rückschläge auf den In- und Auslandsmärkten. Während in Maschinenbau, Metallverarbeitung und Elektrotechnik die Zuversicht sehr deutlich ist, zeigen sich Fahrzeugbauer und das Papier- und Druckgewerbe weniger optimistisch. Trotz des Brexit-Deals sind die Exporterwartungen für das Vereinigte Königreich Großbritannien weiter tief im Keller. Impulse werden aus Asien, hier vor allem aus China, aus den USA und der EU erwartet.

Bauwirtschaft: Nur Wohnungsbau weiter auf hohem Niveau

In der Bauwirtschaft klagen aktuell nur knapp neun Prozent über schlechte Geschäfte. Knapp die Hälfte der Betriebe berichtet von guter Geschäftslage, gut 41 Prozent ist zufrieden. Dass dies so bleibt, glaubt aber nur gut die Hälfte der Firmen. Über 42 Prozent gehen von Rückgängen aus, nur fünf Prozent von einer Besserung. «Hier zeigt sich offenbar die Investitionszurückhaltung im Gewerbebau und die Mittelknappheit der öffentlichen Hand insbesondere für den Straßenbau», erläutert Engelhardt. Der Wohnungsbau bewege sich weiter auf sehr hohem Niveau.

Anzeichen für Strukturwandel im Einzelhandel

Während der Großhandel von der Erholung der Industrie profitiert, leidet der Einzelhandel massiv unter dem aktuell verschärften Lockdown. Trotz Impfstoff-Perspektive plant der Einzelhandel Stellenabbau und deutlich weniger Investitionen. «Hier deutet sich ein spürbarer Strukturwandel nach der Pandemie an», so Engelhardt. Viele Geschäfte würden nach dem Lockdown nicht mehr öffnen, weil ihnen die wirtschaftliche Perspektive fehle. Engelhardt weiter: «Selbst wenn alle Corona-Hilfen mal ankommen und Saisonware großteils abgeschrieben werden kann, bleiben viele Einzelhändler auf den hohen Kosten für nicht ersetzten Einkaufsaufwand, Lager, Transport und Handling der Ware sitzen und haben spürbar Eigenkapital verloren.» Zudem kämen nicht alle Kunden, die in der Pandemie zu Online-Shoppern wurden, wieder mit ihrer alten Kaufkraft zum stationären Einzelhandel zurück. Die Folge seien zahlreiche Leerstände in den Städten, befürchten viele Handelsexperten in den IHKs in Baden-Württemberg.

Nach der Pandemie fließt wieder Kaufkraft

Unter den Dienstleistern ist das Hotel- und Gaststättengewerbe ähnlich perspektivlos wie der Einzelhandel. «Die Stimmung ist vielleicht schlechter als die reellen Chancen nach der Pandemie», meint Engelhardt. Mit zunehmenden Lockerungen und dem Aufbau einer Herdenimmunität durch immer mehr Impfungen könnten Gastronomie und Tourismus wieder durchstarten. Dramatisch sei natürlich, wenn viele Betriebe die Lockdown-Phase nicht überstünden. Aber die Kaufkraft für Reisen; Veranstaltungen und Ausgehen liege derzeit in Milliardenhöhe auf den Bankkonten. Zumindest ein Großteil davon dürfte dann wieder außer in den Einzelhandel auch in Gastronomie, Tourismus und Kultur fließen. Eher skeptisch blicken die Finanzdienstleister sowie das Verkehrsgewerbe nach vorn. Banken betreiben erhöhte Risikovorsorge angesichts drohender Ausfälle und vor allem der Personentransport in Tourismus und Nahverkehr fasst nur zögernd Mut. Alle anderen Dienstleisterbranchen wie Immobilienwirtschaft, Informations- und Telekommunikationsbranche, Rechts- und Unternehmensberatung sind deutlich optimistischer als noch im Herbst.


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