Beethovens einziges Violinkonzert

Anne-Sophie Mutter mit überirdischem Beethoven im Festspielhaus - Sir Antonio Pappano bei Strauss mit Brio und „italianità“

Anne-Sophie Mutter mit überirdischem Beethoven im Festspielhaus - Sir Antonio Pappano bei Strauss mit Brio und „italianità“
Foto: Michael Gregonowits

Baden-Baden, 29.01.2018, Bericht: Inga Dönges Die Heilige Cäcilie, Schutzpatronin der Musik, hatte ihre Pflicht erfüllt, gestützt vom Orchestra dell‘ Accademia Nationale di Santa Cecilia − Roma. Die Violine trug den ganzen Abend die Krone. So hatte man diese Konzerte noch nie gehört. Es war wie eine Uraufführung im Nachschöpfen und Interpretieren.

Ludwig van Beethoven (1770- 1827) Violinkonzert D-Dur op. 61 mit den Sätzen Allegro ma non troppo, Larghetto, Rondo. Allegro. Anne-Sophie Mutter in glänzender türkisfarbener Robe betrat die Bühne, und sie und ihre Stradivari waren der Mittelpunkt der musikalischen Welt.

Komponiert hatte Beethoven das Violinkonzert 1806, die Uraufführung war am 23. Dezember 1806 in Wien. Es blieb sein einziges Violinkonzert und brauchte Zeit, sich beim Publikum durchzusetzen. Das Engagement des großen Geigers Joseph Joachim (1831 – 1907) bewirkte den Erfolg des Werkes in den Konzertsälen. Heute schätzen wir die Eigenheiten als Vorzüge. Vor allem die beiden ersten Sätze tragen einen virtuos-konzertanten Aspekt und treten hinter dem Symphonischen zurück, die im Kopfsatz epische Breite und Gelassenheit ausströmen. Der Grundzug dieser Musik ist eher ein kontemplativer.

Der Solistin und dem Satz wird ein Paukenmotiv vorangestellt. Eine martialische Rhythmik bleibt und bezieht im Gegensatz ihren Reiz und ihre Spannung. Die Solovioline setzt ein und schwingt sich schwerelos und gleichsam improvisierend hinauf bis zum Zielpunkt des Themas in ätherischer Höhenlage. Die Kunstfertigkeiten der solistischen Figurationen, die Solokadenzen, Hörnerpaar, Klarinette und Fagott gesellen sich dazu, sind phantasievoll und ergänzen sich gegenseitig.

Anne-Sophie Mutter spielt so vergeistigt, die Innigkeit der Pianissimi berühren zutiefst und sind bis in die letzte Reihe des Saales hörbar. Der Bogen scheint de Saiten nicht zu berühren − also ein Wunder an Virtuosität und weiser Interpretation − die Vorzüge langer Jahre harter Arbeit. Hört man sich die Aufnahme von ihr mit Karajan, ihrem Entdecker und Förderer an, erkennt man den Unterschied: von jugendlicher brillanter Technik zur großen, weisen Virtuosin. Die Zugabe führte dann zu den alten Meistern zurück: Johann Sebastian Bach, Partita d-Moll für Solovioline.

Beethoven wäre mit dieser Interpretation sicher so zufrieden und beglückt gewesen wie die heutigen Zuhörer: Das alles ergab sich aus der Empathie mit dem Orchester und Sir Antonio Pappano. Er ist seit zwölf Jahren ihr Chefdirigent und hat «Santa Cecilia» wieder in die Reihe der großen Orchester geführt. Die Tradition beginnt 1585 unter Papst Sixtus V. für die kirchliche Musik. 1908 gründete sich das Orchester, war erst ein reines Symphonieorchester und wurde von Sir Pappano an die Oper herangeführt. Er förderte die Rückbesinnung auf das Italienische und aus der verschütteten «Italianità» ließen sich wieder ihre Eigenarten erkennen: Sinnlichkeit und Empfindsamkeit im Klang, eben eine singende Qualität. Pappano, in England als Sohn eines italienischen Sängers geboren, hat also «Eulen nach Rom» getragen.

Dann waren wir nach der Pause bei Richard Strauss. 1864 in München geboren, 1949 in Garmisch gestorben. Der Vater war 1. Hornist im Hoforchester. So begann die musikalische Ausbildung früh und führte ihn 1885 als Kapellmeister nach Meiningen. Damals begann sein Aufstieg als Komponist und zugleich seine Hinwendung zu Hector Berlioz, Franz Liszt und Richard Wagner. Die Tondichtung «Ein Heldenleben», op. 40, sechs Abschnitte, entstand 1899. Das pompöse Stück ist ein Zeitdokument der Jahrhundertwende. Es ist Programm-Musik, die von außermusikalischen Ideen (dichterisch, malerisch, naturhaft) angeregt ist.

Strauss portraitiert den Prototyp des «Helden» jener Zeit, der sich gegen seine Widersacher kraft seiner Persönlichkeit durchsetzt: es geht hier um ihn, den Komponisten und seine Kritiker. Zum Inhalt dieser Tondichtung, irgendwie Oper ohne Gesang: Es beginnt mit der «Vorstellung des Helden», «Des Helden Widersacher», die ihm mit ihrem Gezeter nichts anhaben können. Im 3. Abschnitt charakterisiert die Solovioline «Des Helden Gefährtin», kokett, kompliziert und doch treu.

Roberto Gonzàlez-Monjas spielt dieses Solo virtuos. Ein glückliches Orchester, einen solchen Konzertmeister zu haben. «Des Helden Walstatt» verlässt der Held als Sieger und «Des Helden Friedenswerk» schließt sich an. Im letzten Teil «Des Helden Weltflucht und Vollendung» ziehen sich der Held und seine Gefährtin aus dieser Welt zurück, die ihnen nichts mehr zu bieten hat.

Eine famose Leistung von Orchester und Dirigent. Sir Pappano hat mit dieser Tournee durch Deutschland eine große erzieherische Leistung vollbracht, sein römisches Orchester deutsche Musik spielen zu lassen. Alle Instrumentengruppen sind zu loben. Und wenn es in der Partitur sehr «wagnerte», gab es «italianità». Wie schön − ein anderer Blickwinkel aus Rom.

Das Publikum war hingerissen, man hörte die positiven, beglückten Kommentare. Es gab dann auch eine stilvolle Zugabe aus Rom: Giuseppe Verdi, Macbeth, Ballabile (Tanz der Hexen). Danach hätte man die ganze Oper hören mögen. Es war ein Abend der Superlative: Die heilige Cäcilie hat also doch Wunder gewirkt!


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