Landesregierung plant Rückkehr zu G9
G9 soll auch in Baden-Baden zurückkommen – Lehrermangel und verwahrloste Schulgebäude – Kultusministerin Schopper: „Unsere Jüngsten auf erfolgreiche Bildungskarriere vorbereiten“

Bericht von Nadja Milke
13.12.2023, 00:00 Uhr
Baden-Baden/Stuttgart Kultusministerin Theresa Schopper nahm gestern zur geplanten Wiedereinführung von G9 Stellung. Die Spitzen der grün-schwarzen Regierungskoalition hatte sich gestern auf Eckpunkte zum weiteren Vorgehen auf dem Weg zurück zum neunjährigen Gymnasium verständigt.
Hoher Unterrichtsausfall, Lehrermangel, teilweise desolate Zustände bei den Schulgebäuden begleiten das ehrgeizige Ziel der Landesregierung. «Unsere Jüngsten auf eine erfolgreiche Bildungskarriere vorbereiten», erklärte die Kultusministerin, sei bei den Planungen «von herausragender Bedeutung»
Ein Blick nach Baden-Baden zeigt, dass «eine erfolgreiche Bildungskarriere» auch an den Prioritäten liegt, die die Kommunalpolitiker setzen. Öffentliche und öffentlich-rechtliche Grundstücke wurden zuerst einmal Immobilienspekulanten zugeschustert. Seit Jahrzehnten fehlen Sporthallen und die Schüler, unter anderen des Gymnasiums Hohenbaden, pilgern für die Sportstunden quer durch die Stadt und müssen sich mit der denkmalgeschützten alten Turnerschaftshalle zufriedengeben. Statt einer notwendigen Erweiterung des Hohenbaden und einer neuen Sporthalle hat Baden-Baden nun ein neues Hotel auf dem ehemaligen Gefängnisgelände direkt neben dem Gymnasium. Nur einer von vielen Missständen. Die durch den jahrelangen Sanierungsstau notwendigen Millioneninvestitionen müssen nun in Krisenzeiten gestemmt werden, in denen der Schuldenstand der Stadt Baden-Baden und ihrer Eigenbetriebe und Eigengesellschaften auf 300 Millionen Euro zugeht.
Das Kultusministerium werde in den nächsten Monaten einen Vorschlag für ein G9 erarbeiten, erklärte Ministerin Schopper gestern. «Es ist klar, dass es sich dabei um ein Konzept handeln muss, dass die Anforderungen einer Gesellschaft im Wandel auch angemessen aufgreift. Bei allen weiteren Planungen bleibt es von herausragender Bedeutung, dass wir gerade unsere Jüngsten auf eine erfolgreiche Bildungskarriere vorbereiten. Denn wer schon mit Defiziten in die Grundschule startet, wird auch später kein G9 besuchen.»
Die Erklärung der Landesregierung vom 12. Dezember 2023 im Wortlaut:
Nach dem Ende des Bürgerforums zur Dauer des allgemein bildenden Gymnasiums haben sich die Spitzen der Regierungs-Koalition am Dienstag auf Eckpunkte zum weiteren Vorgehen verständigt.
Folgender Beschluss wurde gefasst:
• Die Regierungskoalition dankt dem Bürgerforum zur Dauer des allgemeinen bildenden Gymnasiums für seine Arbeit und würdigt das wichtige Engagement der Zufallsbürgerinnen und Zufallsbürger. Wir werden uns intensiv mit dem differenzierten Bericht und den umfassenden Empfehlungen des Bürgerforums auseinandersetzen.
• Die Regierungskoalition nimmt zur Kenntnis, dass das Bürgerforum empfiehlt, als Regelform ein zeitgemäßes, neunjähriges allgemein bildendes Gymnasium einzuführen. Die Landesregierung ist offen für ein neues G9, das den Anforderungen unserer Zeit gerecht wird, und startet einen Prozess zur Erarbeitung eines solchen neuen G8/G9-Modells. In diesem Prozess werden u.a. die möglichen Auswirkungen auf die anderen weiterführenden Schularten inkl. der beruflichen Gymnasien und das schulische Gesamtsystem berücksichtigt.
• Die prioritäre bildungspolitische Aufgabe sieht die Regierungskoalition in der Stärkung der Sprachbildung und -förderung sowie der Basiskompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen. Deshalb wird die Landesregierung die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen und Grundschule weiter stärken und dafür ein Maßnahmen-Paket für den Zeitraum vor der Einschulung und in der Grundschule vorlegen.
Zitate zum Beschluss:
Ministerpräsident Winfried Kretschmann: «Wir werden jetzt keine Schnellschüsse machen oder einfach zum G9 der 1990er-Jahre zurückkehren. Wir werden eine Lösung erarbeiten, die den Anforderungen unserer Zeit gerecht wird und die Empfehlungen des Bürgerforums aufgreift. Die Welt ist im Umbruch – darauf müssen wir unsere Kinder und Jugendliche vorbereiten. Das bedeutet: eigenständiges Denken, Urteilsfähigkeit und kritisches Denken stärken. Zu unserer politischen Verantwortung für eine nachhaltige Bildungspolitik gehört auch: Wir müssen die fiskalischen Auswirkungen einer solchen Reform sehr genau im Blick haben. Dieser Aspekt ist mir sehr wichtig, weil sie ebenso die Zukunft unserer Kinder betrifft. Gute Bildungspolitik ist abhängig von einer weitsichtigen Finanzpolitik. Denn als Ministerpräsident trage ich Verantwortung für alle Schularten und für alle Kinder und Jugendlichen in unserem Land.»
Vize-Ministerpräsident Thomas Strobl: «Bildung ist Zukunft. Unser Ziel und unsere Verantwortung ist, den Kindern die bestmögliche Bildung zu ermöglichen. Für die Eltern geht es dabei um die persönlichen Zukunftsperspektiven ihrer Kinder, für uns als Landesregierung um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Das Bürgerforum hat nun eine wertvolle Einschätzung vorgelegt, die wir uns genau anschauen und berücksichtigen werden. Wir nehmen zur Kenntnis, dass es nicht um ein Zurück zum alten G9 geht, sondern um eine ganzheitliche Debatte zur Reform des Bildungssystems. Eine klare Priorität wird darauf liegen, die Kleinen und die Kleinsten zu stärken. Das Ziel muss sein: Nirgendwo lernt man besser Rechnen, Schreiben und Lesen als in Baden-Württemberg. Deshalb ist der Schwerpunkt klar die Grundschule und die frühkindliche Bildung, also Grundschule minus drei.»
Fraktionsvorsitzender Andreas Schwarz: «So wie das Gymnasium ist, kann es nicht bleiben. Das Bürgerforum macht in seiner Stellungnahme deutlich, dass dies neben der Frage der Schuldauer auch eine moderne Pädagogik umfasst. Wir Grüne sind bereit für eine Modernisierung des Schulsystems – um dem Anliegen der Menschen gerecht zu werden. Damit Baden-Württemberg bei Zukunftstechnologien Innovationsland bleibt, wollen wir dem MINT-Bereich einen Modernisierungsschub mit mehr Praxisbezug geben wie es das Bürgerforum anregt. Wichtig ist uns außerdem eine Stärkung der Medienbildung, damit unsere Jüngsten den Umgang mit Fake News und neue Medienformen lernen. Unabhängig von G8/G9 hat für die Grüne Landtagsfraktion die Stärkung der frühkindlichen Bildung und der Grundschulen allerhöchste Priorität, um allen Kindern einen guten Start ins Schulleben zu ermöglichen. Hier dürfen wir keine Zeit verlieren, das wollen wir schnell umsetzen.»
Fraktionsvorsitzender Manuel Hagel: «Wir wollen, dass Baden-Württemberg wieder das Bildungsland Nummer 1 in Deutschland wird. Die Empfehlungen des Bürgerforums sind dazu ein wichtiger Baustein. Wir danken daher allen Bürgerinnen und Bürgern, die mit ihrem Engagement wichtige Impulse für die Zukunft unserer Schulen gegeben haben. Besonders wichtig ist uns dabei ein ganzheitlicher Blick auf unsere Bildungslandschaft. Wir brauchen einen Zukunftsentwurf, der von den Kindergärten und Kindertageseinrichtungen über die Grundschulen bis zu den weiterführenden Schulen reicht. Das Bürgerforum hat daher klug entschieden, nicht nur die Frage nach G8 oder G9, sondern Perspektiven für unser Bildungssystem insgesamt in den Blick zu nehmen. Denn unser Bildungssystem braucht ein echtes Update. Und das wollen wir jetzt als Koalition anpacken.»
Nadja Milke ist Redakteurin bei goodnews4.de und Mitglied der Landespressekonferenz Baden-Württemberg. Sie wohnt in der Baden-Badener Innenstadt und kennt sich dort gut aus, aber selbstverständlich auch in den anderen Baden-Badener Stadt- und Ortsteilen. Über Post freut sie sich: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
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