Zur Enteignung der jüdischen Grundstücke

Geschichte der alten Synagogen aus heutiger Sicht – Aktuelle wissenschaftliche Dokumentation zu Eigentumsverhältnisse nach 1945 – „Juden saßen am kürzeren Hebel“

Geschichte der alten Synagogen aus heutiger Sicht – Aktuelle wissenschaftliche Dokumentation zu Eigentumsverhältnisse nach 1945 – „Juden saßen am kürzeren Hebel“
Der "Aktionskreis Neue Synagoge Baden-Baden" hielt gestern eine Mahnwache am Grundstück der alten Synagoge.

Baden-Baden, 11.11.2019, Bericht: Redaktion In einer wissenschaftlichen Arbeit untersuchte die Freiburgerin Julia Wohlrab M. A die «Geschichte der alten Synagogen». In dieser 137-seitigen Ausarbeitung ging Julia Wohlrab auch auf das Zustandekommen der Eigentumsverhältnisse nach 1945 ein.

Das angeführte Beispiel Freiburg ist für viel Städte exemplarisch. «Das Selbstbewusstsein, Teil einer Stadtgesellschaft zu sein, hatte das nationalsozialistische Regime bei den jüdischen Gemeinden zudem mit großem Erfolg ausgelöscht. Dass jüdische Gemeinden wieder ein essentieller Teil deutscher Kommunen werden, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorstellbar. Es standen sich also zwei vollkommen ungleiche Vergleichsparteien gegenüber». Unter diesen Umständen kamen in vielen Städten neue Eigentümer zu ihren Grundstücken. Teilweise waren es die Städte selbst, in manchen Fällen auch private neue Eigentümer, die von der geschwächten Position der Juden profitierten. Nicht einmal die in den Verträgen ausgehandelt nichtprofane Nutzung der alten Synagogengrundstücke wurde eingehalten wie das Beispiel Baden-Baden zeigt, wo der Platz der alten Synagoge als Parkplatz benutzt wird. goodnews4.de berichtete.

Quelle: Wissenschaftliche Dokumentation der Recherche über Die Geschichte der Alten Synagoge Freiburg aus eigentumsrechtlicher Perspektive vorgelegt am 31.05.2019, überarbeitete Fassung, vorgelegt am 08.10.2019 von: Julia Wolrab M.A.

Auszug:

Die meisten Verträge, die zwischen 1938 und 1945 zwischen Juden und Nicht-Juden in Freiburg eingegangen wurden, wurden im Zuge der Restitution für «nichtig» erklärt. Auch im Falle des 1939 abgeschlossenen Kaufvertrags um das Freiburger Synagogenareal wurde zunächst festgehalten, dass dieser «für nichtig zu erklären wäre». Jedoch bestätigten die beiden am Vergleich von 1948 beteiligten Vertragsparteien trotz dieser Feststellung schon im nächsten Abschnitt den Kaufvertrag. Die beiden Grundstücke blieben darauf im Besitz der Stadt Freiburg. Gemessen am reinen Vergleichswert vollzog sich diese Vergleichsverhandlung eher zum Nachteil für die Israelitische Landesgemeinde für Südbaden in Freiburg. Dieser Umstand ist jedoch im Kontext der damaligen Verhältnisse zu beurteilen. 1948 war die Gemeinde dringender auf die Wiederherstellung ihres Friedhofes angewiesen als auf die Rückgabe eines mit negativen Erinnerungen belegten Grundstücks, das mitten in der Stadt lag. Das Selbstbewusstsein, Teil einer Stadtgesellschaft zu sein, hatte das nationalsozialistische Regime bei den jüdischen Gemeinden zudem mit großem Erfolg ausgelöscht. Dass jüdische Gemeinden wieder ein essentieller Teil deutscher Kommunen werden, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorstellbar. Es standen sich also zwei vollkommen ungleiche Vergleichsparteien gegenüber: Die jüdische Gemeinde, als Geschädigte, und die Stadt, die, wie oben gezeigt, nicht immer ein Unrechtsempfinden aufbringen konnte und teilweise auf alte Beziehungen und Einflüsse zurückgreifen konnte. In vielen Fällen saßen die jüdischen Gemeinden, vor allem dann, wenn sie nicht durch größere organisatorische Strukturen unterstützt werden konnten, „am kürzeren Hebel.“


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