Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ - „Als wenn es im BT keinen Hauptschriftleiter Karl Heinz Lembke gegeben hätte“ - Demonstration „Juden in der Mitte der Gesellschaft in Baden-Baden“ - Eine Selbstverständlichkeit für das bunte Baden-Baden, oder?

Baden-Baden, 05.03.2018, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Kurt Krause Stellung zu dem goodnews4-Bericht Friedliche Demonstration «Juden in der Mitte der Gesellschaft» in Baden-Baden − Altstadtrat Bernd Weigel: «Für mich gilt nur der ehemalige Standort, wo die Synagoge stand» − Yehudit Pöschke: «Man kann, wenn man will, eine Einigung finden».

Zum 50. Jahrestag der Reichskristallnacht 1938 gab die Deutsche Bundespost eine Briefmarke heraus. Sie trug die Aufschrift «Das Geheimnis der Erlösung liegt im Erinnern» und zeigte als Abbildung die brennende Synagoge in Baden-Baden. Diese Aufschrift hat auch das Denkmal «Zum Gedenken an die Opfer der Judenverfolgung des Dritten Reiches» am Willy-Brandt-Platz.

Eine Briefmarke bietet nicht viel Platz: der Originalsatz wurde verkürzt und stammt von Rabbi Baal Schem Tob (1700 - 1760): «Vergessen verlängert das Exil, in der Erinnerung liegt das Geheimnis der Erlösung», also religiöses Erinnern an das Heilige Land und den zerstörten Tempel. Der bruchstückhafte Satz ist pseudoreligiös und sinnlos. Erinnerung an die Opfer kann nichts wiedergutmachen. Ebenso wenig kann die Erinnerung an Ausschwitz begangenes Unrecht sühnen. Ein öffentliches Mahnmal braucht eine politische Begründung.

Seit dem Erscheinen der Briefmarke 1988 sind 30 Jahre vergangen. Wiedergutmachung kann niemals abgeschlossen sein! Das Auswärtige Amt begann 2008, eine Historikerkommission einzusetzen, andere Bundesministerien folgten. Ihre Aufgabe war es, die Geschichte der Ministerien in der NS-Zeit und der Bundesrepublik zu erforschen. Das Ergebnis war deprimierend: Mitarbeiter des unseligen Dritten Reichs wurden in die Ministerien der Bundesrepublik übernommen. In Baden-Württemberg, gab es mit Kurt Georg Kiesinger und Hans Filbinger gleich zwei NS-belastete Ministerpräsidenten. Kiesinger wurde sogar Bundeskanzler.

Auch Industriellen-Familien und/oder Industrieunternehmen erkannten, dass eine Aufarbeitung der Vergangenheit angebracht sei. Hier seien u.a. genannt: Degussa, IG-Farben, VW, Bertelsmann, Quandt (BMW), Flicks, Krupp, Thyssen, Porsche, Dresdner Bank, Karstadt-Quelle. Sie beschäftigten Zwangsarbeiter oder KZ-Häftlinge, waren an der Enteignung von jüdischem Vermögen beteiligt oder finanzierten den Bau von Konzentrationslagern. Die jüdische Familie Wertheim war einst Eigentümer eines der größten deutschen Warenhauskonzerne und wurde von den Nationalsozialisten enteignet, der Karstadt-Konzern übernahm damals die Grundstücke. 2005 verurteilte das Berliner Verwaltungsgericht die Karstadt-Quelle AG zu einer Entschädigung von 88 Millionen Euro an die Erben der jüdischen Kaufhausdynastie Wertheim.

Es gibt heute immer noch Familien und Firmen, die ihre Vergangenheit verdrängen. Das Leben eines Zeitungsredakteurs nach 1933 beschreibt uns der Kultfilm «Wir Wunderkinder». Ein Film von Kurt Hoffmann, mit Hans Jörg Felmy, Johanna von Koczian und Robert Graf. Ein Film, der ein halbes Jahrhundert deutscher Geschichte vom Ersten Weltkrieg bis zur Nachkriegszeit zeigt. Wirklich nicht nett, wie die Presse von den «Nazis» gleichgeschaltet wurde, und ein Redakteur, der den «deutschen Gruß» verweigert, entlassen wurde. Muss man wirklich betonen, dass die Verlagsleitung natürlich auf Zack war? Das Geschäft musste schließlich weiter florieren!

Das Badischen Tagblatt lässt die 1.000 Jahre des Dritten Reichs, die nach 12 Jahren vorbei waren, auf einige wenige dürre Sätze schrumpfen: «1919 entwickelte sich die Druckerei Greiser zu einem großen Zeitungsunternehmen für Mittelbaden mit eigenen Lokalzeitungen für Karlsruhe, Kehl, Ettlingen und Baden-Baden. 1943 musste das Rastatter Tageblatt wegen ‘der Erfordernisse des Krieges’ sein Erscheinen einstellen». Ähnlich erging es auch der Verlegerfamilie Hoellischer-Koelblin-Hambruch in Baden-Baden. «1941 wurde auch das Badener Tagblatt kriegsbedingt eingestellt. Trotzdem erschien es Tag für Tag weiter, auch wenn man den ‘Mantel’ vom ‘Völkischen Beobachter’ in Karlsruhe beziehen musste.»

Als wenn es im BT keinen Hauptschriftleiter Karl Heinz Lembke gegeben hätte, der schon 1936 in einem Buch u.a. schrieb: «Immer unverhüllter traten die Ziele des marxistisch-kommunistischen Weltjudentums zutage, bis sich endlich das deutsche Volk unter der Führung Adolf Hitlers auf sich selbst besann. Der 30. Januar 1933, der Tag der Machtübernahme durch den Nationalsozialismus, brachte ein befreiendes Aufatmen. Eine durchgreifende Gesetzgebung stellte rasch die Grundlage dafür her, dass heute im Dritten Reich jeder arbeitende Mensch das Leben als lebenswert erachten kann …» (Staatsarchiv Freiburg, C5/1 Nr. 2831).

«Bella gerant alii, tu felix Badisches Tagblatt nube.» (Kriege führen mögen andere, du, glückliches Badisches Tagblatt, heirate.)

Die heutigen Eigentümer des Badischen Tagblatts, Eva Ertl, Yvonne Hambruch-Piesker und Xenia Richters sind Großgrundbesitzer. Und das kam so: 1835 wohnte Ludwig Friedrich Frantz − verheiratet mit der Witwe eines Bierbrauers − in der Sophienstr. 26. Als er die Berechtigung erhielt, Gäste zu verköstigen und zu beherbergen, baute er auf dem Nachbargrundstück das Hotel «Stadt Straßburg». Er hat das nicht lange überlebt, aber das Hotel gehörte mit 150 Betten noch 1939 zu den führenden Häusern der Stadt, bis es dann als Sitz des Generalstabs diente.

Die Witwe Frantz heiratete alsbald neu, und zwar den Sohn eines Hoteliers. Der Herr Schmid wurde nun nach wenigen Jahren Witwer, heiratete aber alsbald wieder und bekam mit seiner Frau sechs Kinder. Mathilde Schmid, 1847 geboren, heiratete 1869 Hermann Hoellischer. Der Sohn des Paares, hieß Fritz Hoellischer und heiratete Luise, Tochter von Ernst Koelblin, der in der Stephanienstraße 3, das «Badener Tagblatt» herausgab und nach dem Ersten Weltkrieg auch das Hotel «Stadt Paris», das heutige Hotel «Quellenhof», erwarb. Deren Tochter Friedel heiratete dann Werner Hambruch, den Geschäftsführer des «Badener Tagblatts». Das Ehepaar Hambruch hatte zwei Töchter, die jetzigen Damen Eva Ertl und Yvonne Hambruch-Piesker. Letztere hat jüngst Aufgaben und/oder Eigentum an ihre Tochter Xenia Richters übertragen.

Die Familie Hambruch häufte also, wie im «Ring der Nibelungen», statt des Goldes im Rhein Immobilienvermögen rund um die Sophienstraße an. Sie fühlte sich dabei im Recht, aber wohl ohne jedes ethisch-moralische Denken. So kam es zur Arrondierung des Grundbesitzes auch sehr gelegen, als ihr 1955 für 50.000 DM das Synagogengrundstück zum Kauf angeboten wurde. Aber selbst ein rechtmäßig erworbenes Grundstück in der Stephanienstraße 5 kann keine brennende Synagoge auslöschen.

Die wirklichen Vorgänge liegen noch im Dunkel, aber OB Schlapper muss wohl das der Stadt Baden-Baden 1938 zugefallene Synagogengrundstück bei erstbester Gelegenheit − wie eine heiße Kartoffel − an die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden mit Sitz in Karlsruhe übergeben haben. Die Israelitische Kultusgemeinde Baden-Baden war damals nicht mehr existent, da alle Juden in KZs umgebracht worden waren. Die Frage ist nun, war die Gemeinschaft in Karlsruhe nur Treuhänder des Grundstücks, oder konnte sie wirklich rechtsverbindlich über das Grundstück verfügen?

In der letzten Woche hat das Badische Tagblatt voll Stolz gemeldet, dass es neben dem Druckhaus in Oos nun auch für 8,5 Mill. EUR ein Gebäude für Verwaltung und Redaktion errichten lassen will. Bauantrag ist gestellt und wird sicher von den städtischen Gremien − in alter Verbundenheit und verbunden in gegenseitiger Abhängigkeit − rasch durchgewunken. Nach dem Auszug der Redaktion aus dem Komplex Stephanienstraße − Scheibenstraße − Sophienstraße droht der Innenstadt Schlimmes: das dann freie Grundstück unterliegt demselben Baurecht wie das monströse Vincenti-Bauvorhaben auf der anderen Seite der Scheibenstraße. Ein Schelm, wer sich denkt, dass das Synagogengrundstück nicht mit eingeplant ist.

Unrecht‘ tut selten gut und Hoffart(h) kommt vor dem Fall!

Kurt Krause
Baden-Baden


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