Leserbrief
Leserbrief „Meine Meinung“ – „Der Fall Netrebko“ oder „Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen“
Baden-Baden, 16.08.2023, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Martin Müller-Petersen Stellung zu dem goodnews4-Bericht Auftritt von Anna Netrebko in Baden-Baden mit juristischem Nachspiel – Anzeigen der Staatsanwaltschaft übermittelt – Festspielhaus-Besucher soll «Hitlergruß» gezeigt haben.
Ob es in der aktuellen Situation besonders einfühlsam war, den Weltstar Netrebko zu verpflichten, sei dahingestellt. Man kann eben den aktuellen Intendanten nicht mit der Koryphäe Mölich-Zebhauser vergleichen und dies zu entscheiden ist auch nicht Sache des Publikums sondern derer, welche das Gehalt des Intendanten bezahlen.
Andererseits muss man aber auch die Kirche im Dorf lassen und die Bedeutung der von einigen geforderte Abkehr der Netrebko von Putin vor dem Hintergrund der Vergangenheit betrachten.
Es steht außer Frage, dass Putin vor vielen Jahren als Protegé von Frau Netrebko aufgetreten ist und sie ihren Weltruhm nicht nur ihrem Können, sondern vor allem diesem Mann zu verdanken hat. Damals galt Putin noch als verlässlicher Partner in der Weltgemeinschaft.
Wenn sich Putin aufgrund gesundheitlicher Schädigungen nun als geistesgestörter Massenmörder und Kriegsverbrecher erweist, der bevorzugt Frauen und Kinder umbringt und Krankenhäuser, Staudämme und Getreidelager bombardieren lässt, dann kann man das nicht Frau Netrebko anlasten. Wenn sie sich heute nicht offiziell gegen ihn stellt, dann zeugt das eher von Charakter als von Gleichgesinntheit. Sie hat dem Mann viel zu verdanken und warum soll sie ihm jetzt in den Rücken fallen. Sie wohnt nicht mehr in Russland, besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft und hat sicher auch keinen Kontakt mehr zu ihm, also lassen wir es dabei bewenden und genießen das Können eines absoluten Weltstars.
Wir Deutschen haben am wenigsten Grund mit dem Finger auf andere zu zeigen. Wenn ich daran denke wieviel Naziverbrecher nach dem 2. Weltkrieg und wieviel Stasiverbrecher nach der Wende plötzlich wieder in hochdotierten und höchst angesehenen Positionen tätig waren und teilweise noch sind, dann sollten wir am besten ganz ruhig sein. Von großen Demonstrationen gegen diese Personen ist mir jedenfalls nichts bekannt.
Und wenn einige Konzertbesucher und auch einige der Demonstranten aus der Rolle gefallen sind, dann ist das traurig, sollte aber auch nicht überbewertet werden. So ist es eben wenn die Emotionen hochkochen. Das muss eine Demokratie, in der jeder seine Meinung von sich geben kann, aushalten.
Wenn allerdings ständig behauptet wird, das Konzert wäre «ausverkauft» gewesen, dann stellt sich eher die Frage nach der Besucheranzahl, denn während der Coronakrise hat das Festspielhaus bekannt gegeben, dass man aufgrund der geringen Nachfrage den Rang sperrt und nur noch Plätze im Parkett anbietet. Vielleicht war es bei diesem Konzert ebenso und man kann dann leicht behaupten man sei ausverkauft, wenn man die Sitzplätze um die Hälfte reduziert. Aber Lügen wurde in Deutschland mittlerweile nicht nur bei Politikern zur Hochkultur erklärt.
Martin Müller-Petersen
Baden-Baden
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