Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ – „Meinungsfreiheit in Deutschland ist offenbar beendet“ – „Ganz in Tradition der DDR“

Baden-Baden, 02.01.2024, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Alexander Lambertz Stellung.

Die Staatsmedien à la SWR berichten es nicht, daher muss es wohl über Leserbriefe bekannt gemacht werden.

Das Bundesverwaltungsgericht hat es nun amtlich gemacht: Die Meinungsfreiheit in Deutschland ist offenbar beendet. Klingt drastisch? Das kann man wohl sagen. Im Urteil des Bundes(!)verwaltungsgerichts vom 14.06.2023 (BVerwG 2 WD 11.22) kann man es nachlesen: «Eine verfassungsfeindliche Betätigung früherer Soldaten im Sinne des § 23 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 SG setzt Aktivitäten feindseliger Art voraus. Darunter fällt auch die Diffamierung und Delegitimierung demokratisch gewählter Staatsorgane.»

Im vorliegenden Fall hatte ein Bundeswehrsoldat gegen die derzeitige Politik mit zugegebenermaßen blumigen Worten auf Facebook und anderen Internet-Medien Stellung bezogen. Dies tat er insbesondere im Kontext der umstrittenen und noch immer nicht aufgearbeiteten Maßnahmen des Staates während der Corona-Zeit. Er sprach von «aufkommender Diktatur», dass er sich für den Staat schäme, dem er 30 Jahre gedient hatte, die offenkundige Staatstreue der Medien sowie einige weitere Aussagen ähnlichen Inhalts. Sie lesen sich für jemanden, der das Geschehen kritisch begleitet hat, wie alltägliche Äußerungen der vielen, die die Dinge aus ähnlichem Blickwinkel betrachten. Sicher eine starke und laute Meinungsäußerung, aber eben – nur – eine Meinungsäußerung. Das Urteil ist öffentlich, möge sich jeder seine eigene Meinung bilden.

 

Das Gericht befindet in Abschnitt 16 folgendes: «Der frühere Soldat hat sich mit diesem vorsätzlichen Verhalten als früherer Offizier gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betätigt, was nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 SG als Dienstvergehen gilt.» Sie lesen richtig.

Das bedeutet: Wer (s)eine Meinung gegen die Politik der Regierung öffentlich äußert, «betätigt sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung». Der Soldat musste als Konsequenz die Kürzung seiner Ruhegelder hinnehmen, er wurde also für die Äußerung seiner Meinung bestraft. Da dies eine Bundesgerichtsentscheidung ist und vom Verfassungsgericht aufgrund politisch «korrekter» Besetzung nichts anderes an Urteil zu erwarten ist, dürfte diese Entscheidung bundesweit Grundsatzcharakter bekommen.

Beamte mögen nun einwenden, dass ihr Berufsstand auch im Ruhestand einer «Treuepflicht» unterliegt. Aus dem Urteil geht jedoch keinerlei Treueverletzung neben besagter Meinungsäußerung hervor. Mir wäre neu, dass politisch oppositionelle Meinungsäußerungen nicht verfassungsgemäß sein sollen. Vielmehr habe ich über Jahrzehnte genau das Gegenteil gelernt, und dass es vor allem Merkmal von Diktaturen sei, wenn dies nicht straflos erlaubt ist. Konsequenterweise spricht der Soldat auch von einer aufkommenden Diktatur – aber das Gericht scheint nicht zu bemerken, dass es genau diesen Anschein durch das Urteil herbeiführt. Das Gericht setzt vielmehr politisch oppositionelles Verhalten mit Verfassungsuntreue gleich: In Abschnitt 20 sagt es: «Darum schulden aktive Beamte und Soldaten dem aus freien Wahlen hervorgegangenen Bundestag und der von ihm demokratisch legitimierten Bundesregierung Loyalität.» Weiterhin in Abschnitt 21: «Er verletzt seine fortwirkende Treuepflicht, wenn er die Staatsorgane nicht lediglich kritisiert, sondern ihre demokratisch gewählten Repräsentanten diffamiert, ihnen die Legitimation abspricht, ihre Absetzung in verfassungswidrigen Verfahren befürwortet oder gar zum gewaltsamen Sturz auffordert.» In Abschnitt 20 übersieht das Gericht, dass sich die Regelung nur auf AKTIVE Beamte bezieht und der Satz in Abschnitt 21 ist gänzlich neu «erfunden» – und da der Soldat in keiner seiner Äußerungen ein verfassungswidriges Verfahren benennt oder einen gewaltsamen Sturz fordert ohnehin haltlos. Wenn von nun an die Schwelle für «verfassungsfeindliches Handeln» derart niedrig gesetzt wird, ist das gleichbedeutend mit dem Verbot einer wirksamen Opposition. Wir hatten das schon einmal in Deutschland und wären wohl gut beraten, diesen Weg nicht erneut einzuschlagen.

Es ist klar erkennbar, dass öffentliche Opposition hier mundtot gemacht werden soll. Das ist sie also, die neue deutsche «Meinungsfreiheit». Idi Amin sagte einmal: «Es gibt Meinungsfreiheit, aber die Freiheit nach der Meinung kann ich nicht garantieren». Ein passender Vergleich?

Es ist schon ein Hohn, dass ein Land, in dem kein Tag vergeht, ohne dass eine öffentlich exponierte Person darüber schwadroniert, welch freies und demokratisches Land Deutschland doch sei, die öffentliche Meinungsäußerung ganz in Tradition der DDR jedoch darauf beschränkt wird, dies nur im Einklang mit der herrschenden politischen Doktrin tun zu können.

Heute traf es einen Soldaten. Morgen trifft es jeden. Die Geschichte des Landes reimt sich mal wieder. Leider.

Alexander Lambertz
Baden-Baden


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