Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ – „Radioaktive Wild- und andere Schweine“ – „Nur weil keiner mehr davon spricht, hat sich das Problem noch nicht erledigt“

Baden-Baden, 13.06.2019, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leser Gerd Weismann Stellung zu dem goodnews4-Bericht 56 Prozent aller erlegten Wildschweine in Forbach über Grenzwert für Radioaktivität – Baden-Baden 0 Prozent – Baden-Baden muss sich Plausibilitätsfrage stellen.

Vielleicht sollt man sich doch Folgendes noch einmal kurz klar machen: In den Tagen nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl zieht eine Wolke mit Cäsium-197, Iod-131 und Strontium-90, über Europa hinweg. Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann (CSU) gibt umgehend ein Fernsehinterview, in dem er sagt: «Eine Gefährdung für die deutsche Bevölkerung ist absolut auszuschließen. Eine Gefährdung besteht nur in einem Umkreis von 30 bis 50 Kilometern um den Reaktor. Wir sind 2000 Kilometer weit weg.»

Doch bereits einen Tag später zieht die radioaktive Wolke über die DDR und die BRD hinweg. Weil es in Süddeutschland an den folgenden Tagen stark regnet, kommt es vor allem in Baden-Württemberg und Bayern zum radioaktiven Niederschlag. Dieser «Fallout» verseucht den Boden, die Strahlenwerte in den Wiesen, Feldern, Waldgebieten und Gewässern steigen. Erinnern wir uns? Wir erinnern uns! Daraufhin wird den Eltern in Süddeutschland geraten, die Kinder nicht auf Wiesen oder in Sandkästen spielen zu lassen. Bauern sollten keine Freilanderzeugnisse verkaufen. Die Menschen sind geschockt. Plötzlich ist es krebserregend, wenn man Obst, Gemüse oder Pilze isst oder mit seinen Kindern den Spielplatz besucht.

Wie ist nun die Situation 30 Jahre danach? Nur weil keiner mehr davon spricht, hat sich das Problem noch nicht erledigt. Das Cäsium löst sich ja nicht in Luft auf und es hört auch nicht einfach auf zu strahlen – zumindest nicht die nächsten paar hundert Jahre. Es lagerte sich, nachdem es Anfang Mai 1986 aus der Tschernobyl-Wolke via Regen ausgewaschen worden war, im Boden oder in den Kronen der Bäume an. Die Belastung geht zwar kontinuierlich zurück, aber Cäsium-137 lässt sich nach wie vor deutlich nachweisen – insbesondere in der drastischen Kategorie Wildschwein. Erst in etwa 300 Jahren kann es Entwarnung geben, da das radioaktive Cäsium-137-Erbe bis dahin endlich zerfallen sein dürfte.

Warum sind Wildschweine heute noch besonders oft verstrahlt? Das liegt an einer sehr speziellen Nahrungskette, am sogenannten Hirschtrüffel. Diese – für Menschen ungenießbare – Pilzgattung wächst unterirdisch und reichert besonders viel Cäsium-137 an (etwa das Zehnfache normaler Speisepilze). Hirschtrüffel gelten als «Radionuklidsammler» und sind die Leibspeise der Wildschweine, die danach mit ihren kräftigen Rüsselschnauzen den Waldboden regelrecht umpflügen.

Wer sich heute über seine Krebserkrankung wundert, sollte sich eher über die Gelassenheit wundern, mit welcher er heute immer noch akzeptiert, dass weiterhin Kernreaktoren betrieben werden, mit welcher Gelassenheit er die sogenannten «Meereserzeugnisse» verspeist, auch wenn zigtausende «entsorgter» Atommülfasser in der Nordsee vor sich hin erodieren und ihre Inhalte peu à peu frei geben und die havarierten Reaktoren in Japan seit nunmehr 8 Jahren ihre radioaktive Fukushima-Brühe ohne Unterbrechung in die Weltmeere ergießen. Sollte sich darüber wundern, mit welcher schon ans Idiotische grenzenden Gelassenheit Fisch- und Wildschweinprodukte verkauft, aufgetafelt und gegessen werden.

Das verdünnt sich, heißt es immer und die meisten glauben es, zumindest bis zu jenem Tag, an dem dann der eigene ärztliche Befund auf dem Tisch landet, wenn es also ziemlich zu spät ist, dann ist das Gejammer groß. Mit Krebs ist nicht zu spaßen, genauso wenig wie mit den Folgen der absurd krankhaften Atomwirtschaft. Mit dieser Atomwirtschaft verdienen sich wenige dumm und dämlich und bringen damit aber zugleich die ganze Menschheit in Gefahr.

Wie muss also die große Erkenntnis aus dem kleinen Baden-Badener «Schweineskandal» lauten?
Sofortige Stilllegung von Fessenheim (einem der ältesten und marodesten Atomkraftwerke)!
Sofortiger vollständiger und endgültiger Ausstieg aus der Atomstromwirtschaft! (Auch wenn das FDP und AFD nicht passt!)
Vernichtung aller Atomwaffen! Kurz: weg mit dem ganzen Scheiß!

Gerd Weismann
Baden-Baden


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