Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ zu „Landesvater Kretschmann bürgt für die Sicherheit der Juden“ – Zum Gedenktag des Holocaust am 27. Januar 2018

Baden-Baden, 26.01.2018, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leserin Gertrud Mayer Stellung zu dem goodnews4-Bericht Kretschmann bürgt für Sicherheit der Juden − Rami Suliman zum Baden-Badener Synagogenbau: «Wir sind dem Land sehr dankbar, dass es uns auf diesem Weg begleitet und unterstützt».

«Die Landesregierung bürgt weiterhin für Sicherheit des jüdischen Lebens in Baden-Württemberg». Wohlfeile Worte einer Sonntagsrede? Hat der Ministerpräsident etwa die Eigenschaften der Omnipotenz und Ubiquität? Will er für Baden-Baden seine grüne Parteifreundin, die Landtagsabgeordnete und Stadträtin Beate Böhlen einsetzen? Hat sie sich nicht kürzlich, goodnews4 berichtete, als große Kulturwächterin dargestellt? Was aber ist denn überhaupt Kultur?

Frage an «Meyers Konversationslexikon» von 1905: «Kultur …, ist, die Entwicklung und Veredelung des menschlichen Lebens und Strebens. Nur in diesem Sinne wird das Wort gebraucht». Wie steht es nun um die Kultur in Baden-Baden? Ein trauriges Kapitel? Wie wird mit der jüdischen Kultur und dem Bau einer neuen Synagoge umgegangen? Gibt es inzwischen eine Antwort des Baubürgermeisters Uhlig auf die höfliche Anfrage von Vertretern der jüdischen Gemeinde nach einem Gesprächstermin?

Ebenso: gib es eine Antwort auf das entsprechende Schreiben an die Unternehmerfamilien, die den ursprünglichen Synagogenplatz als Parkplatz für ihre Angestellten nutzen? Gibt es wenigstens einen weihevollen Artikel zum Holocaust-Gedenktag im Badischen Tagblatt?

Ist goodnews4-Leser Hannes Elster auch auf einem Auge blind? Hat er in irgendeiner Form exaktes Quellenstudium betrieben? Ist «Enteignung» für das Verbrennen der Synagoge der rechte Begriff? Wo ist quellenmäßig nachweisbar, dass die brandschatzende SS aus Offenburg angereist kam und kein Baden-Badener bei der SS war? Sollte man dem Schreiber einen Gang durch Lichtental, Geroldsau in Richtung Rebland/Neuweier empfehlen? Würde er dort von Anwohnern und Geschäftsleuten anders informiert? Pfeifen es nicht die Spatzen von den Dächern, dass diese «Ehemaligen» vom Ministerpräsidenten Filbinger nicht nur geschützt, sondern auch gefördert wurden? Leidet die Gerichtsbarkeit, also die von ihr Gerichteten, nicht heute noch darunter, dass Justitia blind ist?

«Die Verschleppten wurden umgebracht» klingt recht sachlich, wertfrei, oder? Millionen Juden wurden in Konzentrationslagern durch Vergasen getötet − oder will man das heute nicht mehr wissen? Und noch etwas: Juden waren keine «Banker», sondern Geldwechsler und später Bankiers, so wie es ihnen seit dem Mittelalter als Beruf zugewiesen war, oder? Die Ausführungen von Herrn Elster beziehen sich eventuell auf getaufte Juden und deutsche 1. Weltkriegsteilnehmer? Als letztes: ist der Synagogenbau am falschen Ort ein «Witz»? Sollte man solche Themen nicht in einer ihnen zustehenden Sprache behandeln?

Noch ein Wort zum Thema «Rassismus» oder «Fremdenfeindlichkeit». Was bedeutet der Begriff «Rasse»? Der Ministerpräsident ist zwar studierter Biologe, aber befragen wir dazu noch einmal «Meyers Konversationslexikon» 1905: «Verschiedene wissenschaftliche Richtungen streiten darüber, ob der Mensch eine Art ‘Homo sapiens’ mit verschiedenen Rassen aufgefasst oder in mehrere Arten abgeteilt werden müssten». Weiter wird geographisch nach Volksstämmen unterschieden: unter anderem Kelten, Römer, Griechen, Hindu, Perser, Araber, Juden unter anderem mit Rassismus-Theorien Juden betreffend sind nicht angebracht, oder woher stammt dieses Vokabular? Die Juden sind Kulturträger wie andere semitische und hamitische Völker auch. Warum treibt der Judenhass zurzeit immer schlimmere Blüten?

In Berlin wird der Restaurantbesitzer Yorai Feinberg mit Mord bedroht von einem 60 Jahre alten Deutschen, ohne Migrationshintergrund, − warum? Ein paar Tage zuvor haben Demonstranten, mit Migrationshintergrund, vor dem Brandenburger Tor Fahnen mit dem Davidsstern verbrannt und judenfeindliche Slogans skandiert. Drei Palästinenser verübten einen Brandanschlag auf eine Synagoge in Wuppertal. Das Gericht konnte keine antisemitischen Motive erkennen − oder war es auf einem Auge blind? Und in solche Reihen will sich die Stadt Baden-Baden stellen? Hat denn eine Stadt, der die Geschichte Geschenke verehrt hat, nicht die Pflicht, ihre Geschichte zu bewahren? Ist es nicht die erste Bürgerpflicht, einen Geist zu pflegen, der eher konservatorisch als konservativ ist?

Das große Fest der jüdischen Gemeinde am 21.1.2018 in der Synagoge an der Werderstraße wurde dann wegen der großen Beteiligung in den Bénazetsaal des Kurhauses verlegt. Das Geschenk von OB Mergen an die Gemeinde − das Bild einer Brücke über die Oos − machte für sich alleine noch keinen Sinn. Sind nicht fast alle Brücken über die Oos in einem desolaten Zustand und einsturzgefährdet? Wann wird OB Mergen über die Brücke zur Stephanienstraße gehen können zur neuen Synagoge an ihrem angestammten Platz? Oder ist «unsere» OB Mergen nicht unabhängig von den Interessen der Verlegerfamilie? Man wird doch noch fragen dürfen, oder?

Gertrud Mayer
Baden-Baden


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