Leserbrief

Leserbrief „Meine Meinung“ zur Unternehmensgruppe Badisches Tagblatt – „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“

Baden-Baden, 20.04.2020, Leserbrief In einem Leserbrief an die Redaktion nimmt goodnews4-Leserin Gertrud Mayer Stellung.

Marcel Proust fand für sich darauf eine Antwort. In einer Beilage blickt «Das Badische Tagblatt auf eine mehr als 200 Jahre alte Geschichte zurück / Erfolgsgeschichte von zwei Familien», aber die Zeit von 1927 bis 1951 fehlt. Ist der Spiegel für die «Erfolgsgeschichte» blind? Dem BT-Leser und Abonnenten kann zu Klarheit verholfen werden, indem goodnews4 der beiden letzten Jahre zitiert und so die bestehende zeitliche Lücke gefüllt wird. Ob es dann noch eine «Erfolgsgeschichte» zweier Familien ist, mag der Leser und Abonnent von goodnews4 entscheiden:

Die Geschichte des Badischen Tagblatts kann uns da etwas weiterhelfen. 1961 erschien die Festschrift «150 Jahre Badisches Tagblatt – Ernst Koelblin KG Druckerei und Verlag in Baden-Baden». Den Leitartikel schrieb der geschäftsführende Gesellschafter der Hofdruckerei Ernst Koelblin KG, der Verleger Werner Hambruch: «Da lehnte ein Gericht … das Gesuch ab, in unserer Stadt eine Druckerei zu eröffnen, mit der Begründung, daß es für die Zensur desto leichter sei, je weniger gedruckt würde!» Im Zuge der Gleichschaltung der Presse nach 1933 und der Mitgliedschaft des BT in der Reichsschrifttumskammer verliert die Anekdote über die Zensur an Brisanz und auch an journalistischer Glaubwürdigkeit, oder?

«… und schließlich nach Überwindung des traurigsten Tiefstandes nach 1945 – auf eine achtbare Höhe zu führen.» Klingt das nicht in der Rückschau nach Anbiederung an das NS-Regime? Wieso erschien denn seit 1941 das BT täglich im «Mantel» des «Völkischen Beobachters»? Baden-Baden wurde am 12. April 1945 französische Besatzungszone und ab dem 2. August 1945 erschien die Zeitung wieder.

«Dann trat 1927 Bankdirektor Werner Hambruch in die Firma ein.» Am 1.6.1943 starb Hermann Koelblin, wie die Tageszeitung «Der Führer», Karlsruhe am 2.6.1943 vermeldete.

Sollte die Bibel recht behalten, dass die Sünden der Väter an Kinder und Kindeskinder weitergegeben werden? Dazu ein Beispiel aus den weitverzweigten Familien Koelblin, Hoellischer, Hambruch, Ertl, Richters und dabei vor allem die heutige Verlegerin, Geschäftsführerin und Gesellschafterin des Badischen Tagblatts Eva Ertl, geborene Hambruch. Stimmt es, dass einem On-dit zufolge, Oberbürgermeisterin Mergen und der Gemeinderat mit seinen Ausschüssen nur ausführen und beschließen darf, was von der «Ancienne Dame» vorher abgesegnet ist? Und auch was sonst noch alles durch die Gefolgschaft in der Stadtverwaltung geschieht? Wahrscheinlich übersteigt das die Vorstellungskraft des einzelnen Bürgers!

Werner Hambruch bezog seine Angestellten und Mitarbeiter vom Reichsleiter der NSDAP Robert Ley (1890 – 1945), dem Leiter des Einheitsverbandes Deutsche Arbeitsfront (DAF) und war somit Führer seiner Gefolgschaft. Das badische Tagblatt war gleichgeschaltet und Mitglied der Reichsschrifttumskammer. Es gab keinen Neuanfang nach 1945. Die alten Köpfe führten weiter in die neue Zeit, oder taten sie nur so?

Dazu der Verleger Werner Hambruch: «Die Männer der Feder mussten in erhöhtem Maße ihrer Phantasie (sic!) spielen lassen, um dem Leser Wissenswertes über Kunst, Literatur, Forschung und Natur zu bieten.» Hoffentlich unterscheidet die o.a. «Phantasie» auch zwischen Nachricht und Kommentar – der wichtigsten Maxime eines jeden Journalisten.

Werner Hambruch sieht nach 150 Jahren für sich einen «wohlverdienten Anteil an dieser günstigen Entwicklung ... und dem wirtschaftlichen Aufschwung ... unterstützt durch redaktionelle und technische Vervollkommnung.» Das heutige «Badische Tagblatt» wurde am 2. November 1951 als GmbH gegründet mit den Gesellschaftern Otto Helfesrieder, Kaufmann, Offenburg; Richard Greiser, Druckereibesitzer, Rastatt und Werner Hambruch Buchdruckereibesitzer, Baden-Baden – mit Verlaub: alle ehemalige «Parteigenossen»!

Die Familie Hambruch wurde nach dem ersten Weltkrieg aus dem Elsass vertrieben und kam nur mit einem Koffer in Baden-Baden an. Werner Hambruch fand bald Stellung in einer Bank und – welch ein Zufall - die Tochter des Hoteliers Höllischer (Hotel Stadt Strasburg in der Sophienstraße 26/28) und heiratete Friedel (1901 – 1989). Sie bekamen drei Kinder: Fritz geboren 1924 und wohl im 2. Weltkrieg gefallen, dann Eva geboren 1929 und 1938 Yvonne.

Der berufliche Weg führte Werner Hambruch in die Hofbuchdruckerei Ernst Koelblin. Sein politisches Denken entsprach wohl dem des «Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten», der ab 1928 antisemitisch und rassistisch war. 1933 wurde der Stahlhelm gleichgeschaltet und dann mit der SA verschmolzen. Das also war das Gedankengut, in dem Werner Hambruch lebte! Er war Mitglied des Stahlhelms, dann der NSDAP. Durch Heirat mit Friedel Hoellischer wurde er am 26. Januar 1928 unter Hermann Koelblin erst Prokurist, dann Mit-Geschäftsführer der Hofdruckerei und des Verlags «Badener Tagblatt».

Nach Kriegsende erschien das «Badener Tagblatt» bereits im August 1945 in der französischen Besatzungszone – aber ohne Werner Hambruch. «Erst 1951 gelang es, nach einem unerfreulichen Zwischenspiel, die Zeitung wieder in den Besitz der Familie zurückzuholen.» So die Darstellung zum 75. Geburtstag Werner Hambruchs, «dargebracht von den Mitarbeitern der Buchdruckerei Ernst Koelblin KG und des Verlags Badisches Tagblatt GmbH».

Was ereignete sich in dem «unerfreulichen Zwischenspiel»? Karl Heinz Lembke hatte von den Franzosen die Lizenz für das «Badener Tagblatt» erhalten, der frühere Haupt-Schriftleiter war 1947 zum alleinigen Verleger aufgestiegen. Wer und was war nun Werner Hambruch? Was haben seine Nachkommen weitergeführt, vielleicht noch gesteigert und vervollständigt? Nach moralisch-politischer Einstellung und ihren Folgen wird man doch fragen dürfen – oder?

«Eine Heimatzeitung prägt die Region», 1951 war die Geburtsstunde der Tageszeitung von ehemaligen Nazis und Parteimitgliedern der ersten Stunde. Wahrlich eine «Erfolgsgeschichte» – oder?

Gertrud Mayer
Baden-Baden



In eigener Sache – Falsche Tatsachenbehauptungen von grüner Stadtratskandidatin

goodnews4-Redaktion Die zuständige Medienbehörde Landesanstalt für Kommunikation, LfK, überprüfte die bei goodnews4.de veröffentlichten Leserbriefe und stellte fest, dass die journalistische Sorgfaltspflicht in allen Fällen eingehalten wurde. goodnews4.de berichtete.

Die von Frau Rita Hampp, grüne Stadtratskandidatin, in Facebook mehrfach getätigte Behauptung, dass es sich unter anderen bei diversen Leserbriefen von Rudolf Rust oder Gertrud Mayer um «Fakes», also Fälschungen, handeln würde, ist falsch. Diese Personen existieren und in jedem Fall eines Pseudonyms ist der goodnews4-Redaktion Identität und Klarname bekannt. Richtig ist, dass die beiden Leserbriefschreiber sich mit der Rolle des Baden-Badener Zeitungsverlages im Nationalsozialismus befassen, insbesondere in Zusammenhang mit den Eigentumsverhältnissen des alten Synagogen-Grundstücks in Baden-Baden, das sich im Eigentum der Baden-Badener Zeitungsverleger befindet. Das Grundstück der 1938 niedergebrannten Synagoge wurde jahrelang vertragswidrig als Parkplatz für das Badische Tagblatt benutzt.

In der Facebook-Gruppe mit falschen Behauptungen zu goodnews4-Veröffentlichungen ist auch die BT-Zeitungsverlegerin und Mitverantwortliche für die Entscheidungen der Eigentümerfamilie, Xenia Richters, als Mitglied aufgeführt. In keinem Fall gingen Rita Hampp und die Zeitungsverlegerin auf in den Leserbriefen dargelegte Fakten ein. Ein jüdischer Mitbürger, der dies forderte, wurde aus dieser Facebookgruppe mit dem Namen «Baden-Baden gegen Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung» ausgeschlossen.


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