Festspielhaus Baden-Baden

Shakespeare in Baden-Baden – „Tod in Venedig“ und „Ein Sommernachtstraum“ vom Hamburg Ballett John Neumeier

Shakespeare in Baden-Baden – „Tod in Venedig“ und „Ein Sommernachtstraum“ vom Hamburg Ballett John Neumeier
Foto: Kiran West

Baden-Baden, 22.09.2021, Bericht: Festspielhaus Im Rahmen seiner diesjährigen Residenz zeigt das Hamburg Ballett am zweiten Oktoberwochenende im Festspielhaus «Ein Sommernachtstraum».

Die Vorstellungen am Freitag, den 8. Oktober um 20 Uhr, Samstag, den 9. Oktober (18 Uhr) und Sonntag, dem 10 Oktober um 17 Uhr, bilden den krönenden Abschluss des Gastspiels, das neben den großen Balletten «Tod in Venedig» und «Ein Sommernachtstraum» im Festspielhaus weitere von John Neumeier ausgewählte Tanzvorstellungen befreundeter Künstler in Baden-Baden präsentiert.

Liebes-Irrungen und Wirrungen

Vier heftig verliebte junge Menschen, die im nächtlichen Wald alle paar Minuten jemand anderem nachlaufen, dazu zwei hohe Paare, die sich ihrer Liebe nicht ganz sicher sind. Eine stolze Elfenkönigin, die sich in einen Esel verguckt, ein Trupp rechtschaffener Handwerker, die als Laienschauspieler dilettieren, und mittendrin ein übermütiger Elf namens Puck, der mit seiner Zauberblume jeden verliebt machen kann, nur leider vollkommen den Überblick verliert. Bis alle Liebenden in vier glückliche Paare sortiert sind und das Amateurtheater samt Löwengebrüll und Mondlicht absolviert wurde, vergeht im Olivenhain bei Athen eine turbulente, magische Mittsommernacht, in der William Shakespeare uns mit großem Verständnis über all die wirren und absurden Spielarten der Liebe lächeln lässt.

1977 machte John Neumeier ein Ballett aus Shakespeares wunderbarer Komödie, das seitdem mit seiner Komik und mit seinen schönen Pas de deux zu einem der beliebtesten Werke des Hamburger Choreografen und ebenfalls zum Klassiker geworden ist. Musikalisch spiegelt der Choreograf die drei Ebenen der Adeligen, der Elfen und der Handwerker in drei sehr unterschiedlichen Klangwelten: Felix Mendelssohn-Bartholdys flirrende, klassisch-romantische Schauspielmusik begleitet, ergänzt durch weitere Ouvertüren und kurze Stücke des Komponisten, die Liebenden auf ihrem Weg zum Happy End. Für die Elfen, die in schimmernden Trikots den Wald und womöglich auch das Unterbewusstsein der Menschen beherrschen, erklingt eine flächige, zwischen Dissonanz und Meditation changierende Orgelmusik von György Ligeti, die eine unwirkliche, fast surreale Atmosphäre schafft. Die bodenständigen Handwerker bringen ihre eigene Begleitung mit, sie proben ihr Theaterstück zu einer munteren, vorlauten Drehorgel.

 

Deutschlands berühmtester Ballett-Bühnenbildner Jürgen Rose stattete die drei Welten des «Sommernachtstraum» aus, mit prachtvoll drapierten Räumen am Hof des Herzogs von Athen, mit einem magisch beleuchteten Wald und den passenden, feinen Kostümen für die verliebten Adelskinder, für die zaubernden Elfen und die gemütlichen Handwerker. Gemeinsam mit Rose sorgt John Neumeier dafür, dass wir die vielen Personen stets auseinanderhalten und ihre komplizierten, wechselnden Liebesbegehren staunend nachvollziehen können; die Charaktermerkmale von Hermia, Helena, Demetrius und Lysander spiegeln sich in der Bewegungssprache wie in ihren Kostümen. Die Elfen werden bei Neumeier zu einer fast mystischen Macht im Walde, sie bewegen sich, angeführt von Oberon und Titania, athletisch und in langen, starken Linien zwischen den Bäumen und den liebesverwirrten Menschen. Ein absolutes Meisterstück ist die Charakterkomik der Handwerkertruppe um den Weber Zettel, dem Puck zwischendurch einen Eselskopf auf die Schultern zaubert. Die sieben Herren proben ein Liebesdrama und kämpfen sehr lustig mit der authentischen Darstellung einer Wand, des Mondlichts oder auch der holden Weiblichkeit. Ein abschließender Pas de deux für das Brautpaar Hippolyta und Theseus feiert die wahre Liebe, die über alles Zögern und Zaudern siegt.

Die musikalischen Zauberwelten von Felix Mendelssohn-Bartholdy und György Ligeti bringt die Philharmonie Baden-Baden zum Klingen. Am Pult steht der Dirigent Markus Lehtinen, der mit dem Hamburg Ballett 2017 bei «Romeo und Julia» und der Ballett-Gala an Silvester 2016 im Festspielhaus zu Gast war.

«Ein Sommernachtstraum» ist eines von sechs Shakespeare-Werken, die John Neumeier für den Tanz adaptiert hat; der Choreograf, der für seine Literaturballette berühmt geworden ist, nennt den britischen Barden «den humansten» unter den Dichtern. Zwischen dem Prokofjew-Klassiker «Romeo und Julia» und einem sehr modernen, am Tanztheater orientierten «Othello» hat es ihm vor allem «Hamlet» angetan, den er bis heute in mehreren Bearbeitungen auf die Bühne brachte. Unter all den Tragödien aber ist ihm der turbulente Liebesreigen zwischen verwirrten Menschen und Elfen vielleicht am schönsten gelungen, wenn er die Empörung enttäuschter Liebender, das Sehnen und Überzeugen, die Magie der Erfüllung in immer neuen Pas de deux zeigt – wenn er die Sommernacht lächeln lässt.


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