Die Geschichte der Thermalquellen von Baden-Baden

Wolfgang Kohler erklärt die Geschichte Baden-Badens - "Zwischen Römern und frühem Mittelalter zwei, drei Urkunden" - "Verdichtung der Bebauung eine riesen Sünde"

goodnews4-LogoVIDEO anschauen!
goodnews4-VIDEO-Interview von Nadja Milke mit Wolfgang Kohler

Baden-Baden, 06.02.2018, 00:00 Uhr, Bericht: Christian Frietsch In den 60er Jahren war er mit Freunden in Baden-Baden unterwegs und fand einen versteinerten Tintenfisch. Heute ist Wolfgang Kohler der vielleicht kundigste Geologe und Bäder-Historiker unserer Stadt. Im goodnews4-VIDEO-Interview öffnet er eine Welt, die vielen Baden-Badenern bisher verschlossen war. Eine Welt, besser eine Unterwelt, die den Ruhm unserer Stadt begründete und Millionen Jahre zurückreicht, auch in jene Zeit als an diesem aufgeregten Fleck unserer Tage noch jener Tintenfisch herumschwamm, den der ehemalige Baden-Badener Stadtamtsrat Wolfgang Kohler als Fossil wieder gefunden hat.

Die Recherchen des Wissenschaftlers ohne akademische Grade reichen Millionen Jahre zurück, in jene Zeiten als sich die Geologie festlegte. Und so sprudelt dieser Satz ganz leicht und selbstverständlich aus ihm heraus: «Der Friesenberggranit, die alten Schiefer, die es hier ja auch noch gibt, bilden die Sperre und Richtung Süden besteht der nicht so tiefe Untergrund aus Carbongesteinen, die wesentlich durchlässiger sind, und deshalb kommt das Thermalwasser an dieser Stelle nach oben.» Und dann ist Wolfgang Kohler auch gleich wieder fast in unserer Zeit angelangt und erklärt, dass in der jüngeren Geschichte Zeugnisse für fast 1.000 Jahre Baden-Badener Geschichte «zwischen den Römern und dem frühen Mittelalter», gerade mal nur «zwei, drei Urkunden» gebe. Erst seit dem späteren Mittelalter gebe es dann Literatur, «hauptsächlich über die Bäder, und da werden auch immer wieder die Römer erwähnt, dass es hier vom Antonius Bäder gab».

Dann habe sich die Stadt weiter entwickelt bis zum Dreißigjährigen Krieg, «da kam es zum absoluten Niedergang und dann anschließend zum großen Stadtbrand 1689, wo die Stadt dann fast 100 Jahre lang bedeutungslos war». Dann, Anfang des 19. Jahrhunderts, habe man sich wieder für die Bäder interessiert und es gab dann einen Aufschwung, der heute seinen Niederschlag finde, schlägt Wolfgang Kohler den Bogen in unser Jahr 2018. Aus der geschilderten Entwicklung seit dem 19. Jahrhundert resultiere «die Bewerbung Baden-Badens als Weltkulturerbe».

Doch der langjährige Mitarbeiter der Stadt Baden-Baden und leidenschaftliche Geologe mahnt, auch das Erbe nicht zu verspielen. Er äußert zwei Wünsche für die Zukunft: «Dass ein Thermalquellenschutz aufrechterhalten wird, der vor 50, 100 Jahren sehr hoch gehalten wurde.» Und der zweite Wunsch sei, «dass man diese unsägliche Verdichtung der Bebauung in Baden-Baden endlich mal stoppt, weil der Charakter der Stadt und die freien Aussichten auf die Stadt zum Großteil in den letzten Jahren verlorengegangen ist für Wohnungen, wo keine Dauermieter oder Hausbesitzer wohnen, sondern die temporär als Domizil genutzt werden, und das finde ich für Baden-Baden wirklich schade.» Und mit all seinem Wissen nennt er die Baden-Badener Baupolitik als den größten Makel für die Stadt: «Die Verdichtung der Bebauung halte ich für eine riesen Sünde.»

PDF Vortrag von Wolfgang Kohler: «Die Thermalquellen von Baden-Baden»


Abschrift des goodnews4-VIDEO-Interviews mit Wolfgang Kohler:

goodnews4: Seit 2000 Jahren ist die Existenz des Thermalwassers bekannt, Wolfgang Kohler. Das Wissen darüber füllt viele Bücher. Was ist das Mindeste, was der patriotische Baden-Badener geschichtlich darüber wissen sollte?

Wolfgang Kohler: Eigentlich ist es die allgemeine Entwicklung der Stadt. Dass die Römer hier waren, dass die Römer Thermalwasser genutzt haben, dann die Entwicklung im Mittelalter, als die Markgrafen hierher kamen. Wir haben eine große geschichtliche Lücke zwischen den Römern und dem frühen Mittelalter, da gibt es zwei, drei Urkunden, mehr nicht, das heißt, da ist viel Spekulation. Seit dem späteren Mittelalter gibt es dann Literatur, hauptsächlich über die Bäder, und da werden auch immer wieder die Römer erwähnt, dass es hier vom Antonius Bäder gab. Dann hat sich die Stadt weiterentwickelt bis zum Dreißigjährigen Krieg, da kam es zum absoluten Niedergang und dann anschließend zum großen Stadtbrand 1689, wo die Stadt dann fast 100 Jahre lang bedeutungslos war. Die Residenz der Markgrafen wurde verlegt nach Rastatt und erst als der Rastatter Kongress Anfang des 19. Jahrhunderts stattfand, hat man sich wieder für die Bäder interessiert und es gab einen Aufschwung, der heute seinen Niederschlag finden soll, denn die Bewerbung Baden-Badens als Weltkulturerbe resultiert aus dieser Zeit, die berühmten Bäderbauten, zum Beispiel Friedrichsbad oder das Alte Dampfbad, wo wir jetzt sind, oder auch das Kurhaus, das in dieser Zeit gebaut wurde, die die Bedeutung wiederspiegeln, die Baden-Baden vor allem im 19. Jahrhundert hatte.

goodnews4: Mit den Thermen hat alles begonnen. Der Name Baden-Baden, gesellschaftliche Aufstieg Baden-Badens. Was muss man denn - sagen wir einmal technisch wissen. Wo fließt das Wasser? Und auf was müssen wir aufpassen, bei Baumaßnahmen zum Beispiel?

Wolfgang Kohler: Man muss sich zunächst mal bewusst sein wo das Thermalwasser überhaupt herkommt. Das Thermalwasser hat ein Einzugsgebiet, das im Süden bis zur Badener Höhe reicht, Ruhberg, Rote Lache. Dort versickern die Niederschläge und wandern dann Richtung Vorfluter, Richtung Rheinebene. In Baden-Baden gibt es eine Schwelle aus Friesenberggranit, der vom Friesenberg über das Kurhaus und das Neue Schloss zum Alten Schloss reicht, der sehr kompakt ist und wie eine Sperrmauer wirkt für das Thermalwasser, das im Untergrund Richtung Rhein wandert, und das Thermalwasser dann an die Oberfläche zwingt. Normalerweise würden die Quellen in der Talsohle entspringen, weil es der tiefste Punkt ist, aber durch den Flusslauf der Oos wurde dieser Untergrund praktisch versiegelt und deshalb kommen sie 50 Meter höher als die Talsohle an die Oberfläche. Der Friesenberggranit, die alten Schiefer, die es hier ja auch noch gibt, bilden die Sperre und Richtung Süden besteht der nicht so tiefe Untergrund aus Carbongesteinen, die wesentlich durchlässiger sind, und deshalb kommt das Thermalwasser an dieser Stelle nach oben.

goodnews4: Was müssen wir machen, um auf dieses Erbe aufzupassen, es zu bewahren, bei Baumaßnahmen zum Beispiel? Wir befinden uns im Alten Dampfbad unterhalb des Neuen Schlosses, wo auch eine Tiefgarage geplant war oder ist und es Befürchtungen gibt, dass dies Auswirkungen auf die Thermalquallen haben könnte.

Wolfgang Kohler: Diese Baumaßnahmen im Bereich vom Neuen Schloss sind äußerst problematisch. Die Untersuchungen, die bisher veröffentlicht wurden, und auch die Gutachten, beinhalten nicht den gesamten Untergrund des Bauprojekts. Man hat Sondierungen gemacht wann der Fels kommt, aber man hat den Fels selbst nicht untersucht. Dieser Fels wurde 1870 durch einen Stollen erschlossen, der vom Klostergarten vom Heiligen Grab unter den Schlossgarten führte, und da kam Thermalwasser heraus. Daraufhin hat man den Stollen wieder zugesetzt, weil die Quellen ja kurz vorher über zwei Stollenanlagen erschlossen wurden. Die Schlossmauer war damals das Opfer dieser unruhigen, vom Thermalwasser gestörten Felsen, sodass man die Mauer dann abgetragen hat. Die geologischen Untersuchungen sind aus meiner Sicht aber unvollständig.

goodnews4: Bei großen Bauprojekten also die Geologie nicht vergessen und, wenn sie auch etwas aufwändiger sind, ordentliche Untersuchungen durchführen − oder was ist Ihre Empfehlung?

Wolfgang Kohler: Ich würde gegen dieses Bauprojekt einen ganz großen Einwand erheben. Als ich begonnen habe über die Thermalquellen zu recherchieren, war ich eigentlich nicht gegen das Projekt, ich war neutral, aber nachdem ich den Baukörper aus verschiedenen Unterlagen kenne und der Baukörper die Statik im Untergrund verändert, was zur Störung der Thermalquellen führen könnte, durch den Baukörper emittieren auch Wasser, Lösungen und Farbe und alles geht in den Untergrund und darunter sind die Thermalquellen. Die Thermalquellen selbst kommen ja aus der sogenannten Hauptthermalspalte, die eigentlich keine Spalte ist, sondern ein Spaltensystem, und dieses Spaltensystem führt unter dem Schlossgarten durch Richtung Hungerberg. Sinnigerweise hat man in den Unterlagen für die Baugenehmigung die geologische Struktur, die Verwerfungen, abgedeckt in diesem Bereich − das war vielleicht schlimme Absicht.

goodnews4: Mit den Angeboten von Caracalla und Friedrichsbad sind die Thermen noch ganz aktuell präsent und beliebt. Aber warum sind denn die guten alten Badeärzte verschwunden, wissen Sie das?

Wolfgang Kohler: Ich meine, dass sich einfach das Kurverhalten geändert hat und auch die Bezuschussung der Kuren erheblich runtergefahren wurde, dass das nicht mehr diese Bedeutung hat.

goodnews4: Viel Streit gab es um das Thermalwasser vor wenigen Jahren wegen Unverträglichkeiten, giftiger Inhaltstoffe wie Arsen. Nun hört man wenig darüber und es hängen Schilder an den Brunnen mit der Aufschrift «Kein Trinkwasser». Was kann denn das Baden-Badener Thermalwasser als Heilwasser leisten?

Wolfgang Kohler: Zu Badezwecken würde ich keine Einschränkung machen, als Trinkwasser − eine Zeitung hat die Entarsenisierung als «Provinzposse» bezeichnet, was sie eigentlich auch ist. Man hat sich auf das Arsen gestürzt und hat sämtliche anderen problematischen Inhaltsstoffe, die auch im Thermalwasser sind, gar nicht angeführt. Meine Prognose war, wenn das Arsen aus dem Wasser raus ist, dann kommt in ein paar Jahren danach erst Fluor und dann Lyzeum. Die Öffentlichkeit weiß in Baden-Baden sehr wenig über die geochemischen Verhältnisse im Untergrund. Wir haben hier einige Stellen, die arsenproblematisch sind, wo auch Trinkwasser daraus gewonnen wird. Nicht nur die Thermalquellen, zum Beispiel das ganze Yburgmassiv ist arsenbelastet, dann die ganzen Quellen im Stadtwald, die zum Teil aus dem Carbon entspringen, sind belastet. Wir haben also viel mehr Arsen, wobei man immer nur auf das Thermalwasser deutet. Interessanterweise ist es so, dass die Analysen des Trinkwassers in dieser Richtung sehr wenig aussagekräftig sind. Radioaktivität zum Beispiel ist auch so ein Inhaltsstoff, denn wir haben ja Radon, was gar nicht so ungewöhnlich ist, im Untergrund, was dann auch im Thermalwasser oder in den Quellen, die im Stadtwald gefasst werden, rauskommt, also das Trinkwasser.

goodnews4: Sind die Thermalquellen eigentlich eine vergebene Chance für Baden-Baden in unserer Zeit?

Wolfgang Kohler: Ich glaube, dass man diesen Hype auf Modebäder auch ändern kann, indem man hier einen traditionellen Kurbetrieb hat, der natürlich eine gewisse Modernisierung braucht, der aber aus meiner Sicht eine riesige Chance hat. Viele Modebäder sind austauschbar und ich halte die Eigenständigkeit von Baden-Baden für wichtig. Vielleicht ist die Bewerbung als Weltkulturerbe eine Chance, aber ob das kommt − Heidelberg hat es ja auch versucht und wurde kein Weltkulturerbe − also da ist Baden-Baden auch noch nicht durch.

goodnews4: Was wünschen Sie sich für Baden-Baden und seine Thermalquellen für die Zukunft?

Wolfgang Kohler: Das ist eine schwierige Frage. Ich wünsche mir, dass ein Thermalquellenschutz aufrechterhalten wird, der vor 50, 100 Jahren sehr hoch gehalten wurde, dass er wieder intensiviert wird. Das ist das Erste. Und das Zweite ist, dass man diese unsägliche Verdichtung der Bebauung in Baden-Baden endlich mal stoppt, weil der Charakter der Stadt und die freien Aussichten auf die Stadt sind zum Großteil in den letzten Jahren verlorengegangen für Wohnungen, wo keine Dauermieter oder Hausbesitzer wohnen, sondern die temporär als Domizil genutzt werden, und das finde ich für Baden-Baden wirklich schade. Die Verdichtung der Bebauung halte ich für eine riesen Sünde.

goodnews4: Zum Schluss noch einige Worte zu Ihnen, Wolfgang Kohler, wie sind Sie denn zur Leidenschaft für die Baden-Badener Thermalquellen gekommen?

Wolfgang Kohler: Ich bin Ende der sechziger Jahre mit Freunden hier unterwegs gewesen, die Mineralien und Fossile gesammelt haben, und ich war als unbedarfter Mensch dabei und habe einen versteinerten Tintenfisch gefunden. Das hat dann die Frage ausgelöst: Was gibt es in Baden-Baden noch? Es gibt wunderschöne Achate hier und Amethysten. Dann habe ich das immer weitergetrieben. Dazu kam, dass ich immer wieder gebeten wurde, Vorträge zu halten und dafür braucht man natürlich Literatur und dann stößt man auf die Bäder-Literatur und dann war natürlich die Diskussion der letzten Jahre immer wieder ausschlaggebend, dass man sich da intensiver damit beschäftigt hat. Das ist aber nicht das einzige Thema, mit dem ich mich beschäftige. Gold ist zum Beispiel auch ein großes Thema.

goodnews4: Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Nadja Milke für goodnews4.de

goodnews4-LogoVIDEO anschauen!
goodnews4-VIDEO-Interview von Nadja Milke mit Wolfgang Kohler


Zurück zur Startseite und zu den weiteren aktuellen Meldungen.


goodnews4-Logogoodnews4Baden-Baden Breaking News kostenlos abonnieren!

Jeden Tag sendet goodnews4.de die wichtigste Nachricht als News-E-Mail.
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!