Kein Konzept in Baden-Badener Verkehrspolitik
Stadtrat Schmoll kritisiert autoorientierte Verkehrspolitik in Baden-Baden – Am Beispiel Stadtklinik: „Herumdoktern an den Symptomen“

Baden-Baden, 29.05.2018, Bericht: Redaktion Mit diversen Experimenten hat die Baden-Badener Stadtverwaltung auch für den öffentlichen Nahverkehr einiges Geld versenkt.
So für die Idee eines Park & Ride-Konzepts von der Cité in die Innenstadt. Leicht vorhersehbar war, dass die Busse ebenso wie Autos in etwaigen Staus auf dem Autobahnzubringer stehen würden. Kein Grund also für Autofahrer in das Kino-Parkhaus zu fahren, um dann in einen Bus zu steigen. Mit einer halben Million Euro bezuschusste die Stadt das Kino-Parkhaus, das von der stadteigenen Parkgaragengesellschaft gemanagt wird. Das Geld wurde wohl fehl investiert.
Erneut will nun die städtische Tochter Klinikum Mittelbaden Parkplätze im Kino-Parkhaus und auch am Schweigrother Platz anmieten, kritisiert Stadtrat Werner Schmoll, SPD. Die Folge einer in diesem Fall erneut fehlerhaften Planung führt nach Einschätzung Werner Schmoll dazu, «dass dadurch Menschen vom Bus auf den Pkw umsteigen und die Belastung der Bewohner unserer Stadt durch immer mehr Blech und Abgase weiter steigt.» In einem Antrag in einem ausführlichen Schreiben wendet sich der SPD-Stadtrat an Oberbürgermeisterin Margret Mergen.
Wie in der Baupolitik sind auch bei der Baden-Badener Verkehrspolitik Partikular-Interessen für Entscheidungen bestimmend. Für leere Parkhäuser sind die Betreiber zuständig, nicht die Steuerzahler. So ist auch in der Verkehrspolitik in Baden-Baden kein Konzept erkennbar. Das sieht auch Werner Schmoll so: «Wir wollen eine nachhaltige Verkehrslösung für unsere ‘Stadtklinik’ und nicht das herumdoktern an den Symptomen einer autoorientierten Verkehrspolitik.»
Das Schreiben von Werner Schmoll an OB Mergen im Wortlaut:
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
Fraktion im Gemeinderat der Stadt Baden-Baden
Antrag: Klinikum Mittelbaden Baden-Baden Balg: Bau einer weiteren Zufahrt
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
vor kurzem teilte die Geschäftsleitung des Klinikums Mittelbaden, KMB, mit, man wolle am
Schweigrother Platz und im Cineplex-Parkhaus 100 weite Pkw-Stellplätze anmieten. Wir
halten dies für den falschen Weg, und sehen die Gefahr, dass dadurch Menschen vom Bus
auf den Pkw umsteigen und die Belastung der Bewohner unserer Stadt durch immer mehr
Blech und Abgase weiter steigt. Außerdem wird durch die Absicht der Klinikleitung die
städtebauliche Entwicklung des Schweigrother Platzes auf Jahre hinaus blockiert.
Die SPD-Fraktion fordert eine sehr enge zeitliche Begrenzung der oben genannten
Maßnahmen.
Wir wollen eine nachhaltige Verkehrslösung für unsere «Stadtklinik» und nicht das
herumdoktern an den Symptomen einer autoorientierten Verkehrspolitik. Viel zu lange schon
setzt man bei Stadt und Klinikleitung auf immer mehr Parkplätze obwohl Alternativvorschläge
schon seit mindestens neun Jahren auf dem Tisch liegen. Ich darf in diesem Zusammenhang
auf meinen Antrag an den Gemeinderat vom 16.04.2009 verweisen.
Die kürzlich vorgestellte Beteiligung des KMB an der städtischen «Mitfahrapp» wird von uns
grundsätzlich begrüßt. Zu sehen ist aber, dass auch hier die Vorstellungskraft der
Verantwortlichen nicht über Modelle hinausreichen, die sich am motorisierten
Individualverkehr orientieren.
Im Namen der SPD-Fraktion beantrage ich der Gemeinderat möge beschließen:
1. Die Verwaltung erarbeitet einen Plan, wie die Klinik Balg durch eine zweite Zufahrt
für den ÖPNV erschlossen werden kann. Die Planung soll unter der Prämisse erfolgen,
dass eine Bushaltestelle in unmittelbarer Nähe zum Haupteingang eingerichtet werden
kann.
2. Im Zuge des Neubaus einer ÖPNV-Zufahrt wird diese Trasse in Richtung
Notaufnahme als weiterer Rettungsweg ausgebaut.
3. Im Zusammenhang mit der neuen Zufahrt muss die Linie 206 neu konzipiert und die
Busfrequenz in Richtung «Stadtklinik» mindestens verdoppelt werden. Der Fahrbetrieb
soll bis in die Abendstunden hinein ausgeweitet werden.
4. Die Oberbürgermeisterin wird gebeten, sich als stellvertretende Vorsitzende im
Aufsichtsrat des Klinikums dafür einzusetzen, dass für die Klinik Balg ein
Fahrradkonzept für Angestellte und Besucher erarbeitet wird.
5. Die Oberbürgermeisterin wird gebeten, sich als stellvertretende Vorsitzende im
Aufsichtsrat des Klinikums dafür einzusetzen, dass für alle Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter ein Personalticket angeboten wird und der Zuschuss zur KVV-Monatskarte
von derzeit 10 Euro auf 25 Euro erhöht wird.
6. Die Oberbürgermeisterin wird gebeten, sich als stellvertretende Vorsitzende im
Aufsichtsrat des Klinikums dafür einzusetzen, dass der Internetauftritt des KMB
dahingehend verändert wird, dass für die Klinik Balg nicht nur die Straßenverbindung
sondern auch das entsprechende ÖPNV-Angebot des KVV dargestellt wird.
Begründung/Erläuterung:
1. Zweite Zufahrt
Die von uns vorgeschlagene zweite Zufahrt zur «Stadtklinik» verkürzt massiv die Entfernung
von der Haltestelle zum Haupteingang, erlaubt ein Wenden der Busse und schafft die
Voraussetzung für einen weiteren Rettungsweg.
Ein großer Standortnachteil der Klinik Balg war schon immer, dass sie abseits der viel
befahrenen Trassen der Verkehrsbetriebe gebaut wurde und die Bushaltestelle «Klinik Balg»
nicht in unmittelbarer Nähe des Haupteingangs liegt. Folge: Für viele Menschen sind die
Busse in Richtung Stadtklinik völlig unattraktiv und das Auto in Richtung Balg alternativlos.
Es ist besser, ein Teil der Wiese bei der «Stadtklinik» zu «opfern» anstatt mittelfristig immer
weitere Autoparkplätze zu bauen.
Der beigefügte Plan zeigt, dass eine Buszufahrt in Richtung Haupteingang der «Stadtklinik»
möglich ist, auch wenn die baulichen Gegebenheiten des Geländes sehr anspruchsvoll sind.
Für Patienten, Besucher und Mitarbeiter könnte sich dadurch der Weg von der Haltestelle
zum Haupteingang der Klinik von heute 270 Meter auf rund 50 Meter verkürzen.
Außerdem eröffnet der Neubau der Zufahrt für die Klinik, wie unter Punkt 2 und 3
dargestellt, völlig neue Möglichkeiten.
2. Zweite Zufahrt für Rettungsfahrzeuge
Die Stadtklinik wurde seit Beginn der Planungen vor fast 50 Jahren unter völlig anderen
Voraussetzungen konzipiert als wir sie heute vorfinden. Eine einzige Zufahrt für das damals
wesentlich kleinere Haus war sicher angemessen.
Die Stadtklinik vor ca. 40 Jahren mit wesentlich weniger Autostellplätzen. Der motorisierte Individualverkehr hat
sich seither mehr als verdoppelt und der Einzugsbereich des Hauses wurde auf den gesamten Landkreis Rastatt
ausgedehnt.
Seit deren Inbetriebnahme im Jahr 1977 stieg aber die Zahl der Pkw bundesweit von 20 Mio.
auf mehr als 45 Millionen, mit erheblichen Folgen auch für unsere Stadtklinik. Der größere
Einzugsbereich des Klinikums Mittelbaden tat später ein Übriges, den Motorisierungsgrad
von Patienten und Mitarbeitern weiter zu steigern. Zahlreiche neue Parkplätze mussten
gebaut werden.
Der gesamte Verkehr, auch Rettungsdienst und Zulieferung, kann nur über eine einzige
Zufahrt geführt werden, in der zudem bis heute parkende Autos geduldet werden. Sollte sich
in dieser Zufahrt einmal ein Unfall ereignen, könnten unter Umständen wertvolle Minuten
verlorengehen bis ein Passieren von Rettungsfahrzeugen wieder möglich ist.
Außerdem muss bei solchen Einrichtungen immer mit dem schlimmsten gerechnet werden.
Im Falle einer notwendig werdenden Evakuierung der Klinik oder bei verstärkten
Anlieferungen von Notfallpatienten z.B. bei einer Katastrophe in der Region wäre eine
weitere Zufahrt zum Klinikum Balg von unschätzbarem Wert.
3. Busfrequenz in Richtung «Stadtklinik» mindestens verdoppeln
Die Taktzeiten der Linie 206 sind völlig unzureichend und haben zusammen mit der
unattraktiven Linienführung, ohne Anschluss an den Bahnhof, mit dazu beigetragen, dass
viel zu wenige Menschen das Angebot des KVV annehmen. Zudem wurde fatalerweise der
Busverkehr im Jahr 1993 ab 20.00 Uhr gekappt und der Betrieb auf Anrufsammeltaxi, heute
Anruflinientaxi, umgestellt, was die Verfügbarkeit des ÖPNV vor allem für Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer erheblich eingeschränkte.
Nur durch den Bau einer neuen Zufahrt kann für Busse eine Wendemöglichkeit geschaffen
werden, die Voraussetzung dafür ist, dass eine hoch verdichtete Linie bis zur «Stadtklinik»
eingerichtet werden kann, bei der der Bus nicht bei jeder Fahrt in Richtung Balg zeitraubend
die gesamte Strecke bis zum Friedhof, 2,5 Kilometer hin und zurück, zurücklegen muss.
Eine Neukonzeption der Linie 206 muss selbstverständlich auch beinhalten, dass die
«Stadtklinik» per ÖPNV an den Bahnhof und damit an das Einzugsgebiet des Klinikums
Mittelbaden angebunden ist.
Der verdichtete Takt muss bis in die Abendstunden hinein durch Busse bedient werden. Das
Angebot des Anruflinientaxis für
Balg soll weiter bestehen
bleiben, wird aber durch die
Taktverdichtung und die
Ausweitung der Fahrten zur
Klinik wohl seltener genutzt
werden.
4. Fahrradkonzept
Dazu könnte unter anderem
gehören, dass die in die Jahre
gekommene und völlig
unbrauchbare
Fahrradabstellanlage auf den
neuesten technischen Stand
gebracht wird. Vor allem
Besitzer von teuren E-Bikes
Die Nutzer der bestehenden Fahrradabstellanlage müssen ihre oft
teuren Räder an den Pfosten der Überdachung anketten. Die alten
Vorderradständer sind völlig unbrauchbar und in keiner Weise auf
der Höhe der Bauvorschriften.
brauchen sichere Anschließmöglichkeiten., siehe Foto, Es sollte auch an Zuschüsse zu EBikes
und eine angemessene Ladeinfrastruktur für solche Fahrräder gedacht werden.
5. KVV Firmenticket
Derzeit erhält jeder KMB-Mitarbeiter, in Baden-Baden!, zehn Euro bei Vorlage einer
Monatskarte. Eine Erhöhung des Zuschusses auf 25 Euro, wie beim Jobticket des Landes,
würde zu einer wesentlichen Steigerung der Attraktivität dieses Angebots führen.
Zusammen mit einer verdichteten und erweiterten Busfrequenz trägt jede zusätzliche
Monatskarte dazu bei, dass auf die Anmietung oder gar den Bau von weiteren Parkplätzen
verzichtet werden kann.
6. Anpassung Homepage
Die Angabe von Busverbindungen ist heute eigentlich bei allen Internetauftritten privater und
öffentlicher Einrichtungen bzw. Firmen Standart. Es ist völlig unverständlich dass dieser
Hinweis auf den meisten Seiten des KMB-Internetauftritts fehlt. Nur unter dem Button
«Ambulanter Pflegedienst» gibt es unter «Anfahrtsbeschreibung» bereits den von uns
geforderten Hinweis auf die Busverbindungen.
Mit freundlichen Grüßen,
Werner Schmoll
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