Konzepte für attraktiven ÖPNV

Zukunft des Öffentlichen Nahverkehrs – Anregungen für Baden-Baden – Wo Bus und Bahn nichts kosten

Zukunft des Öffentlichen Nahverkehrs – Anregungen für Baden-Baden – Wo Bus und Bahn nichts kosten
Neben den einigermaßen hohen Kosten ist die Beförderungsgarantie für viele Verkehrsteilnehmer immer noch ein abschreckender Aspekt, wenn es um den vermehrten Nutzen öffentlicher Verkehrsmittel geht.

Baden-Baden, 19.01.2019, Bericht: Redaktion In einer unregelmäßig erscheinenden Serie wendet sich goodnews4.de unterschiedlichen Schwerpunktthemen zu. In diesem Bericht richtet sich der Blick auf den öffentlichen Nahverkehr und auf Lösungen und Konzepte in anderen Städten und Ländern, wo sich die verantwortlichen Politiker für eine kostenfreie Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs entschieden haben.

Dieselskandal, Verkehrschaos, Parkplatzsuche − Autofahrer müssen einiges in Kauf nehmen. Entweder sie stehen im Stau, finden keinen Parkplatz oder müssen viel Geld für einen Stellplatz bezahlen. Und als Dieselfahrer bleibt die Angst vor Fahrverboten. Da sollte der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel eigentlich nicht schwerfallen. Eigentlich.

Doch die Realität sieht anders aus. Täglich quälen sich Blechlawinen durch die Innenstädte, allesamt besetzt mit meist nur einer Person, die auf dem Weg zur Arbeit oder zurück nach Hause fährt. Kein Wunder, dass die Innenstädte regelmäßig mehr als verstopft sind. Aber warum steigen Autofahrer dann nicht auf den öffentlichen Nahverkehr um? Liegt es an den Kosten, die den Rahmen vieler Berufstätiger sprengen? Wer ohnehin ein Auto benötigt, wofür fixe Kosten für die Kfz-Steuer und Versicherung anfallen und die Anschaffungskosten sich auch amortisieren sollen, sieht es vermutlich nicht ein, noch zusätzlich einen oft sogar dreistelligen Betrag für ein Monatsticket für die Öffis zu zahlen und damit auch noch weniger flexibel zu sein. Es sei denn, der ÖPNV kostet gar nichts mehr. Ist das die Lösung aller Verkehrsprobleme − vielleicht auch in Baden-Baden?

Australien, Dänemark, Luxemburg − wo gratis Bus- und Bahnfahren schon möglich ist

Das Ausland macht es vor: In Australien fährt in verschiedenen Großstädten der öffentliche Nahverkehr auf ausgewählten Strecken bereits kostenlos, darunter in Melbourne, Perth und Adelaide. Auch in den USA bestehen Angebote, mit kostenlosen Nahverkehrsangeboten von A nach B zu kommen, meist auf Teilstrecken oder in Form von Shuttle-Bussen. In der Stadt Chapel Hill in North Carolina fahren sogar kostenlose Hybrid-Busse.

Das Angebot wird hier sehr gut angenommen und führte sogar schon zur Eheschließung eines Studentenpärchens, das sich auf der Fahrt zur Universität South Carolina kennen- und lieben gelernt hat − die beste Werbung, um auch in umliegenden Städten die Bevölkerung für kostenlosen öffentlichen Nahverkehr zu begeistern. Auch in England gab es mehrere Versuche in verschiedenen Großstädten, die sich aber aufgrund knapper Kassen nur in wenigen Städten längerfristig durchsetzen konnten, darunter Manchester.

In Dänemark sind es die kleinen Inseln, die teilweise kostenlosen Busverkehr anbieten. In der City von Odense ist eine wahre Touristenattraktion unterwegs: Ein Bus in Pink, verziert mit Märchenfiguren, ganz im Zeichen des aus Odense stammenden Märchenerzählers Hans-Christian Andersen, fährt nicht nur Einheimische durch die Stadt. Ist kostenloser Nahverkehr also auch eine Möglichkeit, mehr Touristen in die Stadt zu locken? Oft sind es noch eher klassische Faktoren, welche Stadtplanern in den Sinn kommen, um die touristische Attraktivität einer Stadt zu erhöhen. Doch «moderne» Konzepte wie freies WLAN oder kostenloser Nahverkehr werden immer wichtiger.

In Luxemburg steht der kostenlose öffentliche Nahverkehr kurz bevor. Im kommenden Jahr wird das Benutzen der Busse und Trams nicht nur in der Luxemburger City gratis angeboten, sondern im gesamten Großherzogtum, und damit auch die Bahnlinien. Premierminister Xavier Bettel möchte damit die hohe Verkehrsdichte im Land minimieren, da Autofahrer hier durchschnittlich über eine halbe Stunde im Stau stehen. Der Verkehr kommt durch zahlreiche Pendler aus allen Richtungen nach Luxemburg: Aus Frankreich, Belgien und Deutschland. Schon jetzt dürfen Schüler und junge Erwachsene bis 20 Jahre in Luxemburg kostenlos ÖPNV fahren, für alle anderen sind die Fahrten mit 2 Euro inkl. zwei Stunden Fahrtzeit im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern unverschämt günstig.

Hinkt Deutschland hinterher? Augsburg will mit gutem Beispiel vorangehen

Bereits Anfang vergangenen Jahres hat der Bund einen Vorstoß in Sachen kostenloser ÖPNV für alle gewagt. Demnach sollten Länder und Kommunen bei einem solchen Vorhaben finanziell unterstützt werden. Fünf deutsche Modellstädte − Mannheim, Reutlingen und Herrenberg in Baden-Württemberg sowie Essen und Bonn in Nordrhein-Westfalen − waren im Gespräch. Doch daraus wurde nichts. Die Einnahmen der Kommunen durch den ÖPNV würden wegfallen, es würde zudem mehr Personal bei steigenden Fahrgastzahlen benötigt, die Fahrtstrecken müssten ausgebaut und besser getaktet werden, wofür es kein ausreichendes Finanzierungskonzept gäbe. Es scheint, als hätte der Bund nach schnellen Lösungen gesucht, um die drohende Klage der EU-Kommission wegen Überschreitung der Schadstoff-Grenzwerte abzuwenden.

Innenstadt von Baden Baden doch nicht autofrei

Im Zuge der Neustrukturierung des Baden-Badener Verkehrs- und Parkleitsystems wurde kurzzeitig die Verbannung des PKW-Verkehrs aus der Innenstadt diskutiert. Hier zog OB Margret Mergen allerdings auch schon einen Schlussstrich unter die Diskussionen. Ihrer Meinung nach ist ein autofreies Baden Baden nicht möglich − schlicht, da sich alle wichtigen Parkhäuser gerade im Zentrum befinden. Die Verkehrspolitik der Stadt sei zu lange auf Autos ausgerichtet worden − so jedoch eine häufige Kritik. Als Folge herrscht heute allzu häufig Stau, vor allem auf den wichtigen Zufahrtsstraßen. Zahlreiche Baustellen haben die Situation in den letzten Monaten zusätzlich erschwert. Das Problem: Auch für Busse geht es nicht schneller voran. Sie sind also derzeit auch keine wirkliche Alternative und bleiben für viele unattraktiv.

Individuelle Konzepte gefragt

Jede Stadt bringt ihre eigenen Probleme und Voraussetzungen mit sich. Ein Konzept, das hier funktioniert, kann woanders völlig fehlschlagen. Dennoch waren die ersten Bemühungen in Richtung kostenlosem ÖPNV wohl nicht ganz aussichtslos. Inzwischen haben einige deutsche Städte Konzepte in Eigenregie entwickelt, die zumindest teilweise die kostenlose Nutzung von Bus und Bahn ermöglichen. In Augsburg sollen ab Ende dieses Jahres kostenlose Fahrten mit dem Bus von Parkhäusern am Stadtrand in die City ermöglicht werden. Damit wäre Augsburg Vorreiter im gesamten Bundesgebiet.

Aschaffenburg will zumindest an einem Tag der Woche, dem Samstag, kostenlose ÖPNV-Fahrten anbieten. Dadurch soll der Einzelhandel belebt werden, der unter den zunehmenden Online-Käufen immer stärker zu leiden hat. Bereits im vergangenen Sommer hat es die Stadt Köln schon mal mit einer ähnlichen Idee vorgemacht: Hier durfte man einen ganzen Sonntag lang kostenlos öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Dies diente zwar nicht dem Einzelhandel, sondern sollte werbewirksam auf das ÖPNV-Angebot in Köln aufmerksam machen und wird vorerst auch nicht wiederholt. In Rostock sollen ab 2020 alle Schüler kostenlos mit Bus und Bahn fahren dürfen − und damit dem sogenannten «Elterntaxi» Einhalt gebieten. Solche regelmäßigen Aktionen könnten auch in Baden-Baden die Aufmerksamkeit auf die öffentlichen Verkehrsmittel lenken und die Menschen dazu bewegen, ihr Auto dann einmal stehen zu lassen.

Die Idee des kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs ist nicht neu, auch nicht in Deutschland. Bereits Ende der 1990er Jahre hat es die brandenburgische Stadt Templin vorgemacht: Vier Jahre kosteten öffentliche Verkehrsmittel dort nichts. Doch das Projekt wurde eingestellt. Warum? Die Zahl der Fahrgäste stieg um ein Vielfaches, die Busse waren häufig überfüllt und wurden auch für teils unnütze Fahrten von den Bürgern genutzt. Die Kosten für den ÖPNV stiegen höher als erwartet.

Kostenloser ÖPNV − ein Erfolgsmodell oder zum Scheitern verurteilt?

Was in einigen Städten in Europa und anderswo auf der Welt seit Jahren gut funktioniert, ist hierzulande offenbar kein Erfolgsgarant. Kritiker des kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs nennen dafür verschiedene Gründe. Allen voran: Fehlende Einnahmen. Des Weiteren soll die Wirkung für die Umwelt durch geringere Luftverschmutzung kaum spürbar sein.

Auffällig ist zudem, dass das Konzept, kostenlos mit Bus und Bahn fahren zu können, oft in kleineren Städten besser funktioniert als in Großstädten. In München denkt man jedenfalls nicht darüber nach, den Nahverkehr kostenlos anzubieten. Mit einem vergünstigten Angebot haben die Münchener Verkehrsbetriebe im vergangenen Sommer für neue Kunden geworben: Beim IsarCardAbo bekam man als Neukunde drei Monate geschenkt und bezahlte somit nur für neun anstatt für zwölf Monate.

Für viele Verkehrsbetriebe in Deutschland sind attraktive Preismodelle der Schlüssel zu einem attraktiveren öffentlichen Nahverkehr. Modelle wie in Wien, wo ein Jahresticket 365 Euro − also einen Euro pro Tag − kostet, sehen viele als vorbildliche Alternative zum völlig kostenlosen ÖPNV.

In Bremerhaven können Rentner, die den Führerschein abgeben, sechs Monate kostenlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. In Nordrhein-Westfalen − in Dortmund, Essen, Münster und Rheine − gibt es ähnliche Angebote. Auch dauerhafte Freifahrten für ältere Menschen außerhalb der Stoßzeiten zwischen neun und 16 Uhr wurden schon diskutiert, ebenso wie freie Fahrten für alle FSJ ler, also vorwiegend junge Menschen, die ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren.

Ideen gibt es viele, aber mit Lösungen wird vielerorts noch gespart. Die Hintergründe für entsprechende Überlegungen sind vielfältig. Hauptsächlich geht es darum, die Umwelt zu entlasten und den ÖPNV attraktiver zu machen, damit Viele freiwillig auf ihr Auto verzichten. Aber auch die Belebung des Einzelhandels, beispielsweise durch kostenlose Bus- und Bahnfahrten in die Innenstädte, sind bereits ausgetestet worden. Insgesamt scheint aber der ÖPNV dennoch für zahlreiche Berufstätige eher unattraktiv zu sein.

Dabei ist der Preis oft nicht das entscheidende Kriterium, warum Pendler sich lieber ins Auto setzen, es ist schlichtweg die mangelnde Qualität: Zu viele Verspätungen, eine schlechte Anbindung mit langen Wartezeiten beim Umsteigen und insgesamt zu lange Fahrtzeiten sind die häufigsten Argumente gegen öffentliche Verkehrsmittel. Und obwohl der Preis eher eine untergeordnete Rolle spielt, sind Fahrpreiserhöhungen nicht gut für das Image des ÖPNV.


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