Interview-Serie von Christian Frietsch mit Franz Alt. Teil 1 „Liebe“

„Kann man Putin lieben?“ – Franz Alt gibt auch auf diese Frage eine Antwort

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goodnews4-VIDEO-Interview von Christian Frietsch mit Franz Alt

Bild Nadja Milke Bericht von Nadja Milke
09.08.2023, 00:00 Uhr



Baden-Baden Als Fernsehmoderator bei der ARD hatte er Millionen von Zuschauern. Heute ist Franz Alt einer der erfolgreichsten und gleichzeitig umstrittensten deutschen Bestsellerautoren zu den Themen Klima, Kirche und Krieg.

Christian Frietsch führte anlässlich dessen 85. Geburtstags mit dem Schriftsteller 10 Interviews zu 10 wesentlichen Lebensbegriffen. Jedes Interview dauert etwa fünf Minuten. Im ersten Interview der Serie befassen sich Christian Frietsch und Franz Alt mit dem Begriff «Liebe». Auch zur Frage nach der Feindesliebe und der Frage «Kann man Putin lieben?», gibt Franz Alt eine Antwort.


Abschrift des goodnews4-VIDEO-Interviews von Christian Frietsch mit Franz Alt, Baden-Badener Journalist und Autor, über «Liebe»:

goodnews4: Gerade bist Du 85 Jahre alt geworden, Franz, was ist denn das allererste Erlebnis, an das sich Franz Alt in seinem Leben erinnern kann?

Franz Alt: Bomben. Wenn man 1938 geboren ist, hat man noch den Zweiten Weltkrieg erlebt. Die Angst meiner Mutter vor den Bomben, die wirklich durch reinen Zufall eine Granate überlebte, die ihr am Ohr vorbeiflog. Die Sorgen der Frauen in meinem Dorf Untergrombach, nach dem Zweiten Weltkrieg von marokkanischen Soldaten, die im Auftrag der Franzosen Untergrombach besetzt hatten, vergewaltigt zu werden. Das ist das eine, das andere aber auch, trotz aller Probleme des Krieges und der Nachkriegszeit und des Hungers in der Nachkriegszeit, so ein Urvertrauen meiner Mutter – der Vater war noch im Krieg und der Vater war in Kriegsgefangenschaft nach 45 – ein Urvertrauen ins Leben. Das hat mich in der Tat dann auch geprägt bis heute, trotz aller Probleme, die das Leben mit sich bringt, wenn man 85 ist. Ein Urvertrauen, ein Gottvertrauen, ein Menschenvertrauen, ein Urvertrauen ins Leben. Das war eigentlich immer stärker bei mir ausgeprägt, wie gesagt, durch das Erlebnis in der Kriegs- und Nachkriegszeit mit meiner Mutter, als die Angst vor den Problemen im Leben.

goodnews4: Wir leben ja in einer Zeit, wo das Stichwort der «alten, weißen Männer» ein Begriff geworden ist, der sicher zum Teil zu Recht die alten, weißen Männer diskeditiert. Aber ich will Dich ansprechen als «weiser» Mann, also nicht im Sinne der Hautfarbe, sondern im Sinne der Weisheit. Die Weisheit setzt ja voraus, dass man bestimmte Parameter in einem Leben hat, also bestimmte Werte und Normen und Sichtweisen. Ich hoffe, Du bist einverstanden, dass wir Stichworte aufrufen, um die sich dann diese notwendige Orientierung im Leben bewegt. Wenn man eine Entscheidung trifft, beruht die Entscheidung ja immer auf dem, was man in sich trägt. Ich habe einige Stichworte aufgeschrieben und Du bekommst ein klitzekleines Mitspracherecht, indem Du drei Veto-Begriffe nennen darfst, von denen Du sagst «die fehlen mir» und dann müssen wir andere austauschen. Ich nenne die Begriffe, die ich bisher schon aufgeschrieben habe: Liebe, Krieg, Ehre, Würde, Frieden, Freiheit, Gott, Teufel, Geld und Tod. Und was fehlt Dir jetzt und was müssen wir ersetzen?

Franz Alt: Die Frage, mit der ich mich am meisten in den letzten Jahrzehnten beschäftigt habe, war die Frage der Umwelt und die Frage des Klimas. Vielleicht fehlt der Begriff Klima oder Umwelt.

goodnews4: Gut, dann nehmen wir Klima noch mit rein und streichen dafür was?

Franz Alt: Ehre sollten wir streichen.

goodnews4: Hast Du noch ein zweites Stichwort, was Dir fehlt?

Franz Alt: Zukunft.

goodnews4: Dann streichen wir dafür was?

Franz Alt: Teufel.

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goodnews4: Dann streichen wir Ehre und Teufel für Klima und Zukunft. Wir gehen diszipliniert vor, nach fünf Minuten ertönt der Pfiff der Schiedsrichterin und dann ist das Interview zu Ende. Steigen wir ein zum Thema Liebe. Ich kann mich gut erinnern, dass wir darüber schon mal gesprochen haben. Wir kennen uns seit 30 Jahren und ich habe für den damaligen SWF eine Hörfunksendung gemacht, «Seelen verkaufen», vielleicht erinnerst Du Dich. Und damals hast Du mir gesagt, dass C.G. Jung 100.000 Seiten geschrieben habe rund um die Liebe, sie aber nie gedeutet und erklärt und definiert habe. Das erwarte ich jetzt von Dir. Was ist denn Liebe?

Franz Alt: Liebe ist das, was die Männer am wenigsten wollen, nämlich Liebesarbeit. Wir Männer, ich glaube vor allen Dingen wir Männer, sehen die Liebe als etwas, was vom Himmel fällt. Selbstverständlich ist. In meiner langen Lebenszeit habe ich gelernt, wie zentral wichtig Liebe ist. Das lerne ich auch von meinem großen Vorbild Jesus von Nazareth und seiner Bergpredigt, bis hin zur Feindesliebe. Liebe ist nicht irgendetwas Romantisches, wo man ein Leben lang davon zehren kann, sondern Liebe ist wirklich Liebesarbeit. Und da muss man ganz konkret, von der Partnerschaft bis zur Feindesliebe, etwas dafür tun und das ist das Schwierigste vielleicht, was es im Leben überhaupt gibt.

goodnews4: Kann man Putin lieben? Stichwort Feindesliebe.

Franz Alt: Ja. Michail Gorbatschow mir mal gesagt: «Auch Putin hat einen guten Kern.» Ich habe in den letzten Monaten in sieben deutschen und ausländischen Talkshows zum Thema Putin und Ukraine-Krieg teilgenommen, und mir ist immer aufgefallen, dass das Hauptproblem dieses Feindbild ist, von dem wir nicht wegkommen. Wir sind die Guten und der Putin ist der Böse. Putin macht viel Furchtbares und Putin ist in der Ukraine ein Massenmörder, kein Zweifel. Nur, warum macht er das und warum wurde er dazu? Wir fragen viel zu wenig nach dem Putin aus dem Jahre 2001, als er im Bundestag das Ende des Kalten Krieges erklärt hat und der gesamte Deutsche Bundestag von Rechts bis Links, alle Abgeordneten, ich habe das Bild vor mir, haben Putin Standing Ovations gebracht.

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goodnews4: Glaubst Du, dass Putin über Liebe nachdenkt, so wie Du darüber nachdenkst?

Franz Alt: Er war zumindest, glaube ich, verheiratet, so viel ich weiß, und hat zumindest eine Geliebte und mehrere Kinder. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass es einen Menschen gibt, der nicht über Liebe nachdenkt. Vielleicht diejenigen ganz besonders, denen man es am wenigsten zutraut.

goodnews4: Die Liebe ist ja unterschiedlich zu deuten. Stendhal hat mal versucht, sie zu definieren l’amour passion, l’amour tendrement, l’amour platonique, l’amour physique – also körperliche Liebe, platonische Liebe, die zärtliche Liebe, die leidenschaftliche Liebe. Was ist denn die Art der Liebe, die alles überdacht? Gibt es da etwas?

Franz Alt: Tja, bei diesem Thema, vor allen Dingen bei diesem Thema, komme ich immer wieder auf mein ganz großes Vorbild Jesus von Nazareth zurück und das, was er konzentriert hinterlassen hat, die Bergpredigt. Liebe ist nochmal weit mehr als irgendein romantisches Gefühl, sondern in erster Linie Arbeit. Bis hin zur Feindesliebe. Im Ukraine-Konflikt heißt das ganz konkret und praktisch, auch über unsere eigenen Fehler nachzudenken. Wenn ich mit meiner Partnerin oder meinem Partner einen Konflikt habe, kann ich ihn nicht dadurch lösen, dass ich immer sage «der andere soll sich ändern». Das habe ich auch lange gedacht und ich habe mich dann gewundert, dass meine Frau und ich aus einem Partnerschaftskonflikt nicht rausgekommen sind. Ich habe immer überlegt: Warum ändert sich meine Frau nicht? Und erst als ich in einer Therapie nach C. G. Jung über mich selber nachgedacht habe, ist mir klargeworden, dass eigentlich alle Probleme, die ich auf meine Frau übertragen habe, meine eigenen Probleme waren.

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goodnews4: Hast Du denn irgendetwas entdeckt in Dir, was Du als Liebe bezeichnen kannst? Wo kommt das her? Was für ein Gefühl ist das? Kann man das deuten?

Franz Alt: In dem Augenblick als mir klar war, dass das, was ich auf meine Frau übertragen habe, meine eigenen Probleme waren, ist mir viel über die Liebe klargeworden. Nämlich, dass eben das Arbeit ist, an der man täglich, wenn man in einer Partnerschaft lebt oder auch auf internationaler Ebene in der Politik, arbeiten muss.

goodnews4: Danke für das Interview.

Das Interview führte Christian Frietsch für goodnews4.de.




Nadja Milke ist Redakteurin bei goodnews4.de und Mitglied der Landespressekonferenz Baden-Württemberg. Sie wohnt in der Baden-Badener Innenstadt und kennt sich dort gut aus, aber selbstverständlich auch in den anderen Baden-Badener Stadt- und Ortsteilen. Über Post freut sie sich: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!


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