Sondersitzung im Landtag

Kretschmann-Rede hier – Zur Öffnung von Kitas und Grundschulen ab 18. Januar: "Garantieren können wir es nicht" – "Menschen nach Hause schicken, wenn es im Schwarzwald einfach zu voll wird"

Bild Nadja Milke Bericht von Nadja Milke
08.01.2021, 13:45 Uhr



Stuttgart «Die Menschen müssen wissen, dass wir sie wieder nach Hause schicken, wenn es beispielsweise im Schwarzwald oder auf der schwäbischen Alb einfach zu voll wird», machte Winfried Kretschmann klar, dass es nur noch wenig Spielraum geben kann bei der aktuellen Pandemie-Lage. In seiner Rede heute im Landtag ging Winfried Kretschmann auf die Ereignisse in Washington ein.

Der Ministerpräsident sprach auch davon, dass es keine «Deutschland first»-Mentalität bei der Beschaffung der Impfstoffe geben könne. Zu was diese Mentalität führen würde, könne man ja in den USA sehen.

Von «Verlängerung und Verschärfung» der Corona-Maßnahmen sprach heute Ministerpräsident Kretschmann in der Sondersitzung des Landtags in Stuttgart. Die bei der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossenen Maßnahmen gelten in Baden-Württemberg weiter. «Im Übrigen will ich nochmal darauf verweisen, dass wir in Baden-Württemberg bereits jetzt landesweit Ausgangsbeschränkungen haben, die in anderen Ländern nur in Hotspots gelten. Die behalten wir bei», machte Winfried Kretschmann klar, dass der harte Kurs beibehalten wird.

Innerhalb der Regierungskoalition gibt es zur Corona-Politik von Winfried Kretschmann kennen Dissens. «Wir tragen die Beschlüsse mit, auch wenn solche Entscheidungen allen schwerfallen», erkläre CDU-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Reinhart. Grundsätzlichen Widerspruch gibt es seitens der AfD, die bezweifelt, dass unter anderen die Maßnahmen in Einzelhandel und Gastronomie angemessen sind.


Auszüge aus der Rede von Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu der beschlossenen Verlängerung und Verschärfung der Corona-Maßnahmen, die ab Montag, 11. Januar 2021 gelten:

Erstens: Die bisherigen Beschränkungen bleiben in Kraft. Die Ausgangsbeschränkungen am Tag und die Ausgangssperren bei Nacht ab 20 Uhr bleiben bestehen. Alle Geschäfte und Einrichtungen, die derzeit geschlossen sind, bleiben geschlossen.

Zweitens: Private Zusammenkünfte werden noch stärker als bisher beschränkt. Zukünftig darf man sich nur noch im Kreis des eigenen Hausstandes und höchstens mit einer weiteren Person treffen, die nicht zum eigenen Haushalt gehört.

Um familiäre Härten abzumildern, und insbesondere den Bedürfnissen von Familien mit kleinen Kindern oder Alleinerziehenden gerecht zu werden, werden dabei Kinder bis 14 Jahren in Baden-Württemberg aber nicht mitgezählt. Zudem kann eine Familie sich mit einer weiteren Familie zu einer Betreuungsgemeinschaft zusammentun, in der die Kinder wechselseitig betreut werden.

 

Drittens: Die MPK hat für extreme Hotspots mit einer Inzidenz von 200 weitergehende lokale Maßnahmen zur Eindämmung des Virus beschlossen. Es soll hiernach insbesondere der Bewegungsradius auf 15 km um den Wohnort beschränkt werden. Ziel des Beschlusses ist es, die Mobilität einzuschränken, weil wir leider - nicht nur in Baden-Württemberg - in den vergangenen Tagen und Wochen extreme Menschenansammlungen vor allem in den Schneeregionen beobachten mussten. Das geht gar nicht! Deshalb werden wir mit wirkungsgleichen Maßnahmen auf lokaler Ebene solche Menschenansammlungen verhindern und den Beschluss der MPK nicht nur 1 zu 1, sondern strenger umsetzen.

Wir werden die örtlichen Behörden anhalten, solchen Ansammlungen und Verstößen gegen das Abstandsgebot unverzüglich vor Ort entgegenzuwirken und sie mit entsprechenden Maßnahmen, wie etwa Parkplatzsperrungen oder Straßenkontrollen an touristischen Ausflugszielen, zu verhindern. Ich habe meinen CdS gebeten, hier auf das Sozialministerium und das Innenministerium zuzugehen und das mit den Verantwortlichen vor Ort umzusetzen. Die Menschen müssen wissen, dass wir sie wieder nach Hause schicken, wenn es beispielsweise im Schwarzwald oder auf der schwäbischen Alb einfach zu voll wird – und zwar unabhängig davon ob sie aus einem Gebiet mit hoher oder niedriger Inzidenz kommen. Ziel ist es schließlich, Ansteckungen aufgrund von Massenansammlungen zu verhindern.

Im Übrigen will ich nochmal darauf verweisen, dass wir in Baden-Württemberg bereits jetzt landesweit Ausgangsbeschränkungen haben, die in anderen Ländern nur in Hotspots gelten. Die behalten wir bei. Man darf bei uns sowieso nur aus triftigem Grund das Haus verlassen und insbesondere am Abend heißt es, dass man zu Hause bleiben soll. Wir sind hier also strenger als andere Länder, weil wir überzeugt davon sind, dass das notwendig ist.

Viertens: Kantinen werden geschlossen, wo immer die Arbeitsabläufe es zulassen. Die Abgabe von Speisen und Getränken zum Mitnehmen bleibt zulässig.

Fünftens: Mehr Home-Office. Dieser Punkt wird leider noch immer unterschätzt, denn während der Arbeitszeit und auf dem Weg ins Büro haben viele Menschen die meisten Kontakte. Homeoffice ist deshalb ein wirksames und zugleich relativ «schmerzarmes» Mittel, um die Anzahl der Infektionen deutlich zu senken. Ich appelliere daher mit Nachdruck an alle Arbeitsgeber: Lassen Sie – wo immer möglich – ihre Beschäftigten von zu Hause aus arbeiten. Das ist sehr wichtig, deshalb habe ich meine Wirtschaftsministerin gebeten, Unternehmen, Verbände und Gewerkschaften zeitnah zu einem «Homeoffice-Gipfel» einzuladen. Denn ich bin überzeugt: Wir können und müssen hier noch besser werden.

Sechstens: Der Betrieb von Kitas und Schulen hat für uns höchste Priorität für die Bildung und das Wohlbefinden der Kinder genauso wie für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Trotzdem wissen wir, dass auch Kinder und Jugendliche zum Infektionsgeschehen beitragen. Die eindringliche Empfehlung der Wissenschaft war deshalb, Kitas und Schulen noch eine Weile geschlossen zu halten.

Aus diesem Grund haben wir einstimmig beschlossen, die Maßnahmen fortzusetzen, die wir in unserem Lockdown-Beschluss vom 13. Dezember vereinbart haben. Das bedeutet für Baden-Württemberg, dass alle weiterführenden Schulen bis Ende Januar geschlossen bleiben. Bis dahin findet dort kein Präsenzunterricht, sondern ausschließlich Fernunterricht statt. Nur die Abschlussklassen können von diesem Grundsatz abweichen. Auch die Kitas bleiben zunächst geschlossen, genauso wie die Grundschulen. Dort lernen die Kinder mit Arbeitsmaterialien. Allerdings müssen wir bei aller Entschlossenheit immer auch das Augenmaß bewahren und berücksichtigen, dass die Jüngeren unter den Schließungen am allermeisten leiden. Gerade sie brauchen Struktur und Stabilität. Gerade sie brauchen den Präsenzunterricht. Und das gilt in ganz besonderer Weise für die sozial Schwächeren.

Die Pandemie ist auch eine soziale Frage, das haben uns Kinderärzte und Kinderpsychologen noch einmal klar vor Augen geführt. Deshalb sagen wir bei Kitas und Grundschulen nicht: Wir schließen – und damit Basta. Im Interesse der Kinder würden wir Kitas und Grundschulen gerne bereits ab dem 18.1. wieder öffnen – doch garantieren können wir es heute noch nicht. Dazu brauchen wir belastbarere Zahlen über die Infektionslage, die heute noch nicht vorliegen. Deshalb werden wir diese Entscheidung erst am kommenden Donnerstag treffen. Dabei gilt: Nur wenn sich die Tendenz abzeichnet, dass die Infektionszahlen fallen, können und werden wir wieder öffnen. Alles andere wäre nicht verantwortbar.

Dabei sind wir uns sehr bewusst, dass die Schließungen nicht nur hart für die Kinder und Jugendlichen sind, sondern auch für die Eltern, die – wie im Frühjahr – alles gleichzeitig unter einen Hut bringen müssen. Deshalb haben wir vereinbart, den Anspruch auf Kinderkrankengeld zum einen auf 20 Tage pro Kind und Elternteil und für Alleinerziehende auf 40 Tage zu verdoppeln, und diesen Anspruch zum anderen auch dann zu gewähren, wenn die Kinder wegen der Beschränkungen zu Hause betreut werden müssen und nicht krank sind. Das ist ein wichtiges Signal der Solidarität an alle Eltern!

Lassen Sie mich abschließend noch etwas zu Wirtschaft und Kultur sagen. Ich kann sehr gut verstehen, dass viele Menschen verzweifelt und zornig sind, weil sie ihren Beruf nicht ausüben können und sie um ihr Geschäft bangen. Die Entscheidungen, die wir hier ein ums andere Mal treffen, fallen uns unendlich schwer. Trotzdem sind die Entscheidungen notwendig. Denn wenn wir die Zahlen jetzt nicht runterdrücken, sind auch die wirtschaftlichen Schäden später noch größer. Die weltweiten Erfahrungen mit der Pandemie zeigen glasklar: Nur niedrige Infektionszahlen helfen der Wirtschaft. Hohe Zahlen schaden ihr – und die Zahlen würden explodieren, wenn wir in der jetzigen Lage anders handeln würden.

Gleichzeitig versuchen wir, die wirtschaftlichen Schäden nach Kräften abzumildern. Deshalb erlauben wir ab Anfang kommender Woche «Click und Collect» für den Handel, sodass die Kunden Sachen online oder telefonisch bestellen und anschließend abholen können. Nach dem Ende der Weihnachtszeit wird nicht mehr so viel und mit so großem Termindruck eingekauft, sodass die Gefahr von Zusammenballungen vor den Läden gesunken ist. Trotzdem trägt der Handel nun die Verantwortung dafür, die Abholung so zu organisieren, dass möglichst wenig Menschen vor den Läden aufeinandertreffen.

Außerdem arbeiten Bund und Länder mit Hochdruck an der Auszahlung der Hilfszahlungen. Die Novemberhilfen werden spätestens ab dem 10.1. vollständig ausgezahlt. Für Dezember werden seit Jahresbeginn Abschläge gezahlt. Und auch für die weiteren Überbrückungshilfen sollen zeitnah Abschlagszahlungen ermöglicht werden. Meine Damen und Herren, bei alledem ist weiterhin von entscheidender Bedeutung, dass sich alle an den Geist unserer Vereinbarungen halten und nicht die Lücke suchen.


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