Lockerungen der Corona-Maßnahmen

Kretschmann-Rede zu Corona-Lockerungen – Ampelsystem und nur vorsichtige Öffnung für Gastronomie

Kretschmann-Rede zu Corona-Lockerungen – Ampelsystem und nur vorsichtige Öffnung für Gastronomie
Ministerpräsident Winfried Kretschmann im Landtag von Baden-Württemberg.

Bild Christian Frietsch Bericht von Christian Frietsch
06.05.2020, 17:45 Uhr



Baden-Baden/Stuttgart Die Erklärung des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann nach der heutigen Beratung der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel liegt goodnew4.de vor.


Erklärung des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann nach der Sitzung der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin am 6. Mai 2020


I. Einleitung

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte Sie über das Gespräch der Länderchefs und der Kanzlerin informieren. Dabei muss ich vorausschicken, dass wir leider eine Reihe wichtiger Fragen ausklammern mussten. Der Grund dafür ist, dass einige Länder in den vergangenen Tagen vorgeprescht sind und sehr konkrete Lockerungspläne angekündigt oder sogar bereits beschlossen haben.

Aus meiner Sicht wird diese Entwicklung die Eindämmung der Pandemie in Zukunft erschweren.

Deshalb habe ich sehr bewusst im Vorfeld keine eigenen Pläne veröffentlicht oder gar beschlossen, obwohl natürlich auch wir solche Pläne in der Schublade liegen hatten. In der Folge haben sich Bund und Länder heute darauf verständigt, dass künftig einige Bereichen – wie etwa Gastronomie, Tourismus oder Kultur – nun landesspezifisch und vor dem Hintergrund des jeweiligen lokalen Infektionsgeschehens geregelt werden.

Wir haben aber auch vereinbart, dass wir weiter einen gemeinsamen Rahmen sicherstellen wollen – z.B. durch gemeinsame Hygiene und Abstandskonzepte der jeweiligen Fachministerkonferenzen.

II. Beschlüsse der MPK mit Kanzlerin

Folgende gemeinsamen Beschlüsse haben die Kanzlerin und die Länderchefs heute Beschlüsse gefasst:

Erstens: Wir waren uns einig, dass Abstand halten weiter oberstes Gebot sein muss, wenn wir jetzt schrittweise weitere Öffnungen vornehmen.

Der Mindestabstand von 1,5 Meter ist unsere schärfste Waffe im Kampf gegen die Pandemie.

Deshalb werden wir sie noch für lange Zeit brauchen.

Das gleiche gilt für die Pflicht, in bestimmten öffentlichen Bereichen eine Alltagsmaske zu tragen.

Die Kontaktbeschränkungen haben wir im Grundsatz bis zum 5. Juni verlängert. Allerding haben wir uns angesichts der niedrigen Infektionszahlen auf eine Erleichterung verständigt.

Bisher durfte man nur mit einer weiteren Person oder den Menschen, mit denen man zusammenlebt, auf die Straße gehen.

Künftig darf man auch mit den Personen eines weiteren Hausstands – also einer anderen Familie oder Wohngemeinschaft – rausgehen.

Zweitens haben wir ein Konzept für den Umgang mit regionalen und lokalen Infektions-Hotspots beschlossen.

Um die Zeitspanne zu überbrücken, bis ein Impfstoff vorliegt, brauchen wir eine möglichst große Kontrolle über das Infektionsgeschehen.

• Das bedeutet erstens, dass die Zahl der Neuinfektionen möglichst niedrig sein muss, weil wir nur so die Nachverfolgung sicherstellen können.

• Und das bedeutet zweitens, dass wir neue Infektionsherde schnell erkennen und eindämmen müssen. Dafür haben wir ein Konzept für eine lokale Eindämmung beschlossen.

Das Konzept sieht Folgendes vor:

• Wenn ein Landkreis innerhalb von sieben Tagen mehr als 50 Neu-Infektionen auf 100 000 Einwohner zu verzeichnen hat, die nicht an einem klar begrenzten Ort wie etwa einem Altenheim auftreten,

• dann müssen regional konsequente Beschränkungen eingeführt werden.

Es geht also darum lokale und regionale Brandherde umgehend durch schnelle, örtlich begrenzte Beschränkungen zu bekämpfen.

Das ist wichtig, da alle Öffnungsschritte das Risiko mit sich bringen, dass die Infektionen wieder zunehmen können.

Wir haben ja in der Vergangenheit gesehen, dass gerade lokale Infektionsherde zu einem echten Problem werden können.

Drittens werden Bund und Länder bei den Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam für die Nutzung der vom Bund geplanten Tracing App werben.

Bei der App setzen wir auf Datenschutz und Freiwilligkeit – aber vor allem auch auf das Verantwortungsbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger.

Es wird entscheidend sein, dass große Teile der Bevölkerung die App nutzen.

Die App ist ein ganz wichtiges Instrument, um Infektionsketten nachzuvollziehen und unterbrechen zu können. Deshalb appelliere ich an den Bund, die App bald an den Start zu bringen. Wir haben hier schon viel Zeit verloren.

Viertens haben wir uns auf einen gemeinsamen Rahmen für weitere Öffnungsschritte geeinigt – nämlich bei den Schulen, bei der Kinderbetreuung und für den Sport.

Bei den Schulen haben wir beschlossen, den Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler schrittweise wieder aufzunehmen. Auch hier gelten natürlich Abstands- und Hygieneregeln. Nur so kann es funktionieren.

Ziel ist es, dass abhängig vom Infektionsgeschehen alle Schüler vor den Sommerferien tage- oder wochenweise die Schule wieder besuchen können.

In Baden-Württemberg gehen ja bereits seit dieser Woche wieder die Jugendlichen in die Schule, bei denen in diesem oder im nächsten Jahr die Abschlussprüfungen anstehen.

In einem nächsten Schritt werden die Viertklässler voraussichtlich ab 18. Mai wieder starten.

In einem weiteren Schritt sollen dann nach Pfingsten alle Schüler der anderen Klassenstufen in einem rollierenden System wieder an die Schulen kommen.

Außerdem werden für die Schülerinnen und Schüler, die wir mit dem Fernlernen in den vergangen Wochen nicht erreicht haben, Lerngruppen an den Schulen eingerichtet.

In den Sommerferien wird es zudem freiwillige Lern- und Förderangebote geben.

Auch bei der Kinderbetreuung haben wir uns auf einen gemeinsamen Rahmen für eine stufenweise Öffnung verständigt.

Ab 11. Mai wird in allen Ländern eine flexible und stufenweise Erweiterung der Notbetreuung eingeführt.

Dabei soll sichergestellt werden, dass jedes Kind, das nach den Sommerferien in die Schule kommt, vorher noch einmal die Kita besuchen kann.

Bei uns in Baden-Württemberg haben wir die Notbetreuung ja schon seit dem 27. April deutlich ausgeweitet.

Über eine weitergehende Öffnung bei der Kinderbetreuung werden wir entscheiden, sobald Mitte Mai die Ergebnisse unserer Studie vorliegen.

In dieser Studie lassen wir ja derzeit untersuchen, in welchem Maß Kinder ansteckend sind und wie häufig sie sich selbst anstecken.

Beim Sport haben Kanzlerin und Länderchefs beschlossen, kontaktlosen Outdoor-Sport unter freiem Himmel wieder zu erlauben.

Damit ist Sport im Freien gemeint, bei dem man die Abstandsregeln unproblematisch einhalten kann, also zum Beispiel Tennis, Leichtathletik oder Golf.

Für Baden-Württemberg haben wir das ja bereits für kommende Woche beschlossen.

Fünftens halten Bund und Länder die Fortsetzung des Spielbetriebs der 1. und 2. Fußball-Bundesliga ab der zweiten Maihälfte unter dem von der DFL erarbeiteten Schutzkonzept für vertretbar.

Mir ist bewusst, dass das sehr umstritten ist. Da gibt es harte Befürworter und harte Gegner.

Für mich war auch hier ausschließlich die Frage entscheidend, welche Auswirkung die Fortsetzung des Spielbetriebs auf das Infektionsgeschehen hat.

Und die Risiken halte ich für epidemiologisch vertretbar, wenn das Schutzkonzept strikt eingehalten wird.

Die Voraussetzungen sind vor allem:

• Engmaschiges Testen. Dabei dürfen die Tests nicht zu Lasten medizinisch notwendiger Tests aus anderen Bereichen gehen.

• Einhaltung der Quarantäne-Regeln bei Infektionen. Hier darf es keinen Sicherheitsrabatt geben.

Ein ähnliches Vorgehen kann ich mir übrigens auch für andere Branchen und Berufe vorstellen, zum Beispiel aus dem Kulturbereich.

Ich denke hier beispielsweise an eine Ballett-Kompanie oder Schauspiel-Ensembles. Auch sie könnten unter ähnlichen Voraussetzungen wieder trainieren und spielen.

Sechstens sollen künftig überall in der Republik auch Geschäfte mit mehr als 800 Quadratmeter Verkaufsfläche öffnen dürfen.

Dafür sollen strenge Regeln gelten, um zu viele Menschen in den Geschäften oder Warteschlangen möglichst zu vermeiden.

Siebtens wurde beschlossen, dass Bewohner von Pflegeheimen, Krankenhäusern oder Behinderteneinrichtungen regelmäßig Besuch durch eine ausgewählte Person erhalten können.

Das ist wichtig, damit die alten Menschen oder Menschen mit Behinderung nicht vereinsamen.

Gleichzeitig versuchen wir das Infektionsrisiko dadurch zu minimieren, dass nur eine einzige Person zu Besuch kommen darf, das dann aber regelmäßig.

Selbstverständlich müssen auch dabei strenge Hygienevorgaben eingehalten werden.

Diese Vereinbarung werden wir in Baden-Württemberg schnell umsetzen.

III. Der baden-württembergische Weg einer vorsichtigen stufenweisen Öffnung

Meine Damen und Herren,

wie ich bereits sagte, hat auch meine Regierung in den vergangenen Tagen und Wochen intensiv an einen Stufenplan gearbeitet, wie und wann wir Wirtschaft und Gesellschaft im Land weiter öffnen können.

Wir sind damit nur nicht vor der heutigen Besprechung der Kanzlerin mit den Länderchefs hausieren gegangen – sehr bewusst, und im Gegensatz zu anderen.

Nachdem es nun den Ländern überlassen wurde, die weiteren Öffnungsschritte eigenständig festzulegen, möchte ich Ihnen nun unseren Stufenplan vorstellen:

Der Plan folgt weiterhin dem Prinzip der Umsicht und Vorsicht, so wie wir es auch mit Bayern abgestimmt haben.

Unser oberstes Ziel ist und bleibt der Schutz der Gesundheit aller Menschen in Baden-Württemberg.

Dementsprechend bleibt auch weiterhin der Infektionsschutz der wichtigste Maßstab unseres Handelns.

Eine zweite Infektionswelle wollen wir unbedingt vermeiden (auch wenn dies aufgrund des unkoordinierten Vorgehens der Länder nun schwieriger geworden ist). Wie ich in den vergangenen Tagen bereits mehrfach angedeutet habe, ist unser Stufenplan als Ampel-System ausgestaltet.

Dieses Ampel-System folgt klaren, nachvollziehbaren Kriterien:

• Erstens, dem Ansteckungsrisiko: Hier stellt sich die Frage, wie hoch die Infektionsgefahr ist, wenn man einen bestimmten Bereich wieder öffnet, zum Beispiel Restaurants oder den Outdoor-Sport.

• Zweitens prüfen wir, ob es eine Möglichkeit gibt, ein wirksames Konzept zur Minimierung des Infektionsrisikos zu entwickeln – also z.B. Abstands- und Hygieneregeln sowie eine Maskenpflicht, wie z.B. beim Einkaufen.

• Und drittens schätzen wir ab, ob eine solche Konzeption zur Risikominimierung wirksam durchgesetzt und kontrolliert werden kann.

Dabei können wir umso schneller lockern und öffnen, je besser sich die Infektionszahlen entwickeln.

Sollten sich die Infektionszahlen dagegen wieder verschlechtern, müssten Lockerungen und Öffnungen länger bestehen bleiben oder sogar befristet wieder zurückgenommen werden.

Dieser Vorbehalt ist mir aus zwei Gründen besonders wichtig:

Zum einen müssen wir eine zweite Welle und eine Überlastung des Gesundheitssystems unbedingt vermeiden.

Zum anderen möchte ich keine falsche Erwartungen und Hoffnungen wecken.

Unser Ampelsystem umfasst drei Signalfarben: grün, gelb und rot.

Alles, was dem grünen Bereichzugeordnet ist, haben wir bereits geöffnet oder werden wir in einem nächsten Schritt am 11. Mai wieder öffnen.

Dazu gehören in der Stufe 0:

• der Einzelhandel,

•Frisöre und alle nicht-körpernahen Dienstleistungen,

•Gottesdienste,

• Museen und Ausstellungshäuser,

• Zoos und botanische Gärten, sowie

•der Schulunterricht für die Schülerinnen und Schüler, bei denen in diesem oder im nächsten Jahr die Abschlussprüfungen anstehen.

• Auch die Notbetreuung für Klein- und Grundschulkinder haben wir deutlich erweitert.

Mit der Stufe 1 folgen dann ab dem 11. Mai weitere Öffnungen unter strengen Hygienevorgaben und Infektionsschutzmaßnahmen, die ebenfalls zum grünen Bereich gehören.

Dazu zählen:

• Outdoor-Sportanlagen für kontaktlose Sportarten wie z.B. Leichathletik, Tennis oder Golf

• Musikschulen

• Fahrschulen

• körpernahe Dienstleistungen wie beispielsweise Massage-, Kosmetik- und Nagelstudios.

Alles, was dem gelben Bereich mit der Stufe 2 zugeordnet ist, wird - nach heutigem Stand des Infektionsgeschehens - vor Pfingsten geöffnet werden.

Dazu gehören

• die Rückkehr der Viertklässler in die Schule

• die Öffnung der Außengastronomie und der Campingplätze

•sowie kontaktarme Ausflugsziele wie z.B. der Fahrrad- oder Bootsverleih.

Für das weitere Vorgehen habe ich meiner Landesregierung folgendes Vorgehen vorgeschlagen:

Danach sind mögliche weitere Öffnungen im gelben Bereich sind der Stufe 3 zugeordnet.

Sollte die Infektionsrate weiterhin stabil bleiben, wären dann Öffnungen möglich

• im Innenbereich von Speisewirtschaften

• und bei den Schulen.

Ab Pfingsten könnten dann in Stufe 4, weitere Einrichtungen aus dem Bereich Sport und Tourismus öffnen:

• Tanzschulen

• Kletterhallen

• Sporthallen

• Besucherzentren und

• Freizeitparks.

Natürlich weiterhin unter strengen Hygienevorgaben und Infektionsschutzmaßnahmen, die einzuhalten sind.

Ab Alles, was dem roten Bereich zugeordnet ist, können wir nach heutigen Maßstäben aus epidemiologischer Sicht keine konkrete Öffnungsperspektive bieten.Ab

Dazu gehören vor allem

• Großveranstaltungen wie Messen, Kongresse, Volksfeste und Sportveranstaltungen sowie

• Freizeit- und Kultureinrichtungen wie Theater, Kinos, Diskotheken und Musikfestivals.

Für den Gastronomie- und Tourismusbereich gehören dazu

• der Innenbereich von Kneipen und Bars sowie

• Saunas und Wellnessbetriebe.

Für diese Bereiche müssen aufgrund ihrer Natur stringente Hygienekonzepte erarbeitet und geprüft werden.

Daher ist es zum heutigen Stand nicht abschätzbar, wann diese Bereiche wieder öffnen können.

Dieser Plan befindet sich derzeit in der Schlussabstimmung der Ministerien.


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