Gerichtsurteil

Landgericht Baden-Baden urteilt im „Schwimmlehrerfall“ – Unterbringung in Sicherungsverwahrung angeordnet

Landgericht Baden-Baden urteilt im „Schwimmlehrerfall“ – Unterbringung in Sicherungsverwahrung angeordnet
Das Landgericht Baden-Baden hat erneut Sicherungsverwahrung angeordnet. Foto: Archiv

Baden-Baden, 10.03.2023, 15:30 Uhr, Bericht: Redaktion In dem sogenannten «Schwimmlehrerfall» hat die 10. Strafkammer des Landgerichts Baden-Baden unter dem Vorsitz von Vorsitzendem Richter am Landgericht Johannes Huber mit Urteil vom 10. März die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Dies teilt das Gericht mit.

Der Angeklagte, ein vormaliger Schwimmlehrer, war rechtskräftig durch Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 19. November 2018 wegen 138 Taten zum Nachteil von insgesamt 32 Mädchen unter anderem wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt worden. Gegen die vom Landgericht damals angeordnete Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hatte der Bundesgerichtshof auf die Revision des Angeklagten durch Beschluss vom 24. Oktober 2019 die Anordnung der Sicherungsverwahrung aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung über die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an das Landgericht zurückgewiesen.

 

Das Landgericht hat mit seinem heutigen Urteil nach drei Sitzungstagen, Vernehmung mehrerer Zeugen sowie nach Anhörung eines psychiatrischen Sachverständigen die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung erneut angeordnet.

Die Strafkammer sei überzeugt, dass sie nach durchgeführter Beweisaufnahme vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung einer Sicherungsverwahrung erfüllt sei.

Die weitere Begründung des Landgerichts Baden-Baden im Wortlaut:

Bei einer Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten sei davon auszugehen, dass er infolge eines bei ihm festzustellenden Hanges zu erheblichen Straftaten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, für die Allgemeinheit gefährlich sei. Der Hang des Angeklagten ergebe sich aus einer beim Angeklagten nachgewiesenen Pädophilie, aus der bereits durch Urteil vom 19. November 2018 abgeurteilten Tatserie von 138 Taten ähnlicher Taten über einen langen Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren, aus der hohen Anzahl der 32 Opfer, aus den unterschiedlichen Tatorten und unterschiedlichen Umgebungen und daraus, dass der Angeklagte trotz einer Ansprache durch den damaligen Schwimmschulleiter und trotz erheblichen Entdeckungsrisikos die ausgeurteilten Taten dennoch fortgesetzt habe.

Eine Gesamtwürdigung dieser Umstände belege nach Überzeugung der Kammer eine eingeschliffene Verhaltensweise mit einem hohen Grad an Eingeschliffenheit. Aufgrund der Pädophilie und aus dem festgestellten Hang des Angeklagten ergebe sich auch dessen Gefährlichkeit als weitere Voraussetzung. Nach den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen bestehe beim Angeklagten auch ein hohes Rezidivrisiko. Eine relevante Reduktion des Rezidivrisikos habe seit Beendigung der Taten nicht stattgefunden, weshalb auch nicht davon ausgegangen werden könne, dass zwischen der letzten Hangtat neue Umstände eingetreten seien, die die Gefährlichkeit des Angeklagten entfallen ließen.

Obwohl sich der Angeklagte seit dem 25. Oktober 2019 und damit über drei Jahre im Vollzug in Strafhaft befinde, habe er ihm während dieser Zeit angebotene Therapiemöglichkeiten, die zu einer relevanten Reduzierung seiner Gefährlichkeit hätten beitragen können, ungenutzt gelassen. Relevante Schritte zum Umgang mit seiner Pädophilie habe der Angeklagte nicht unternommen. Eine Änderung der Beurteilung trete auch nicht dadurch ein, dass der Angeklagte nunmehr am Ende der Hauptverhandlung habe erklären lassen, die Taten einzuräumen und zu einer Diagnostik bereit zu sein.

Auch könne nach aktuellem Stand nicht davon ausgegangen werden, dass es dem Angeklagten bis zum Ende der Strafhaft am 26. September 2029 gelingen werde, entscheidende Schritte zur Minderung des Rezidivrisikos zu unternehmen. Allein das am Ende der Hauptverhandlung abgegebene pauschale Geständnis und seine erstmals erklärte Bereitschaft, sich einer Diagnostik und weiteren Behandlung zu stellen, führe zu keiner anderen Beurteilung, vielmehr werde es am Angeklagten liegen, noch während des Vollzugs der Strafhaft ggf. durch die Teilnahme an einer Sozialtherapie für eine so relevante Verringerung des Rezidivrisikos zu sorgen, dass die Sicherungsverfahren nicht oder nicht für lange Zeit vollstreckt werden müsse.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Hiergegen kann binnen einer Woche Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt werden.

Hintergründe zur Sicherungsverwahrung:

Die Voraussetzungen der Anordnung der Sicherungsverwahrung sind in § 66 StGB geregelt. Die Sicherungsverwahrung ist keine Strafe, sondern eine sog. Maßregel der Besserung und Sicherung. Sie tritt neben die Strafe und hat in erster Linie präventiven Charakter. Mit Anordnung der Sicherungsverwahrung ist dem Täter schon im Strafvollzug eine psychiatrische Behandlung und eine sozialtherapeutische Behandlung anzubieten, mit dem Ziel, die Vollstreckung der Unterbringung zur Sicherungsverwahrung möglichst entbehrlich zu machen, indem die Gefährlichkeit des Täters verringert wird (§ 66 c Abs. 2 StGB). Deshalb ist auch vor dem Beginn der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung, also nach Ablauf der Strafhaft, zu prüfen, ob die Sicherungsverwahrung nach der Vollstreckung der Freiheitsstrafe überhaupt noch notwendig ist (§ 67 c StGB) oder bereits zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Auch im weiteren Vollzug der Sicherungsverwahrung muss fortlaufend die Notwendigkeit der Fortsetzung der Sicherungsverwahrung geprüft werden.

Auszug aus § 66 des Strafgesetzbuches:

§ 66 Unterbringung in der Sicherungsverwahrung.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet…
(….)
2. der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3. er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4. die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
(…)
(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 S. 1 Nr. 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 S. 1 Nr. 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsanordnung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 S. 1 Nr. 2 und 3) anordnen.


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