Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz
Mitteilung des Bundesministeriums hier im Wortlaut – Krankenhausreform beschlossen – Grundlagen auch für die Entscheidungen in Baden-Baden
Bericht von Christian Frietsch
17.10.2024, 21:25 Uhr
Baden-Baden/Berlin Der Bundestag hat gestern das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz, KHVVG, beschlossen. Nach den Vorstellungen des Klinikum Mittelbaden und auch des Baden-Badener Oberbürgermeisters Dietmar Späth soll Baden-Baden seine Zentralklinik ersatzlos verlieren. Einer ausführlichen Diskussion mit seinen Baden-Badener Bürgern ging Oberbürgermeister Dietmar Späth bisher aus dem Weg.
Mit dem nun verabschiedeten KHVVG wird es drei Levels von Kliniken geben. Level-1-Krankenhäuser sind die Krankenhäuser der Grundversorgung, Level-2-Krankenhäuser sind Krankenhäuser der Regel- und Schwerpunktversorgung und Level-3-Krankenhäuser übernehmen die Maximalversorgung, also zum Beispiel die Universitätskliniken. Nach den Vorstellungen von OB Späth und den Rastatter Befürwortern des Standorts «Am Münchfeld» wird es für Baden-Baden keine eigene Klinik mehr geben. Auch nicht im unteren Level 1. Gerade rief OB Späth den Gemeinderat zur «Geschlossenheit» auf. Ein demokratischer Diskurs wurde in Baden-Baden bis heute weitgehend vermieden.
Letztlich liegt aber die politische Entscheidung, ob Baden-Baden eine Klinik behält, in der Hand des Gemeinderats. Die Sitzung dazu ist für den 25. November vorgesehen. Je nach Ausgang dieser Entscheidung haben die Baden-Badener Bürger das Recht, per Bürgerentscheid ihre eigene Klinik zu behalten. Die Grundlagen für den Status einer eigenen Klinik würden sich auch aus dem nun vorliegenden KHVVG ableiten lassen.
Die Mitteilung des Bundesgesundheitsministeriums vom 17. Oktober 2024 im Wortlaut:
Mit der Reform wird die Behandlungsqualität in Klinken verbessert und die flächendeckende medizinische Versorgung für Patientinnen und Patienten, auch im ländlichen Raum, gestärkt. Zudem sollen künftig sogenannte sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen („Level 1i-Krankenhäuser“) eine zentrale Rolle auf dem Weg zu einer sektorenübergreifenden und integrierten Gesundheitsversorgung übernehmen. Die Kliniken werden von Bürokratie und ökonomischem Druck entlastet. Mit dieser großen Reform steigern wir, nach fast drei Jahren Vorbereitung, die Behandlungsqualität in deutschen Krankenhäusern und sorgen für den Erhalt eines flächendeckenden Netzes guter Kliniken. Die Fallpauschalen werden endlich durch Vorhaltepauschalen weitgehend ersetzt. Gleichzeitig werden nicht notwendige Krankenhäuser abgebaut oder umgewandelt. Durch Zuschläge sichern wir dagegen die notwendigen Krankenhäuser auf dem Land. Und bundesweite Qualitätsvorgaben garantieren bei komplizierteren Eingriffen erstmals, dass ausreichend erfahrene Ärztinnen und Ärzte im OP stehen. Mit dieser Strukturreform verbessern wir die Gesundheitsversorgung für eine schnell alternde Gesellschaft und ermöglichen den Bundesländern zusätzlich eine zielsichere Krankenhausplanung.
Mit dem Gesetz wird die Finanzierung der stationären Versorgung grundlegend verändert. Durch die Einführung einer Vorhaltevergütung soll die Vorhaltung von bedarfsnotwendigen Krankenhäusern künftig weitgehend unabhängig von der Leistungserbringung zu einem relevanten Anteil gesichert werden. Die Vorhaltevergütung sollen Krankenhäuser für die Leistungsgruppen erhalten, die ihnen durch die Planungsbehörden der Länder zugewiesen wurden. Dies setzt voraus, dass die Krankenhäuser die bundeseinheitlichen Qualitätskriterien erfüllen.
Was ändert sich für Patientinnen und Patienten?
• Die mit der Krankenhausreform vorgesehene Einführung von Leistungsgruppen mit bundeseinheitlichen Qualitätskriterien zielt darauf ab, dass Leistungen künftig nur in solchen Krankenhäusern erbracht werden, die über das dafür notwenige Personal, eine adäquate apparative Ausstattung sowie erforderliche Fachdisziplinen zur Vor-, Mit- und Nachbehandlung verfügen. Das verbessert die Behandlungsqualität in Klinken.
• Besonders in ländlichen Gebieten stehen manche Patientinnen und Patienten vor dem Problem, keine Fachärztin bzw. keinen Facharzt zu finden. Sie müssen weite Wege fahren für Spezialuntersuchungen. In Gebieten, in denen Facharztsitze unbesetzt sind, sollen künftig sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen (Level 1i-Krankenhäuser) und Sicherstellungskrankenhäuser fachärztliche Leistungen anbieten können. Statt zum niedergelassenen Facharzt können Patientinnen und Patienten ins Krankenhaus. Sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen können dort, wo Hausärztinnen und Hausärzte fehlen, auch allgemeinmedizinische Behandlungen anbieten. Die Klinik wird dafür innerhalb des KV-Systems wie eine Praxis bezahlt.
• Kinder und Jugendliche mit schweren Erkrankungen sollen künftig ohne vorherige Überweisung, auch in Kinderkliniken und pädiatrischen Abteilungen ambulant versorgt werden können. Die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen legt Einzelheiten zur betreffenden Patientengruppe fest.
Was ändert sich für die Krankenhäuser?
• Für die Krankenhäuser wird der ökonomische Druck verringert: Durch eine Vorhaltevergütung sollen bedarfsnotwendige Krankenhäuser, deren Leistungen vorher fast ausschließlich mit DRG-Fallpauschalen vergütet wurden, künftig weitgehend unabhängig von der Leistungserbringung zu einem relevanten Anteil gesichert werden.
• Die Kosten von Tarifsteigerungen und weiteren Kostensteigerungen der Krankenhäuser (Orientierungswert) werden ab 2024 voll refinanziert.
• Für die stationäre Behandlung von Kindern erhalten Krankenhäuser künftig die volle Fallpauschale, auch wenn die junge Patientin oder der junge Patient kürzer im Krankenhaus bleibt, als eingangs diagnostiziert. Die jährlichen Zuschläge von 300 Mio. EUR für pädiatrische Einrichtungen werden verstetigt.
• Für Stroke Units, Traumatologie, Pädiatrie, Geburtshilfe, Intensivmedizin, Koordinierungsaufgaben, Unikliniken und Notfallversorgung werden zusätzliche Mittel gewährt.
• Um die Qualität der Versorgung zu verbessern, werden künftig Leistungen der Krankenhausbehandlung in zunächst 65 Leistungsgruppen (LG) eingeteilt, für die jeweils Qualitätskriterien als Mindestanforderungen an die Struktur- und Prozessqualität festgelegt werden.
• Die Zuständigkeit und Verantwortung der Länder für die Krankenhausplanung bleiben unberührt. Sie entscheiden, welches Krankenhaus welche Leistungsgruppen anbieten soll.
• Voraussetzung für die Zuweisung von Leistungsgruppen ist die Erfüllung von bundeseinheitlichen Qualitätskriterien.
• Die Erfüllung der Qualitätskriterien ist unter bestimmten Voraussetzungen auch im Rahmen von Kooperationen und Verbünden zulässig.
• Zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung sind Ausnahmeregelungen vorgesehen, die für bedarfsnotwendige Krankenhäuser in ländlichen Räumen sogar unbefristet gelten können. Ein Krankenhaus, das notwendig für die Versorgung auf dem Land ist, muss also keine Abteilung schließen, weil ein Facharzt fehlt. Dennoch sind auch sogenannte Sicherstellungshäuser zur Qualitätssteigerung verpflichtet. Die bereits bestehenden Zuschläge für diese Krankenhäuser werden zudem erhöht.
• Die schnelle Erreichbarkeit von Kliniken bleibt gesichert. Die Ausnahmen von der Erfüllung der Qualitätskriterien können Krankenhäusern gewährt werden, wenn ein Krankenhaus nicht innerhalb einer gesetzlich festgelegten Entfernung zu erreichen ist.
• Die wohnortnahe Grundversorgung bleibt gesichert. Durch sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen (Level 1i) werden zusätzlich zu den bedarfsnotwendigen Krankenhäusern im ländlichen Raum (die einen Zuschlag erhalten) wohnortnah stationäre Krankenhausbehandlungen mit ambulanten und pflegerischen Leistungen verbunden. Diese Einrichtungen können eine wohnortnahe medizinische Grundversorgung durch eine Bündelung interdisziplinärer und interprofessioneller Leistungen sicherstellen.
• Ein Transformationsfonds wird die notwendigen finanziellen Ressourcen bereitstellen, um die strukturellen Veränderungen zu fördern. Über 10 Jahre werden dafür insgesamt bis zu 50 Mrd. Euro bereitgestellt.
• Um die Attraktivität des Krankenhauses als Arbeitsplatz für Ärztinnen und Ärzte zu steigern und die Behandlungsqualität zu fördern, wird eine ärztliche Personalbemessung eingeführt. Hierzu soll in Abstimmung mit Bundesärztekammer und BMG zunächst ein Personalbemessungsinstrument wissenschaftlich erprobt werden. Um die Notwendigkeit eines Personalbemessungsinstruments für weitere Berufsgruppen (etwa Hebammen oder Physiotherapeuten) zu prüfen, soll eine Kommission eingesetzt werden.
• Um den Verwaltungsaufwand der Krankenhäuser zu verringern, erfolgen Maßnahmen zur Entbürokratisierung. So werden Prüfverfahren harmonisiert und vereinfacht. Die Prüfintervalle für Strukturprüfungen werden auf drei Jahre verlängert. Auch bei anlassbezogenen Einzelfallprüfungen wird der bürokratische Aufwand reduziert. Pflegeentlastende Maßnahmen werden pauschal anerkannt. Der Fixkostendegressionsabschlag wird abgeschafft.
Inkrafttreten soll die Reform zum 1. Januar 2025. Bis Ende 2026 können die Länder ihren Kliniken Leistungsgruppen zuweisen. 2027-28 wird das Finanzsystem langsam schrittweise umgestellt. 2029 ist dieser Prozess abgeschlossen.
Christian Frietsch ist Herausgeber von goodnews4.de. Über Post freut er sich: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
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