Kommentar von Christian Frietsch

SWR-Mitarbeiter streiken für mehr Geld – Kommentar zur ver.di-Meldung: Zweifelhafte Staatsnähe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

SWR-Mitarbeiter streiken für mehr Geld – Kommentar zur ver.di-Meldung: Zweifelhafte Staatsnähe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Nach Angaben der Gewerkschaft ver.di haben gestern Mitarbeiter des SWR erstmals in seiner Geschichte des Senders gestreikt. Foto: Archiv

Baden-Baden/Stuttgart, 03.09.2019, Kommentar: Christian Frietsch Nach Angaben der Gewerkschaft ver.di streikten gestern Mitarbeiter des SWR erstmals in seiner Geschichte.

Gerne möchten die Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, angelehnt an den Tarifabschluss des öffentlichen Dienstes, 3,1 Prozent mehr Geld. Damit setzen die Streikenden den gerade gestern neu ins Amt gekommene Intendanten Kai Gniffke unter Druck.

Bei dieser Auseinandersetzung geht es nicht allein um die verständlichen Begehrlichkeiten von Arbeitnehmer, sondern auch um das in Öffentlichkeit und Medien kaum präsente Thema der Rolle der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Angeblich soll der Rundfunk staatsfern sein, im Falle der Bezahlung der Mitarbeiter möchten diese sich gerne an den Tarifverträgen jener orientieren, die für den Staat arbeiten. So werden zumindest mentale Widersprüche hinsichtlich des Selbstverständnisses der Mitarbeiter und ihrer Rolle zwischen Staat und Gesellschaft deutlich. Auch die durch die Gewerkschaft angeführte angebliche Mehrbelastung der Mitarbeiter durch Online-Medien. Das Gegenteil ist der Fall bei entsprechender Deutung der neuen Technologien, die nicht ein drittes Medium im Sinne einer inhaltlichen Betrachtung darstellen, sondern eine Technologie anbieten, die Inhalt auf neue Weise verbreitet.

So dürfte die fehlende breite öffentliche Diskussion um Sinn und Inhalte eines vielleicht notwendigen öffentlich-rechtlichen Medienangebots zu einem schleichenden Akzeptanzverlust führen. Der Missbrauch von Einfluss und Macht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dokumentiert sich in vielen verwahrlosten Prinzipien. So ist die 20-Uhr-Werbe-Grenze längst durch als Sponsoring definierte Werbe-Clips ausgehebelt. Auch die Rolle des Autoherstellers Audi als Mitveranstalter von öffentlich-rechtlichen Veranstaltungen, die dann zu Sendungen werden, entspricht nicht mehr dem Standard eines unabhängigen und dahingehend ernsthaft kontrollierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Doch kaum ein Politiker oder Vertreter des öffentlichen Lebens wird sich in dieser Sache aus dem Fenster lehnen. Auch nicht mit dem Hinweis an viele verwöhnte Mitarbeiter, dass sie sich einmal die monatlichen Gehaltszettel von Krankenpflegern, Krankenschwester, Müllwerkern und vielen anderen Beschäftigten anschauen sollten. So wird wohl alles auf eine erneute Erhöhung der Rundfunkbeiträge hinauslaufen. Mitreden werden die Beitragszahler, also wir alle, nicht.

Erklärung von ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft - Landesbezirk Baden-Württemberg:

Warnstreik beim SWR am ersten Arbeitstag des neuen Intendanten

Zum ersten Mal in der Geschichte des Senders streiken heute rund 300 Beschäftigte des SWR. Bei Kundgebungen in Stuttgart, Baden-Baden und Mainz fordern die Streikenden zur Stunde Gehalts- und Honorarerhöhungen, die sich am Tarifabschluss des öffentlichen Dienstes der Länder orientieren (jeweils 3,1 Prozent in diesem und im nächsten Jahr). Mit dem zweieinhalbstündigen Warnstreik zwischen 14:45 und 17:15 Uhr protestieren sie gegen das deutlich darunterliegende Arbeitgeberangebot (1,9 Prozent pro Jahr).

«Dass die SWR-Beschäftigten nach Jahrzehnten guter Tarifpartnerschaft jetzt abgekoppelt werden sollen von der Tarifentwicklung im öffentlich Dienst ist nicht hinnehmbar», sagte der Siegfried Heim, Leiter des ver.di-Landesfachbereichs Medien, Kunst und Industrie bei der Streikkundgebung in Stuttgart. «Wer jeden Tag engagiert Programm für Radio, Fernsehen und Online mache, darf nicht mit unterdurchschnittlichen Lohnsteigerungen abgespeist werden, nur, weil sich die Länder-Ministerpräsidenten und die Landtage nicht auf eine angemessene Erhöhung des Rundfunkbeitrags einigen können», so Heim weiter.

Die Streikenden appellierten am ersten Arbeitstag des neuen SWR-Intendanten Kai Gniffke an diesen, sich im Rahmen der ARD für eine Rückkehr zur Orientierung der Tarifabschlüsse des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an denjenigen des öffentlichen Dienstes einzusetzen.

Gniffke hatte vergangene Woche, noch vor seinem eigentlichen Arbeitsbeginn beim SWR, angekündigt, die Produktionsstandards absenken zu wollen, wo es möglich ist. Heim: «Wir laden Herr Gniffke herzlich ein, sich zunächst Mal ein Bild von den tatsächlichen Produktionsbedingungen zu machen. Die von allen im Sender geforderte Trimedialität führt schon jetzt zu einer deutlichen Mehrbelastung der Beschäftigten, und auch schon manchmal zu einer Absenkung der Qualitätsstandards.»

Vor den SWR-Beschäftigten hatten bereits Mitarbeiter des WDR und des NDR mit Streiks gegen die niedrigen Arbeitgeberangebote protestiert.

Ursprünglich hatte ver.di für den SWR eine Gehaltssteigerung von sechs Prozent, mindestens aber 200 Euro gefordert – und darüber hinaus eine höhere Start-Eingruppierung für junge Beschäftigte, die ihre Ausbildung im SWR erfolgreich absolviert haben. Die Tarifverhandlungen gehen am morgigen Dienstag in die dritte Runde.


Zurück zur Startseite und zu den weiteren aktuellen Meldungen.