Karfreitag 2023

„Was alles an Grausamkeit Menschen mit Menschen anstellen“ – Karfreitagsbotschaft des Baden-Badener Pfarrers Hans-Ulrich Carl

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goodnews4-VIDEO Karfreitagsbotschaft von Pfarrer Hans-Ulrich Carl

Bild Nadja Milke Bericht von Nadja Milke
07.04.2023, 00:00 Uhr



Baden-Baden Für die Christen ist der Karfreitag einer der höchsten Feiertage und erinnert, dass Jesus gekreuzigt wurde. Der Karfreitag wird in Deutschland als besinnlicher und stiller Feiertag begangen. Musik- und Tanzveranstaltungen sind verboten, ebenso Sportevents.

In seiner Karfreitagsbotschaft 2023 wendet sich der Baden-Badener Pfarrer Hans-Ulrich Carl an die Leser und Zuschauer von goodnews4.de.


Abschrift goodnews4-VIDEO Karfreitagsbotschaft von Pfarrer Hans-Ulrich Carl:

Liebe Zuschauer von goodnews4Baden-Baden!

Wie geht es Ihnen in diesem schönen Frühjahr in dieser schön geschmückten Osterstadt? Ich will all das Schöne sehen und genießen – und ich will eigentlich nichts mehr hören von Erdbeben und Krieg und all den Katastrophen, die uns mit den Nachrichten ins Haus und in die Augen gespült werden. Es hat sich an der Weltlage, an der Kriegslage, an den Grausamkeiten nichts geändert seit dem letzten Karfreitag. Aber ich mag es nicht mehr hören und nicht mehr sehen. Seit einiger Zeit wähle ich schon am Sonntagabend den Wohlfühlfilm, anstatt des Krimis, der neue Brutalitäten in unseren Kopf schüttet. Ich kann die Grausamkeit der Welt nicht mehr gut aushalten. Andererseits ist mit der Zeit eine Art Watteschicht um die Kriegsereignisse gewachsen; sie werden abgemildert, als wären alles gar nicht mehr so schlimm, als hätte man sich inzwischen an die Bilder gewöhnt.

Aber heute sind wir wieder am Karfreitag und sollen wieder das Kreuz anschauen und die Brutalität dieses Bildes einen Tag lang aushalten und uns klar machen, was alles an Grausamkeit Menschen mit Menschen anstellen – ganz ohne Grund, gegen alles Rechtsempfinden, gegen alle Vorstellungen von einer heilen Welt. Eigentlich kann ich das Kreuz heute überhaupt nicht gebrauchen! Bin ich, sind wir schon so stumpf geworden?

 

Vor einigen Tagen ist mitten in der Nacht mit einem fürchterlichen Knall eine ganze Bücherwand vor unserem Schlafzimmer zusammengebrochen und Bücher und Bilder und der Fernsehehapparat haben sich wie ein Trümmerhaufen im ganzen Zimmer ausgebreitet. Den Schock können Sie sich vorstellen. Vor allem aber waren die Bilder der zusammengebrochenen Häuser in der Türkei und die von Raketeneinschlägen heruntergerissenen Fronten von eben noch bewohnten Häusern in der Ukraine wieder deutlich vor Augen – unbewohnbare Zimmer mit halbem Mobiliar und zerrissenen Tapeten; und dann die Menschen die ihre bisher sie bergenden Wohnung hilflos dem Regen und dem Wind preisgeben mussten. Und das geht ja jeden Tag weiter.

Uns ist ja nichts wirklich Schlimmes passiert. Es gab keine Verletzten und keine Toten und keine echten Verluste. Aber: Ich habe gedacht: Wir müssen erinnert werden, wir müssen uns erinnern an diese bittere, böse Seite des Lebens auf unserem so schönen Planeten. Mir ist, als bräuchten wir den Karfreitag heute umso mehr, um uns eben nicht in der Illusion des Paradieses einzunisten: All das Grausame ist immer noch da. Und wir Menschen erleben es – im privaten Bereich erfahren wir das ja auch mit bitteren Krankheiten und bitteren Toden und bitteren, nicht gelingenden Liebesgeschichten.

Und in all dem wissen wir: So wollen wir es nicht haben! Wir wollen das Unrecht nicht, wir wollen die Schmerzen nicht, wir wollen den Hunger nicht, wir wollen keinen Krieg. Wir leben in der Sehnsucht nach dem heilen Leben.

Aber genau dafür steht das Kreuz: Gott will nicht solches Leiden. Gott will nicht solche Grausamkeiten. Und gerade weil Jesus ganz und gar unschuldig ist, tritt seine Geschichte so eindeutig vor unsere Augen: Es ist unübersehbar: Das ist falsch! Das ist nicht wahr. Das darf so nicht weitergehen! Und das löst diese ohnmächtige Trauer aus über das immer weiter die Welt durchströmende Unrecht. Die Wahrheit, das menschenwürdige Verhalten ist eindeutig sichtbar hinter dem bitteren Kreuz.

Schaut also hin und schärft euere trauernden Augen für das, was getan werden kann, für das, was getan werden muss, um das Falsche, das Verlogene zu entlarven. Aufzudecken und zu ändern – wo Ihr es könnt!

An Ostern deckt sich dann die Wahrheit auf: das Leben will Gott, die Liebe will Gott, den Frieden mit allen Menschen, allen Tieren, aller Natur. Die Wunden heilen will Gott Und das alles wollen wir ja auch, selbst diejenigen, die eigentlich nicht mehr an Gott glauben: Volles Leben wollen wir, die Liebe in ihrer ganzen Herrlichkeit wollen wir; den Frieden wollen wir – mit allen Menschen, mit allen Tieren, mit dieser ganzen Erde Und die Wunden heilen wollen wir – nicht anders als der Gott, von dem wir Christen erzählen – am Karfreitag und dann an Ostern.

Gestatten Sie sich die Trauer und den Schmerz über das Falsche an diesem Tag mitten in dem so schön geschmückten Baden-Baden.




Nadja Milke ist Redakteurin bei goodnews4.de und Mitglied der Landespressekonferenz Baden-Württemberg. Sie wohnt in der Baden-Badener Innenstadt und kennt sich dort gut aus, aber selbstverständlich auch in den anderen Baden-Badener Stadt- und Ortsteilen. Über Post freut sie sich: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!


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