Gastkommentar

Ansehensverlust der Politik schadet der Demokratie – Weniger Proporz, mehr Expertise, das muss die Richtung sein – Gastkommentar von Thomas Bippes

Ansehensverlust der Politik schadet der Demokratie – Weniger Proporz, mehr Expertise, das muss die Richtung sein – Gastkommentar von Thomas Bippes
Bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg am 14. März 2021 verlor die CDU 2,9 Prozent. Foto: Archiv

Bild Thomas Bippes Gastkommentar von Thomas Bippes
30.03.2021, 00:00 Uhr



Baden-Baden In unregelmäßigen Abständen veröffentlicht goodnews4.de Beiträge von Gastkommentatoren. Zum engeren Kreis gehören der Baden-Badener Bestsellerautor Franz Alt und Thomas Bippes, der sich insbesondere den Themen der Digitalisierung, IT und Künstlichen Intelligenz zuwendet.

Thomas Bippes ist Professor für Medien- und Kommunikationsmanagement an der SRH Hochschule Heidelberg und Gesellschafter der Online Marketing Agentur Online Marketing Agentur PrimSEO.de in Baden-Baden. Das Handwerkszeug für professionelles Online-Marketing lernte der Kommunikationsexperte im Presse- und Informationsstab des Bundesministeriums der Verteidigung, als Referent und Pressesprecher von Landtagsfraktionen sowie als Chefredakteur und Verleger von Mitgliedermagazinen für Institutionen und Verbände.

Zum Thema Ansehensverlust der Politik nimmt Thomas Bippes in einem Kommentar Stellung: «Aus dem Ansehensverlust der Politik hat sich längst ein Qualitätsproblem entwickelt.» In seinem Kommentar geht er auch auf die Situation der CDU Baden-Württemberg nach der Landtagswahl ein.

Kommentar: Thomas Bippes Seit Jahren befindet sich die politische Klasse insgesamt in einer Abwärtsspirale mit Blick auf Beliebtheit und Reputation. Seit 2007 befragt das Meinungsforschungsinstitut Forsa regelmäßig rund 2000 Bürgerinnen und Bürger unter anderem zum Ansehen unterschiedlichster Berufsgruppen. Gerade einmal 16 Prozent der Befragten billigen nach einer Umfrage, die Ende 2019 durchgeführt wurde, Politikern ein hohes oder sehr hohes Ansehen zu. Das sind neun Prozentpunkte weniger als vor drei Jahren und 14 Prozent weniger als vor vier Jahren. Der Verlust an Vertrauen und Ansehen trifft derzeit vor allem die CDU. Geradezu galoppierend zeigt sich diese Entwicklung bei den Christdemokraten, angetrieben von Missmanagement und Korruption. Doch unabhängig von aktuellen Skandalen zeigt sich unzweifelhaft: Kaum eine Berufsgruppe genießt in der Bevölkerung weniger Respekt als unsere Politiker – mit weitreichenden Folgen.

Mit dem anhaltenden Reputationsverlust der Politik geht ein insgesamt sinkendes Vertrauen in öffentliche Institutionen einher, was sich auch durch eine Zunahme körperlicher Übergriffe etwa auf Rettungskräfte und Polizisten bemerkbar macht. Der Ansehensverlust der Politiker schadet also unmittelbar unserer Demokratie. Die ungebremsten sozialen Medien tragen ihren Teil dazu bei, die Stimmung gegen demokratische Institutionen und ihre Vertreter weiter anzuheizen.

 

Vieles deutet darauf hin, dass die Corona-Pandemie auf diese Entwicklung wie ein Katalysator wirkt. Während die Menschen den Managern der Corona-Krise lange Zeit vertrauten, stellt sich nach vielen Pannen, Pleiten und Missmanagement in der Bevölkerung Ernüchterung und Wut ein. Als sich herausstellte, dass sich Abgeordnete der Union in Zeiten von Corona mit Schmiergeldzahlungen und Provisionen unter anderem für Maskendeals die Taschen voll machen, bestätigte das jedes Vorurteil über korrupte Politiker. Und immer wieder werden neue Fälle in den Reihen von CDU und CSU aufgedeckt.

Ein Jahr nach den ersten Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie sind fast zwei Drittel der Deutschen unzufrieden mit dem Krisenmanagement der Bundesregierung. In einer Umfrage des Instituts YouGov im Auftrag der dpa zeigen sich aktuell 34 Prozent «sehr unzufrieden» und weitere 31 Prozent «eher unzufrieden» mit dem Agieren der Regierung in der Krise. Dagegen sind nur vier Prozent «sehr zufrieden» und 26 Prozent «eher zufrieden». In einer aktuellen repräsentativen Insa-Umfrage für BILD stellen die Befragten dem GroKo-Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel ein desaströses Zeugnis aus. Auf die Frage, welcher Minister «sehr gute» bzw. «eher gute» Arbeit leistet, rasseln alle Minister der Union durch.

Aus dem Ansehensverlust hat sich längst ein Qualitätsproblem entwickelt. Wer eine erfolgreiche Karriere auf einer soliden Ausbildung baut, der kommt kaum auf den Gedanken, Berufspolitiker zu werden. Nicht nur des Geldes wegen – schließlich fallen Diäten und Bezüge für Wahlbeamte wie einen Bürgermeister oder Landtagsabgeordneten vergleichsweise bescheiden aus. Wer will schon in einem Beruf arbeiten, mit dem kein Respekt und keine Wertschätzung verbunden sind? Die Folgen sind verheerend und bedeuten für die Politik weiter sinkende Reputation. Der Fehler liegt im System: Von den Parteien werden aus Mangel an Alternativen Menschen in Wahlen geschickt, bei denen man am Ende gar nicht weiß, wie viele «Hinter» man vor das Wort «Bänkler» setzen muss, um deren Ahnungs- und Bedeutungslosigkeit auch nur ansatzweise beschreiben zu können.

Missmanagement und Fehler sind die Folge. Die Männerrunde, die die CDU Baden-Württemberg schon über viele Jahre hinweg führt, konnte den Weg ihrer Partei in die Bedeutungslosigkeit bislang nicht verhindern. Derzeit muss sie sich nicht nur hinter vorgehaltener Hand Kritik gefallen lassen. Zu Recht wird beispielsweise kritisiert, dass es kaum Frauen im Landesverband in Parteiämtern und Verantwortung gibt. Und so wie es aussieht, dürfen die Männer auch nach der gerade verlorenen Landtagswahl weiterarbeiten. Aus Mangel an Alternativen. Keine guten Aussichten also für die CDU in Baden-Württemberg.

Doch wie kommen wir wieder dahin, dass sich die Besten, Menschen mit Qualifizierung und Begeisterung für die Sache, für den Beruf des Politikers entscheiden? Wie können die Weichen gestellt werden, dass Politik und Politiker wieder Ansehen genießen? Wie bekommen wir wieder mehr Exzellenz und Erfahrung in Verantwortung? Helmut Kohl beispielsweise hat sich stets offen für Menschen gezeigt, die von außerhalb in die Politik kamen. Und in seiner Partei hat er immer nach Talenten gesucht und mit Führungsaufgaben bedacht, ohne dass sie sich über die Hühnerleiter regionaler Parteiämter nach oben kämpfen mussten. Den Stallgeruch konnten sie nachträglich noch erwerben. Hierfür aber muss das politische System und müssen die Ämter offener werden für Menschen, die sich in der Mitte ihres Lebens mit beruflicher Expertise für die Politik entscheiden. Beispiel Amerika: Hier wurde ein ranghoher Militär Verteidigungsminister. Ohne Zweifel bringt Lloyd Austin die notwendige Qualifikation mit. Weniger Proporz, mehr Erfahrung, das muss die Richtung sein.


Zurück zur Startseite und zu den weiteren aktuellen Meldungen.