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Der Protest der Eltern in Baden-Baden – „Erhöhung um 30 Prozent nicht mehr tolerierbar“ – Oliver Graf zur Demo heute – „Wo ganz Baden-Baden hoffentlich dahintersteht“

Der Protest der Eltern in Baden-Baden – „Erhöhung um 30 Prozent nicht mehr tolerierbar“ – Oliver Graf zur Demo heute – „Wo ganz Baden-Baden hoffentlich dahintersteht“
Der Protestmarsch der Elterninitiative führt zum Rathaus, wo eine Unterschriftenliste übergeben werden soll. Foto: Archiv

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goodnews4-AUDIO-Interview von Nadja Milke mit Oliver Graf

Bild Nadja Milke Bericht von Nadja Milke
29.09.2025, 00:00 Uhr



Baden-Baden «Wir haben zum Vorjahr eine Erhöhung um circa 30 Prozent in bestimmten Altersgruppen gesehen und haben gesagt, das ist so nicht mehr tolerierbar», drückt Oliver Graf im goodnews4-AUDIO-Interview seinen Unmut über die Entscheidungen der verantwortlichen Baden-Badener Politiker aus.

Der Mitorganisator der Eltern-Demonstration heute in Baden-Baden nennt ein drastisches Beispiel der KITA-Gebühren in Baden-Baden: «Ein Extrembeispiel ist tatsächlich eine Familie, die ein Kind hat unter drei Jahren und das Kind wird ganztags betreut von sieben bis siebzehn Uhr mit Mittagessen, kostet das die Familie 966 Euro.» Die Demonstration startet heute um 15.45 Uhr auf der Fieser-Brücke, gefolgt von einem Marsch zum Rathaus, wo Unterschriften einer Onlinepetition an den Ersten Bürgermeister Alexander Wieland übergeben werden sollen. goodnews4.de berichtete.

Und der Protest richtet sich auch gegen die Landesregierung. Man kann nach Berlin blicken, wie der FBB-Faktionschef Martin Ernst, « aber da brauchen Sie gar nicht so weit fahren, also auch in Rheinland-Pfalz, unserem Nachbarbundesland, gibt es das Konzept ‚frei ab zwei‘, das heißt also, alle Kinder ab zwei Jahren werden kostenfrei betreut in den Kindertageseinrichtungen», verweist Oliver Graf auf die kinderfreundliche Pfalz. So stehen Landespolitik in Stuttgart und Kommunalpolitik in Baden-Baden gleichermaßen am Pranger.

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Abschrift des goodnews4-AUDIO-Interviews mit Oliver Graf, Mitglied der Elterninitiative «Die Kita muss bezahlbar sein»:

goodnews4: Oliver Graf, für den 29. September kündigen Sie eine Demonstration an unter dem Motto &lauqo;Die Kita muss bezahlbar sein». Wer sind denn die Initiatoren der Demo und was sind ihre Forderungen?

Oliver Graf: Wir sind eine Elterninitiative gleichen Namens, also wir nennen uns auch «Die Kita muss bezahlbar sein» und wir haben uns circa genau vor einem Jahr gegründet, als die erste doch nennenswerte Erhöhung der Kita-Gebühren den Eltern ins Haus geflattert ist. Wir haben da schon im Vergleich zum Vorjahr eine Erhöhung um circa 30 Prozent in bestimmten Altersgruppen gesehen und haben dann eben gesagt, das ist so nicht mehr tolerierbar, das kann den Eltern so nicht mehr zugemutet werden und haben uns dann eben gegründet vor einem Jahr. Unsere Forderung war am Anfang im Prinzip die Kita-Beträge wieder zurückzufahren auf das Beitragsjahr 2023/2024 und die Beträge dann auch in der Höhe einzufrieren. Das war oder ist immer noch unsere primäre Forderung. Dann ist uns die desaströse finanzielle Situation der Stadt in die Quere gekommen, so dass sich natürlich dann so ein bisschen herauskristallisiert hat, dass es schwierig wird, dass die Stadt diese Forderung umsetzen kann. Wobei wir immer noch eigentlich das so aufrechterhalten haben als großes Ziel, aber was wir zumindest erreichen möchten ist, dass die Stadt, wenn die finanzielle Situation sich wieder konsolidiert hat, sich überhaupt weiterhin mit diesem Thema befasst, vielleicht eine Erklärung abgibt, dass, wenn die finanzielle Situation es zulässt, sich der Gemeinderat damit beschäftigt, die Gebühren wieder zu reduzieren. Das ist das eine, was wir fordern, das heißt also, dass Baden-Baden die Gebühren wieder auf Dauer senkt und nicht bei diesem Niveau lässt, aber auch zum anderen, dass sich zum Beispiel der Oberbürgermeister als Mitglied des Städtetags auch dafür einsetzt, dass die Bezahlung der Kita-Gebühren auch im Land neu gedacht wird.

goodnews4: Zuletzt hatte einer der Fraktionschefs im Gemeinderat sein Unverständnis geäußert, dass in Berlin Kita-Plätze kostenlos sind, dagegen im wohlhabenden Baden-Württemberg viel Geld kosten. Hätte man denn schon früher demonstrieren müssen?

Oliver Graf: Naja, also es ist natürlich so, dass die Finanzierung der Kindertagesbetreuung erst mal vom Land vorgegeben wird. Das heißt also, Baden-Württemberg hat sich bisher zumindest noch nicht dazu entschieden, zum Beispiel die Gebühren kostenfrei zu machen, wie es eben andere Bundesländer schon gemacht haben. Berlin ist ein Beispiel, aber da brauchen Sie gar nicht so weit fahren, also auch in Rheinland-Pfalz, unserem Nachbarbundesland, gibt es das Konzept «frei ab zwei», das heißt also, alle Kinder ab zwei Jahren werden kostenfrei betreut in den Kindertageseinrichtungen. Das Thema Gebühren für die Kita war schon immer Thema. Vor einigen Jahren gab es eine ähnliche Initiative, die damals auch gesagt hat, die Gebühren sind zu hoch, es muss was geändert werden. Man hat dann gesagt, okay, wir machen das Modell so ein bisschen anders, je nachdem, wie viele Geschwisterkinder da sind, also je nachdem, wie viele Kinder die Familie hat, werden die Gebühren sozusagen dann nach Kindern berechnet. Davor war es so, es mussten alle diese Kinder in der gleichen Einrichtung sein, damit es vergünstigt war. Jetzt ist es so, es reichen zum Beispiel drei, also wenn jetzt eine Familie drei Kinder hat, davon geht nur ein Kind in die Kita, die anderen beiden sind schon Schulkinder, dann wird das aber auch mit berücksichtigt. Also es zählt die Gesamtanzahl der Kinder, egal ob sie jetzt in ein Betreuungsangebot gehen oder nicht. Seitens der Eltern ist es schon immer Thema. Jetzt war es eben so, vor einem Jahr, dass wir gemerkt haben, es ist eine Schmerzgrenze für die Eltern erreicht. Bis dahin waren die Gebühren noch in einem Rahmen, wo man sagen konnte, das war zu stemmen, das war noch auf einem erträglichen Niveau, und vor einem Jahr sind die dann eben so teilweise auch sprunghaft angestiegen, dass wir gesagt haben, ja, da muss sich was tun, wir müssen eine Elterninitiative gründen.

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goodnews4: Können Sie Beispiele nennen, was Baden-Badener Familien mit ein, zwei oder drei Kindern an Kita-Gebühren aktuell bezahlen?

Oliver Graf: Ja, das ist natürlich pauschal ein bisschen schwierig, weil es hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zum einen, wie ich gerade gesagt habe, wie viele Kinder hat die Familie, dann kommt es natürlich auch darauf an, welches Betreuungsangebot man in Anspruch nimmt, also ist es jetzt die Ganztagsbetreuung, die in manchen Kitas acht, neun oder zehn Stunden dauert oder eben zum Beispiel nur die verlängerte Öffnungszeit, die dann über den Mittag dauert, zum Beispiel von sieben bis vierzehn Uhr. Also darauf kommt es natürlich an. Dann das Alter der Kinder, also Kinder unter drei Jahren sind teurer, da sind die Beiträge höher als bei den Kindern im Kindergarten, also über drei Jahre. Und dann kommt es natürlich noch mal so ein bisschen auf die einzelnen Einrichtungen an, wobei sich die Einrichtungen in Baden-Baden da ja abgesprochen haben, also die Betreuungskosten sind in den Einrichtungen relativ ähnlich. Aber ein Extrembeispiel ist tatsächlich eine Familie, die ein Kind hat unter drei Jahren und das Kind wird ganztags betreut von sieben bis siebzehn Uhr mit Mittagessen, kostet das die Familie 966 Euro. Wenn ich jetzt zwei Kinder über drei Jahre habe, also zwei Kinder im Kindergarten, was ja häufig der Fall ist, dann kommen wir da bei der Ganztagsbetreuung auf 778 Euro für beide Kinder. Die verlängerte Öffnungszeit wären zum Beispiel 610 Euro. Und auch so ein Klassiker, eine Familie mit drei Kindern, ein Kind ist noch in der Krippe unter drei Jahren, zwei Kinder im Kindergarten über drei Jahre. Dann kommen wir für die Familie, für alle drei Kinder auf einen Beitrag von 1.141 Euro.

goodnews4: Das ist schon ein Monatsgehalt.

Oliver Graf: Genau, richtig. Klar gibt es natürlich Vergünstigungen von der Stadt, beziehungsweise wer Wohngeld bezieht, wer diesen Kinderzuschlag zum Beispiel bezieht, der ist von den Gebühren ausgenommen. Aber es geht natürlich tatsächlich uns auch um diese Familien, die da dazwischen liegen, die zu viel verdienen, dass die Beiträge übernommen werden, aber eigentlich zu wenig, um das stemmen zu können. Und um diese Familien geht es uns da vor allem auch in unserer Forderung.

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goodnews4: Wen sehen Sie denn politisch besonders in der Pflicht, die Stadt oder eben auch das Land?

Oliver Graf: Naja, eigentlich natürlich beide. Zum einen haben die Kommunen natürlich relativ freie Hand, wie sie die Gebührenbelastung der Eltern gestalten. Heilbronn zum Beispiel hat sich dafür entschieden, als Kommune in Baden-Württemberg die Gebührenfreiheit einzuführen für Kinder ab drei Jahren. Also letztendlich ist es natürlich eine politische Entscheidung, wofür die Kommune Geld ausgeben möchte. Also sagt man, man subventioniert die Kita-Plätze mehr, sodass die Eltern dann eben weniger bezahlen müssen oder lässt man einen größeren Anteil über die Elterngebühren bezahlen. Zum einen haben die Kommunen, haben die Städte da Möglichkeit einzuwirken, wie teuer dann wirklich die Beiträge sind. Wenn man in Richtung Gebührenfreiheit denkt oder wenn man darüber nachdenkt, kann man die Finanzierung der Kitas neu denken, dann wäre natürlich das Land in der Pflicht, klar.

goodnews4: Dann vielleicht jetzt noch zum Schluss unseres Interviews, Herr Graf, ein Aufruf an alle Baden-Badener, sich an ihrer Demo am 29. September zu beteiligen. Warum sollten möglichst viele kommen, mit oder ohne Kind, Eltern oder nicht Eltern?

Oliver Graf: Ja, weil wir natürlich der Meinung sind, dass alle Kinder möglichst gleiche und faire Bildungschancen haben sollten und für uns zählt da natürlich schon die frühkindliche Bildung, wie sie eben in den Krippen und wie sie in den Kindergärten stattfindet, schon mit dazu. Das heißt, ja, wir möchten einfach eine Chancengleichheit für alle Kinder, dass alle Kinder die Möglichkeit haben, Kinderbetreuungsangebote nutzen zu können, dass keine Eltern sagen müssen, ich kann mir das nicht leisten. Und wir finden natürlich auch, dass Kinder immer auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sind. Also es ist klar, wenn jemand sein Kind aufgrund der Kosten nicht betreuen lassen kann oder sagt, das lohnt sich für mich gar nicht, für das Geld muss ich nicht arbeiten gehen, dann nehme ich mein Kind, betreue es zu Hause, dann fallen natürlich auch wieder wertvolle Fachkräfte weg, die natürlich im Moment mit Fachkräftemangel natürlich auch gebraucht werden. Also wir finden, dass es tatsächlich nicht nur Familien mit Kindern etwas angeht, die von den Gebühren direkt betroffen sind, sondern wir finden, dass es ein Thema ist, wo wirklich ja alle ganz Baden-Baden hoffentlich dahintersteht.

goodnews4: Ich bedanke mich für das Interview, Oliver Graf, vielen Dank.

Oliver Graf: Gerne.

Das Interview führte Nadja Milke für goodnews4.de.




Nadja Milke ist Redakteurin bei goodnews4.de und Mitglied der Landespressekonferenz Baden-Württemberg. Sie wohnt in der Baden-Badener Innenstadt und kennt sich dort gut aus, aber selbstverständlich auch in den anderen Baden-Badener Stadt- und Ortsteilen. Über Post freut sie sich: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!


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