Radikalisierung

Diskussion über Querdenken-Bewegung und Corona-Leugner – „Sicherheitsbehörden stellen Radikalisierung fest“

Stuttgart, 26.11.2020, Bericht: Redaktion Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl hat gestern den Ausschuss für Inneres, Digitalisierung und Migration des Landtags von Baden-Württemberg über die Einschätzung der Sicherheitsbehörden zu der Entwicklung der Bewegung Querdenken informiert.

Im näheren Umfeld der Bewegung seien «bekannte Extremisten tätig», die Einfluss auf die Protestbewegung nehmen und diese für ihre ideologischen Ziele zu instrumentalisieren versuchten.

Die Erklärung aus dem Landtag Baden-Württemberg im Wortlaut:

Die Bewegung Querdenken und ihre Ableger sind derzeit kein Beobachtungsobjekt des Landesamts für Verfassungsschutz, dennoch analysieren die Sicherheitsbehörden die Entwicklung fortlaufend. Das wurde in der Sitzung des Ausschusses für Inneres, Digitalisierung und Migration am Mittwoch, 25. November 2020, deutlich, wie der Vorsitzende des Gremiums, der CDU-Abgeordnete Karl Klein, mitteilte. Innenminister Thomas Strobl, CDU hatte den Abgeordneten über den aktuellen Stand berichtet. Dabei habe er auch darauf hingewiesen, dass unter den führenden Organisatoren der Querdenken-Veranstaltungen und im näheren Umfeld der Bewegung bekannte Extremisten tätig seien.

Nach Angaben des Vorsitzenden stellten die Sicherheitsbehörden eine Radikalisierung innerhalb der Initiative fest. Sorge bereiteten den Behörden vor allem die Versuche von Verschwörungstheoretikern, Rechtsextremisten, Reichsbürgern und Selbstverwaltern, Einfluss auf die Protestbewegung zu nehmen und diese für ihre ideologischen Ziele zu instrumentalisieren. Problematisch wirke sich hierbei insbesondere die Bereitschaft vieler rechtsextremistischer Organisationen aus, bis zu einem gewissen Grad abweichende Strömungen zu akzeptieren, solange diese dem eigenen Zweck dienten. Dies könne als Strategie betrachtet werden, die darauf abziele, das politische System nachhaltig zu beeinflussen und bislang nicht-extremistische Personen mit rechtsextremistischen Positionen in Kontakt zu bringen.

Problematisch seien auch die auf den Querdenken-Veranstaltungen verbreiteten Verschwörungsmythen wie zum Beispiel von «QAnon», die teilweise mit dem Ziel eines politischen Umsturzes verknüpft seien. Diese Mythen würden nicht nur von Extremisten vertreten, sondern fänden auch immensen Anklang bei nicht-extremistischen Teilnehmern und stellten eine zunehmende Gefahr für die Radikalisierung einzelner Teilnehmer dar. Bekannte Extremisten befeuerten strategisch geschickt die staatsfeindlichen Tendenzen, was letztlich die Gefahr der Radikalisierung von Teilnehmern nochmals erhöhe, sagte der Vorsitzende Karl Klein.

Insgesamt werde der deutsche Rechtsstaat als totalitäres System bzw. als eine mit dem nationalsozialistischen Regime gleichzusetzende Diktatur diffamiert. So werde zum Beispiel häufig ein Vergleich des neuen Infektionsschutzgesetzes mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933 gezogen. Es würden mit der Verschärfung von Feindbildern immer auch Notwehrsituationen konstruiert, die aus Sicht von Extremisten massive Gegenwehr gegen staatliche Maßnahmen und die staatliche Ordnung erforderten.

Bei der anschließenden Debatte hätten mehrere Fraktionen von einer «gefährlichen Mischung» unter den Demonstrationsteilnehmern gesprochen. Auch sei von Abgeordneten darauf hingewiesen worden, dass extreme Positionen nicht nur von Rechtsextremisten in die Bewegung hingetragen würden, sondern diese Positionen auch von Führungspersönlichkeiten der Querdenken-Initiative gestreut würden. Außerdem hätten bei der Debatte sowohl die Fraktionen wie auch der Innenminister die hohe Bedeutung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit im demokratischen Rechtsstaat betont. Selbstverständlich sei es in unserem Rechtsstaat jeder Person möglich, gegen staatliche Maßnahmen öffentlich zu demonstrieren. Dies sei ein wichtiger und legitimer Teil unserer Gesellschaft und unserer Demokratie, sagte der Vorsitzende. Dennoch gebe es angesichts der Pandemie Auflagen, an die sich die Demonstranten halten müssen. Diskutiert worden sei im Ausschuss daher auch die Frage, wann die Polizei bei Verstößen gegen Demonstrationsteilnehmer vorgehen dürfe und solle.


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