Gastkommentar

Doppel-Wumms und Wende-Inflation – Mehrheit der Bevölkerung versteht Ampel-Sprache nicht – Gastkommentar von Thomas Bippes

Bild Thomas Bippes Kommentar von Thomas Bippes
24.04.2023, 00:00 Uhr



Baden-Baden In unregelmäßigen Abständen veröffentlicht goodnews4.de Beiträge von Gastkommentatoren. Zum engeren Kreis gehören der Baden-Badener Bestsellerautor Franz Alt und Thomas Bippes, der sich insbesondere den Themen der Digitalisierung, IT und Künstlichen Intelligenz zuwendet.

Thomas Bippes war in der Zeit von 1998 bis 2006 Pressesprecher von Fraktion und Partei der CDU Rheinland-Pfalz und ist heute Professor für Medien- und Kommunikationsmanagement an der SRH Fernhochschule – The Mobile University sowie Gesellschafter einer Online Marketing Agentur in Baden-Baden. Das Handwerkszeug für professionelles Online-Marketing lernte der Kommunikationsexperte im Presse- und Informationsstab des Bundesministeriums der Verteidigung, als Referent und Pressesprecher von Landtagsfraktionen sowie als Chefredakteur und Verleger von Mitgliedermagazinen für Institutionen und Verbände.

Kommentar: Thomas Bippes Die Mehrheit der Bürger rätselt einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa zufolge über die Sprache der Bundesregierung. Mehr noch – sie weiß mit der Ampel-Sprache, mit der SPD, Grüne und FDP ihre Politik beschreiben, schlichtweg nichts anzufangen.

Damit scheitert Politik zwangsläufig, wie ich meine. Politische Kommunikation muss sich an den Bürger richten, ihn mitnehmen, im Idealfall begeistern oder ihn zu einer Ablehnung bewegen. Keinesfalls darf Politik an den Bürgerinnen und Bürgern vorbei kommunizieren.

 

Von der Gas-Umlage über den Doppel-Wumms bis zur «Bazooka», mit der Finanzminister Scholz versprach, Corona-Hilfsgelder an strauchelnde Unternehmen rauszuschießen. Das klingt gewollt, aber nicht gekonnt. Soll das die SPD-Stammwählerschaft im Arbeitermilieu ansprechen? Und dann auch der inflationäre Gebrauch des Begriffs «Wende»: Energie-, Verkehrs-, Wärme-, Zeitenwende. Soll beim Bürger unmissverständlich ankommen, dass grundlegende Veränderungen anstehen? Dass geklotzt wird, statt nur zu kleckern? Vermutlich haben noch nicht einmal Scholz & Co. auf diese Frage eine Antwort.

Ein weiteres, aktuelles Beispiel für missglückte Wortschöpfungen in der politischen Kommunikation: Inflationär bedient sich Olaf Scholz im Zusammenhang mit Infrastrukturprojekten wie dem Bau von LNG-Terminals des Begriffs «Deutschlandtempo». Auch das Verkehrsministerium hat die Phrase übernommen. Dabei ist die Verbindung aus «Deutschland» und «Tempo» ein Widerspruch in sich, denken wir nur an Deutschlands Digitalisierungsdesaster oder die überbordende Bürokratie. In der Literatur wird die Zusammenstellung zweier sich widersprechender Begriffe in einer rhetorischen Figur als Oxymoron bezeichnet. Im Gegensatz zu einem Paradoxon wie der Aussage «weniger ist mehr» löst sich bei einem Oxymoron der innere Widerspruch jedoch nicht auf. Er bleibt auch bei näherer Betrachtung. Und das begründet das schale, ungläubige Gefühl, dass der Begriff «Deutschlandtempo» beim Bürger erzeugt.

Oder nehmen wir die «Kindergrundsicherung». Seit Wochen streitet die Ampel-Koalition darüber, ob und wie bestehende Leistungen für Familien mit Kindern gebündelt und leichter zugänglich gemacht werden können. Die Grünen machen sich für eine Erhöhung der Leistungen stark, die FDP lehnt das Projekt ab. Doch zwei Drittel der Bürger wissen nicht, was sich hinter «Kindergrundsicherung» verbirgt. Selbst wenn Betroffene befragt werden, kann nur jeder Vierte sagen, was gemeint ist. Auch Anhänger der drei Ampelparteien können nur mit der Schulter zucken, wenn von Kindergrundsicherung die Rede ist – so die Forsa Umfrage.

Immer mehr Bürgerinnen und Bürger fühlen sich mit dieser Sprache und ihrem mangelnden Informationsgehalt nicht ernst genommen. Es kommt vielen so vor, als würden Erwachsene mit kleinen Kindern sprechen. Politik ist mehr als Lautmalerei, verwirrende Sprache, mangelhafte Kommunikation oder Datenchaos, wie wir es in der Corona-Pandemie erlebt haben. Viele Politiker und ihre Berater scheinen nicht zu begreifen, wie schädlich all das für die Akzeptanz ihrer Politik ist. Um es klar auszudrücken: Mit mangelnder und irreführender Kommunikation verspielt die Politik ihr wichtigstes Kapital: Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger. Oder wie der sprachmächtige deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer einmal sagte: «Jeder Wohlgesinnte und Einsichtige ergreife also mit mir Partei für die deutsche Sprache gegen die deutsche Dummheit.»




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