Bürgerentscheid am 29. Juni 2025

„Entsetzte CDU-Mitglieder“ in Baden-Baden – Whittaker und Gernsbeck verlieren Rückhalt – Offener Brief von „Für Baden-Baden“ zu Klink-Widersprüchen

„Entsetzte CDU-Mitglieder“ in Baden-Baden – Whittaker und Gernsbeck verlieren Rückhalt – Offener Brief von „Für Baden-Baden“ zu Klink-Widersprüchen
Bundestagsabgeordneter und CDU-Kreisvorsitzender Kai Whittaker und CDU-Fraktionschef Ansgar Gernsbeck. Fotos: Archiv

Baden-Baden, 10.06.2025, Bericht: Redaktion Es rumort offenbar in der Baden-Badener CDU. Immer übertriebener setzen sich die CDU-Wortführer Ansgar Gernsbeck, Kai Whittaker und Alexander Stummvoll für den Klinikstandort Rastatt ein.

Auch auf plausible Argumente reagieren die drei Kommunalpolitiker mit schroffer Ablehnung ganz auf Linie der beiden Koalitionäre in Stuttgart.

Mit einem Schreiben an die CDU-Mitglieder und die Medien meldet sich der Verein «Für Baden-Baden» zu Wort.

Der offene Brief des Vereins «Für Baden-Baden» an Kai Whittaker und Alexander Stummvoll vom 7. Juni 2025 im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Whittaker,
Sehr geehrter Herr Stummvoll,

Ihr Schreiben mit Datum 05. Juni 2025, über welches zahlreiche Mitglieder Ihrer Partei entsetzt sind, informiert die CDU-Mitglieder falsch und ist dem Anspruch einer CDU unwürdig.

Ihr Schreiben zum Bürgerentscheid wirft grundlegende Fragen auf – nicht nur zur wirtschaftlichen Urteilsfähigkeit, sondern auch zur politischen Seriosität, mit der Sie dieses wichtige Thema behandeln. Sollten Ihre Aussagen tatsächlich die Position der CDU widerspiegeln, wäre das ein Armutszeugnis für die wirtschaftspolitische Kompetenz Ihrer Partei. Sollten sie hingegen auf eigene Initiative erfolgt sein, muss man Ihre persönliche Eignung für verantwortliche politische Ämter ernsthaft hinterfragen.

 

Die Behauptung, der Wegfall des größten Arbeitgebers Baden-Badens habe keine wirtschaftlichen Folgen für die Stadt, ist an Naivität kaum zu überbieten – oder zynisch kalkuliert. Dass Sie dabei auch noch ironisch anmerken, kein Gastronom würde deswegen «eine Wasserflasche weniger verkaufen», entlarvt eine erschreckende Weltfremdheit. So weit entfernt von jeder Realität kann man nur agieren, wenn man entweder keinerlei Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge hat – oder bewusst versucht, die Öffentlichkeit zu täuschen.

Wir haben bereits in der letzten regulären Gemeinderatssitzung auf das Forschungsprojekt «Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Krankenhäuser in Brandenburg» verwiesen. Wer dort auch nur querliest, versteht: Krankenhäuser sind weit mehr als medizinische Einrichtungen – sie sind wirtschaftliche Motoren, sichern Kaufkraft, schaffen Arbeitsplätze, wirken städtebaulich und zahlen indirekt auf kommunale Haushalte ein. Wenn Ihnen Begriffe wie Lohnsteueranteil, Pendlerströme oder infrastrukturelle Folgekosten fremd sind, wäre zumindest ein Grundkurs in Kommunalökonomie dringend angeraten.

Es ist schlicht realitätsfern zu glauben, dass Mitarbeiter, Patienten und Besucher keinen ökonomischen Fußabdruck in der Stadt hinterlassen. Und ebenso naiv ist es, zu meinen, ein Klinikstandort jenseits der Stadtgrenze würde langfristig keine Verschiebung von Wohnort, Konsum und Steueraufkommen nach sich ziehen.

Die Bürgerinnen und Bürger haben Anspruch auf Ehrlichkeit, nicht auf beschönigte Phrasen. Wer aus parteitaktischem Kalkül eine derart große Investition kleinredet und dabei sehenden Auges die Interessen der Stadt Baden-Baden aufs Spiel setzt, handelt nicht verantwortungsvoll – sondern gefährlich kurzsichtig.

Ein Bürgerentscheid ist keine &lauqo;Spielregeländerung» – sondern demokratisches Recht

Wer einen Bürgerentscheid als Versuch darstellt, «die Spielregeln zu ändern, nachdem man verloren hat», verkennt bewusst die Legitimität demokratischer Instrumente. Das Recht auf Bürgerbegehren und -entscheid ist gesetzlich verankert – gerade um politische Entscheidungen noch einmal zur Diskussion zu stellen, wenn es Zweifel an deren Tragfähigkeit gibt. Demokratie ist kein Spiel, sondern ein Prozess der Aushandlung – auch zwischen Bevölkerung und Politik.

Der Austritt des Landkreises Rastatt ist kein Automatismus

Die Behauptung, der Landkreis Rastatt würde sofort aus dem Projekt «Klinikum Mittelbaden» aussteigen, ist reine Spekulation. Ein solcher Schritt wäre nicht nur politisch fragwürdig, sondern auch finanziell riskant für den Landkreis. Die Interessen beider Kreise liegen weiterhin in einer gemeinsamen Gesundheitsversorgung – der Standortfrage sollte man dabei jedoch mit Vernunft und Augenmaß begegnen, nicht mit Drohkulissen.

Zentralklinikum ja – aber richtig

Der Bürgerentscheid richtet sich nicht gegen den Bau eines modernen Klinikums. Im Gegenteil: Viele Bürgerinnen und Bürger wollen ein neues Zentralklinikum – aber eben an einem Standort, der besser erreichbar ist, stärker in die Stadtstruktur eingebunden und langfristig tragfähig ist. Dass dieser Wunsch als „Kirchturmdenken“ abgetan wird, wie Sie schreiben, ist nicht nur herablassend, sondern verkennt die Verantwortung, die Städte wie Baden-Baden für ihre soziale und wirtschaftliche Infrastruktur tragen.

Einseitige Darstellung der Klinikbeschäftigten

Sie berufen sich auf angeblich breite Zustimmung der Mitarbeitenden der Kliniken für den geplanten Standort. Diese Aussage wird in ihrer Pauschalität weder der Vielfalt der Beschäftigtenmeinungen noch der tatsächlichen Diskussion im Haus gerecht. Es gibt sehr wohl zahlreiche kritische Stimmen, insbesondere zur Erreichbarkeit, zu möglichen Arbeitswegen, zur Einbindung in bestehende soziale Netzwerke und zur Verschlechterung der Verbindung zu Versorgungsstrukturen in der Stadt. Diese Perspektiven gehören ebenfalls zur Debatte und verdienen Gehör, anstatt instrumentalisiert zu werden.

Ist der Landkreis Rastatt tatsächlich ein fairer Partner?

Sie zeichnen in Ihrem Schreiben ein Bild des Landkreises Rastatt als fairen, verlässlichen Partner. Diese Darstellung wirkt jedoch ausgesprochen einseitig – insbesondere, wenn man die tatsächlichen Abläufe rund um das Standortgutachten und die Finanzierungsfragen objektiv betrachtet.

Wie fair ist ein Partner, der bei einem Gutachten wesentliche Daten und Studien nicht berücksichtigt, relevante Unterlagen nicht vorlegt und nachweislich falsche Angaben macht, die zu einer verfälschten Standortbewertung führen? Solche Vorgänge sprechen nicht für Transparenz und Partnerschaftlichkeit – sie sprechen für ein Verfahren, das gezielt auf ein gewünschtes Ergebnis hingesteuert wurde.

Wie fair ist ein Partner, der von Baden-Baden eine überproportionale finanzielle Beteiligung verlangt, gleichzeitig aber so gut wie kein Mitspracherecht zulässt? Wer so agiert, gefährdet nicht nur die wirtschaftlichen Interessen Baden-Badens, sondern greift in letzter Konsequenz auch deren kommunale Selbstbestimmung an. Die Frage sei erlaubt: Ist das noch Partnerschaft – oder längst politisches Kalkül? Sie sprechen von «Fortschritt statt Stillstand».

Doch echter Fortschritt heißt, neue Erkenntnisse zuzulassen, Fehler zu korrigieren und Entscheidungen auf Basis aktueller und vollständiger Daten zu treffen. Ein überarbeitetes Standortgutachten liefert eine klare Aussage: Nach nachvollziehbaren Kriterien ist der Standort Balg die bestgeeignete Lösung – medizinisch, wirtschaftlich und strukturell. Wer diese Bewertung ignoriert, verwechselt Fortschritt mit Starrsinn.

Es steht viel auf dem Spiel – für Baden-Baden, für die Region und für das Vertrauen in politische Entscheidungsprozesse. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, dass Entscheidungen auf der Grundlage von Fairness, Transparenz und Fakten getroffen werden – nicht auf Basis von Machtarithmetik und taktischem Wegsehen.

Wessen Interessen vertreten Sie, Herr Whittaker?

Gerade Sie, Herr Whittaker, haben als Bundestagsabgeordneter eine Verantwortung für alle Bürgerinnen und Bürger in Ihrem Wahlkreis – nicht nur für die des Landkreises Rastatt, wo ein großer Teil Ihrer Wählerinnen und Wähler lebt. Ihre starke Positionierung für einen Standort an der Peripherie des Stadtkreises lässt Zweifel daran aufkommen, ob Sie hier wirklich die Interessen der Stadt Baden-Baden in den Mittelpunkt stellen. Baden-Baden droht mit dem Verlust seiner Stadtklinik nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein wirtschaftliches und identitätsstiftendes Zentrum zu verlieren.

Wenn Sie schon nicht gewillt oder in der Lage sind, sich für die Interessen der Bürgerschaft Ihrer eigenen Heimatstadt einzusetzen, dann wäre es zumindest das Mindeste, in einer so zentralen Frage politische Neutralität zu wahren – und nicht aktiv gegen die berechtigten Interessen Baden-Badens zu agieren.

Zudem drängt sich der Eindruck auf, dass Ihr Einfluss auf die deutlich verjüngte CDU-Fraktion im Gemeinderat – insbesondere durch die gezielte Positionierung von Herrn Stummvoll – nicht dem Wohl der Stadt, sondern parteipolitischem Kalkül dient. Damit beschädigen Sie nicht nur die Glaubwürdigkeit der CDU, sondern auch das Vertrauen vieler Bürgerinnen und Bürger in eine konstruktive, sachorientierte Kommunalpolitik.

Für viele Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, darunter zahlreiche angesehene Persönlichkeiten und ehemalige CDU-Wähler, ist Ihre Partei auf kommunaler Ebene dadurch leider nicht mehr wählbar geworden. Auch wir bedauern diesen Verlust an Vertrauen zutiefst – doch Sie selbst tragen maßgeblich die Verantwortung dafür.

Mit Nachdruck fordern wir Sie auf, sich den Fakten zu stellen, anstatt politische Nebelkerzen zu werfen. Die Bürgerschaft erwartet zu Recht eine Politik, die das Wohl Baden-Badens in den Mittelpunkt stellt – nicht parteitaktische Machtspiele.

Herzliche Grüße

Matthias Hirsch
Mike Brandau
Rita-Maria Hirsch-Ursinus




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